© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Berühmte Apotheker

FRANZISKUS JOEL

Der Aufstieg des aus Österreich-Ungarn stammenden Apothekers (geboren 1508, gestorben 1579) zum Medizinprofessor war einzigartig und stellt eine erwähnenswerte Ausnahme in der Frühen Neuzeit dar.

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Der am 1. September 1508 in Solosch, einem kleinen Dorf in der Nähe von Sabaria (heute Stein am Anger, West-Ungarn) geborene Franz Joel, war Sohn eines Schmiedes. Er besuchte neben der örtlichen Schule die Lateinschule in Olmütz in Mähren, ging anschließend nach Wien, um Philosophie, Naturwissenschaften und Arzneiwissenschaften zu studieren. In der Apotheke in Neustadt bei Wien erhielt er spätestens ab 1526 nachweislich dokumentiert seine pharmazeutische Ausbildung.

Da ihn aber auch die ärztliche Ausbildung reizte, setzte er mit 30 Jahren seine Studien an den Universitäten Leipzig und Wittenberg fort. An letzterer beschäftigte er sich besonders intensiv mit der Arzneimittellehre sowie der Heilkunde, besuchte viele Vorlesungen des deutschen Physikers und Mediziners Melchior Fendt (1486 bis 1564). Dass er allerdings ein geregeltes Studium betrieb, ist nicht nachweisbar. Zudem hörte er in Wittenberg viel die Predigten Martin Luthers und wurde ein begeisterter Anhänger der Reformation.

Durchgangsstationen: Berlin, Güstrow und Stralsund Er wechselte zum protestantischen Glauben und ließ sich als Arzt zunächst in Berlin nieder, war unter anderem Hofarzt des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Vom mecklenburgischen Herzog Albrecht VII. wurde er jedoch schon 1543 zum Hofapotheker nach Güstrow bestellt, wo er noch im gleichen Jahr Barbara Schacht, Tochter des dortigen Münzmeisters, heiratete. Da betrieb er jedoch auch schon eine öffentliche Apotheke am Markt in Stralsund, wohin er bald mit seiner Familie übersiedelte. Am 14. Juni 1544 erhielt er hier das Bürgerrecht, unterbreitete 1545 dem Stadtrat von Stralsund Pläne zur Gründung einer städtischen Apotheke.

Ob diese vom Stadtrat allerdings genehmigt und umgesetzt wurden, ist nicht bekannt. Sehr wohl bekannt ist jedoch Franz Joels insgesamt wirtschaftliches Geschick: So erwarb er in Stralsund beispielsweise 1550 ein Grundstück von den Vorstehern der St. Marien- Kirche. Aber auch pharmazeutisch war er rege, verfasste einen Kommentar zum damals in Norddeutschland maßgebenden Lübecker Arzneibuch, den „Index et Commentarius in Pharmacopoeam Lubecensem“. Und auch in Glaubensfragen war der überzeugte Lutheraner rebellisch und keineswegs zimperlich. So er ließ sich nur allzu gerne in theologische Streitigkeiten verwickeln, die das Augsburger Interim, ein von Kaiser Karl V. 1548 verfügtes Reichsgesetz, mit sich brachte.

Darin waren für eine Übergangszeit die kirchlichen Verhältnisse geregelt, bis ein allgemeines Konzil über die Wiedereingliederung der Protestanten in die katholische Kirche endgültig entschieden haben sollte. Joel überschritt in Schmähschriften und in seinem Verhalten hierbei deutlich die damals sicherlich nicht eng gezogenen Grenzen des Debattenstils, zeigte seinem Gegner, wenn dieser sich zur Nicolaikirche begab, auch durchaus am offenen Fenster des Apothekerhauses am Alten Markt unziemlich die entblößte Kehrseite. Schließlich musste er Ende 1551 versprechen, Stralsund samt Familie zu verlassen – und landete in Greifswald.

In der Stralsunder Nicolai-Kirche befinden sich mehrere Grabstätten. Auserwählte Verstorbene sollten hier ihre Seelenruhe finden.


