Platzhalter PTA © DIE PTA IN DER APOTHEKE
© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Berühmte Apotheker

AM LEBEN ZERBROCHEN

Vom Vater gezwungen, Apotheker zu werden, in der Schule in Deutsch ein „Genügend“ – Georg Trakl wurde nicht alt: ganze 27 Jahre. Und doch gilt er heutzutage als einer der großen deutschsprachigen Dichter.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Ein Auszug aus dem Gedicht „Klage“ – „Und es klagt die dunkle Stimme über dem Meer ...“ – oder auch „Verfall“, „Melancholie“, aber auch „Sommer“ oder „In den Nachmittag geflüstert“ sind bekannte Gedichtes des expressionistischen Dichters Georg Trakl. Sie handeln von Gefühlen, Fernweh, ja Melancholie, einer unendlichen Traurigkeit und Düsterkeit. So mancher durfte eines seiner Gedichte mit der melodisch-rhythmischen Sprache in der Schule schon interpretieren. In der Literaturgeschichte gilt Trakl als „Prophet des Weltunglücks“. Doch der Verlag, der Trakls „Dichtungen“, seine „Gesammelten Werke“ herausgab beziehungsweise noch immer herausgibt, kann sich über mangelnde posthume Nachfrage nicht beklagen. Einige hundert Gedichte, wenige Theaterstücke und einige, teils undatierte Briefe existieren.

Aufgewachsen im „Spießbürgertum“ Am 3. Februar 1887 wurde Georg Trakl als viertes von sieben Kindern des Salzburger Eisenhändlers Tobias Trakl und der aus Prag stammenden Mutter Maria Catharina geboren. Er wurde protestantisch erzogen, hatte eine gutbürgerliche Existenz, war aber schon als Kind eher lebensuntüchtig. So wollte er sowohl ein Pferdegespann als auch später eine Eisenbahn dadurch anhalten, dass er den Tieren beziehungsweise der Bahn mit ausgebreiteten Armen entgegentrat. Er war mit acht Jahren schon so mit sich selbst beschäftigt, dass er in einen Teich lief – ohne es rechtzeitig zu merken.

Mit sehr viel Mühe schleppte er sich durch die Schule (Stadtgymnasium), die er nach der siebten Klasse wegen schlechter Leistungen noch dazu vorzeitig verlassen musste; Abgangszeugnis in Deutsch: „Genügend“. Dabei war er durchaus belesen, las mit Begeisterung Werke Dostojewskis, war schon Mitglied eines Dichterzirkels. Dank des Kindermädchens der Familie sprach er gut französisch, las auch Werke von Rimbaud (Ideen von der „Farbe der Vokale“, „hallucination des mots“), Maeterlinck, George, Nietzsche, Maudelaire, Verlaine. Trakls Vater jedoch bestimmte ihn zum Apotheker – und so begann er im September 1905 seine vorgeschriebene dreijährige praktische Ausbildung in der Salzburger Apotheke „Zum weißen Engel“.

Sein Lehrherr, Apothekenbesitzer Carl Hinterhuber, war ein alter Mann, der dem Alkohol reichlich zusprach. Von seinen ehemaligen Schulkameraden wurde Trakl, der nun statt Gymnasiast mit Schülermütze zu sein nur noch einfacher Lehrling in einer Apotheke war, verlacht, was dem sensiblen jungen Mann sehr zusetzte und ihn belastete. In dieser Zeit schrieb er 15-jährig bereits Gedichte, machte aber auch erste Bekanntschaft mit Drogen – besonders Ether und Opiumzigaretten –, wie etwa sein Gedicht „Der Schlaf“ zeigt. 1906 fand sogar die Uraufführung seiner verloren gegangenen Einakter-Dramen „Totentag“ und „Fata Morgana“ (nur die Programmzettel sind noch vorhanden) im Stadttheater Salzburg statt. Und es kam zur Veröffentlichung erster Prosastücke in der „Salzburger Volkszeitung“.

Studium und pharmazeutische Tätigkeit 1908 begann Trakl das viersemestrige Studium der Pharmazie in Wien, das er mit dem Magisterexamen abschloss. Parallel schloss er sich auch dem Akademischen Verband für Literatur und Musik an. Ab Oktober 1910 absolvierte Trakl seinen einjährig-freiwilligen Militärdienst in Wien, von Oktober 1911 bis Dezember, also nur für sehr kurze Zeit war Trakl danach als Rezeptarius erneut in der Salzburger Apotheke „Zum weißen Engel“ tätig. Wie sein Jugendfreund Erhard Buschbeck, später für einige Zeit Direktor des Wiener Burgtheaters, berichtete, empfand der hypersensible Trakl den Apothekendienst nämlich zunehmend als belastend. Die Hektik, die zahlreichen Wünsche... – aus Angst vor den Kunden soll Trakl an einem einzigen Nachmittag sechs Hemden durchgeschwitzt haben. Von April bis November 1912 dauerte seine Probezeit als „Medikamentenakzessist“ – Militärapotheker im Rang eines Leutnants – in der Apotheke des Garnisonsspitals Nr. 10 in Innsbruck.

