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Drogenrausch

AUSSER KONTROLLE

Sie torkeln und schreien, halluzinieren und übergeben sich – 29 Heilpraktikern in Handeloh ist die Einnahme der Szenedroge „Aquarust“ offenbar nicht bekommen. Die Polizei ermittelte.

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Vor zwei Monaten, im September, ging das Ereignis durch die Presse: „Seminar-Organisatoren sorgten für Massenrausch“ titelte damals die Bild-Zeitung. Passiert war das Ganze im niedersächsischen Tagungshotel „Tanzheimat Inzmühlen“, in dem sich Heilpraktiker, Homöopathen und Psychologen öfters trafen, um Fortbildungen zu besuchen. Die idyllische und ruhige Umgebung lud dazu ein.

Partydroge verabreicht Was also war geschehen? Nach Abschluss der Ermittlungen steht einwandfrei fest, dass die Seminarteilnehmer die Droge 2C-E eingenommen haben. 2C-E ist die Abkürzung für 2,5-Dimethoxy-4-ethylphenylethylamin, „Aquarust“ wird es in der Szene genannt. Es ist ein Phenylethylamin, das Halluzinationen auslöst, also stark verzerrte, verstärkte oder in Wirklichkeit gar nicht vorhandene Wahrnehmungen. Seit dem 5. Dezember 2014 unterliegt es dem Betäubungsmittelgesetz; Handel und Abgabe sind verboten.

Die Deutsche Presse-Agentur fand als erste heraus, dass die Initiatoren des Seminars für die Gabe des Psychedelikums verantwortlich waren: Eine Heilpraktikerin und ein Psychologe aus der Region Aachen befassten sich beruflich mit der sogenannten Psycholyse, bei der mit Hilfe von Drogen eine Bewusstseinserweiterung erreicht werden soll. Die beiden hatten 2C-E ebenfalls eingenommen und waren, wie der Rest der Truppe, danach nicht mehr ansprechbar.

Wahnvorstellungen, Krämpfe, Schmerzen, Luftnot und Herzrasen, diese Symptome zählen die Rettungskräfte auf, die mit 200 Mann am Tagungsort erscheinen – ein Großeinsatz der Stufe 3. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt der Feuerwehrsprecher damals im Fernsehen. „Die waren völlig außer Kontrolle“, entsetzt sich eine Augenzeugin.

Spur führt in die Schweiz Die Sache hat nun ein Nachspiel. Ermittelte die Polizei zunächst noch gegen alle am Massenrausch Beteiligten, konzentriert sich die Rechtslage mittlerweile lediglich auf die Organisatoren der Fortbildung. Einer der beiden soll laut „Schweizer Tagesanzeiger“ vom 16. September ein Schüler des Schweizer Psychiaters Samuel Widmer sein, der in seinem Buch „Wer heilt, hat recht“ verklausuliert erzählt, mit der Droge 2C-E bereits gearbeitet zu haben. Ein anderer Schüler Widmers, so die Zeitung, habe die Droge in einer ähnlichen Psycholyse-Sitzung 2009 gebraucht – diesmal endete das Drogenexperiment für zwei Teilnehmer sogar tödlich.

Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, stellt dazu klar: „Mit Psychotherapie und Medizin hat die sogenannte Psycholyse nichts zu tun. Wenn jemand zu diesem Zweck illegale Drogen verabreicht, dann ist das eine Straftat.“

Gründe? Warum die Menschen, die an diesem Seminar teilnahmen, bewusstseinserweiternde Drogen nahmen, obwohl sie von deren Gefährlichkeit wissen mussten, bleibt unklar. Warum das Experiment wiederholt wurde, obwohl es davor bereits zwei Todesfälle gab, auch. Eine deutsche Heilpraktikerin sagt dazu unverblümt: „Wer sowas nimmt, muss eben damit rechnen, umzufallen.“

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/15 auf Seite 84.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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