Beispielloser Erfolg in Greifswald
Dort gelang Joel ein beispielloser beruflicher Aufstieg. Da die dortige Apotheke – die er zusammen mit seinem Mitarbeiter Georg Schole übernahm – ausstattungsmäßig unzureichend war, gelang es ihm, den Greifswalder Stadtrat zu überzeugen, eine städtisch finanzierte Ratsapotheke zu gründen. Das Haus am Markt wurde hierfür mit städtischen Mitteln umgebaut, die neue Ausstattung, er selbst und sein Mitarbeiter von der Stadt bezahlt. Letztlich hatte er in Greifswald sogar mehrere Ämter inne: Er war Leiter der Ratsapotheke am Markt in Greifswald – als Stadtapotheke mit festem Salär von 200 Mark jährlich.

Zusätzlich wurde er 1555 durch Vermittlung eines Medizinprofessors der Universität Rostock zum Licentiaten der Medizin, sodass die Stadt Greifswald ihm zusätzlich das Amt des Stadtphysicus (Stadtarzt) übertrug. Und er wirkte gleichzeitig als Hofmedicus des Wolgaster Herzogs, dessen Wohlwollen er sich erwerben konnte. Zu guter Letzt wurde Franziskus Joel ab 23. August 1559 auch noch Medizinprofessor an der Universität Greifswald. Eine Ämterhäufung, zudem ohne Trennung der Berufe Arzt und Apotheker, wie sie etwa seit dem Stauferkaiser Friedrich II. (1194 bis 1250) per Gesetz zunächst für das Königreich Sizilien vorgeschrieben war und sich nach und nach auch in Apothekenordnungen nördlich der Alpen durchzusetzen begann.

Als der Rat der Stadt Greifswald „allerley bedencken hatte, daß der Physikcus zue gleich Apotheker sein sollte“ gab er 1561 deshalb die Leitung der städtischen Ratsapotheke auf. Der Aufstieg vom Apotheker zum Medizinprofessor war insgesamt aber einzigartig. Seine Lehrveranstaltungen, etwa auch über einheimische Heilpflanzen, waren beliebt. Die Krönung seiner Laufbahn war schließlich, dass er von 1567 bis 1576 sogar zweimal zum Rektor der Universität Greifswald gewählt wurde. Doch auch Leid erlebte er in Greifswald: 1561 wurde seine mit dem dreizehnten Kind schwangere Frau Barbara durch herabstürzendes Gebälk erschlagen. Ein Jahr später heiratete er erneut, Catharina von Temel, Tochter eines angesehenen Stralsunder Bürgers – und hatte mit ihr nochmals drei Kinder.

Medizinisch-pharmazeutische Leistung Am 20. Oktober 1579 starb der als kämpferisch, mit Tatendrang und unnachgiebiger Arbeitskraft versehen geltende Franz Joel – vermutlich aufgrund einer Grippe. Er wurde interessanterweise nicht in Greifswald, sondern in der Stralsunder Nikolaikirche beigesetzt. Sein bekanntes Bild, das sich lange im Hauptgebäude (heute wohl im Universitätsarchiv) der Universität Greifswald befand, entstand kurz nach seinem Tod und zeigt ihn in der damaligen Gelehrtentracht mit Maiglöckchen in der Hand. Die sechsbändige „Opera medica“, sein Hauptwerk, erschien erst nach seinem Tod, veröffentlicht durch einen seiner Söhne (1564 bis 1601) sowie einen Enkel (1595 bis 1631).

Eine zweite und dritte Auflage kam noch 1663 beziehungsweise 1701 in Amsterdam heraus, was für die gute Anerkennung von Joels Werk spricht. Der Elementenlehre von Paracelsus (Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, vermutlich 1493 bis 1541) stand er ambivalent gegenüber, konnte ihr einiges Gutes abgewinnen und versuchte sogar eine Synthese zwischen dieser und der aristotelischen Elementenlehre (Aristoteles, griechischer Philosoph, 383 v. Chr, bis 322 v. Chr.). Ansonsten erwähnte er unter anderem auch eine Reihe chemiatrischer Zubereitungen, darunter Metalloxyde, Quecksilberverbindungen, Tinctura antimonii und seinen „Joelschen Vitriolsaft“, der noch sehr lange als bewährtes Heilmittel galt.


Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/17 ab Seite 46.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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