Toxisches Leben Seiner Statur nach hingegen wirkte Trakl kaum wie ein „Weltflüchtiger“: Seine Freunde (insbesondere Buschbeck sowie Ludwig von Ficker, Herausgeber der Zeitschrift der „Brenner“ in der die meisten Gedichte Trakls erschienen) beschreiben ihn als großgewachsen, breitschultrig, mit kräftigen Händen und einem ziemlich häßlichen Gesicht. Seinem Freund Buschbeck ist sicherlich mit zu verdanken, dass Gedichte Trakls überhaupt schon sehr früh und noch dazu zu dessen Lebzeiten veröffentlicht wurden. Ludwig von Ficker widerum wurde zu seinem Gönner. Denn Trakl litt unter Geldnöten. Eine Anstellung zu finden war schwierig.

Wenn er eine hatte, schmiss er sie schnell wieder hin. Denn der ungeliebte Brotberuf „Apotheker“ behinderte die Ausübung der Kunst, das übliche Dilemma fast jedes Künstlers („brotlose Kunst“). Und nach dem Tod des Vaters 1910 wirtschaftete Trakls Halbbruder das väterliche Eisengeschäft herunter, finanzielle Zuwendungen von dieser Seite gab es keine mehr. Von Ficker verschaffte Trakl deshalb aus einem Künstlerfonds ein Stipendium von 20 000 Kronen – das hätte viele Jahre ausgereicht! Doch Trakl war außerstande das Geld von der Bank abzuholen.

Stattdessen brach er mehr und mehr aus der Welt aus: Schon als Vierzehnjähriger pflegte er seine Zigarette – er war Kettenraucher – in eine Opiumlösung zu tauchen. Mit Chloroform betäubte er sich – auch auf Spaziergängen – mitunter bis zur Bewusstlosigkeit. Der Apothekerberuf verschaffte ihm zusätzlich leichten Zugang zu großen Dosen Phenobarbital sowie Opiaten und Kokain. Hinzu kamen ein hoher Alkoholkonsum, gelegentliche Bordellbesuche (als Stammkunde), eine inzestiöse Beziehung zu seiner jüngsten Schwester Margarete. Leben und Schreiben wie im Rausch?

Ansonsten tiefste Verschlossenheit? Vieles spricht dafür. Der Wiener Schriftsteller Franz Zeis, der ihn 1913 mehrere Tage besuchte, schreibt über Trakl unter anderem: „Sieht stark, kräftig aus, ist aber empfindlich, krank. Hat Hallucinationen, ´spinnt`...“. Trakl hatte wechselnde Aufenthalte in seiner Heimatstadt Salzburg, aber auch Wien, Hohenburg und Innsbruck. Letzteres vor allem, denn seit Ende 1912 bis zu seiner Einberufung zu Weltkriegsbeginn genoss Trakl Gastrecht in Ludwig von Fickers Villa in Mühlau bei Innsbruck.

Suizid mittels Vergiftung? Bei Kriegsbeginn wurde Trakl als Medikamentenakzessist eingezogen, leistete Kriegsdienst im Feldspital in Galizien. Im September 1914, also noch am Anfang des ersten Weltkrieges, musste Trakl 90 Schwerverwundete der Schlacht bei Grodek in Galizien weitgehend ohne vorhandene Medikamente versorgen. Unmittelbare Folge: Er unternahm mit seinem Armeerevolver noch am gleichen Abend einen Selbstmordversuch, doch seine Kameraden nahmen ihm die Waffe ab. Die Schrecknisse der Schlacht hat Trakl aber auch in seinen letzten beiden Gedichten, „Klage“ und „Grodek“ verarbeitet.

Diese schrieb er schon in der psychiatrischen Abteilung des Garnisonsspitals in Krakau, wohin er zur Beobachtung seines Geisteszustandes (Nervenzusammenbruch) vierzehn Tage später verbracht wurde. Am 3. November 1914 starb der nicht nur in der Fachliteratur, sondern selbst in der Zeitschrift „Der Spiegel“ als einer der „begnadetsten Dichter der Generation erster Weltkrieg“ bezeichnete Georg Trakl in diesem Krakauer Militärkrankenhaus. Als Ursache der Herzlähmung wurde „Suizid durch Cocainintoxication“ angegeben, jedoch sprechen auch einige Indizien gegen einen bewussten Selbstmord. Eine Überdosis Kokain war aber auf jedenfall die Todesursache.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 98.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

×