© Claus Ritzi

Apotheken In Den Usa

BESSER ALS IHR RUF

Wenn die mexikanische Haushaltshilfe Santa in eine Apotheke geht, überlegt sie zuerst, ob sie ihre Medikamente in einem Supermarkt einkauft oder doch lieber zur näher gelegenen CVS-Apotheke fährt.

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In der CVS Pharmacy – neben Walgreens eine der bedeutendsten Apothekenketten in den USA – erwartet sie im Gegensatz zu einer deutschen Apotheke keinerlei Beratung, sofern sie ihr Arzneimittel an dem Ausgabenschalter abholt, der mit einem Pharmacy Technican besetzt ist. Das Berufsbild des Pharmacy Technican entspricht noch am ehesten dem einer PTA – auch wenn dieser Vergleich äußerst gewagt ist und lediglich auf der Gemeinsamkeit basiert, dass er wie seine deutsche Kollegin kein Pharmazie-Studium absolviert hat.

Der Pharmacy Technician wird in der Übersetzung nicht nur als Pharmazie-Techniker, sondern auch als Pharmazie-Assistent oder als Pharmazie-Helfer bezeichnet. Insbesondere letztgenannter Begriff dürfte die berufliche Tätigkeit am genauesten bezeichnen, denn im Gegensatz zur deutschen PTA ist sein Aufgabengebiet wesentlich enger gefasst. So besteht die Hauptaufgabe darin, verschriebene Medikamente unter der Aufsicht des Apothekers zu dosieren und abzugeben. Dazu muss man wissen, dass die Kommunikation im Zusammenhang mit verschreibungspflichtigen Medikamenten grundsätzlich anders abläuft als in Deutschland.

Packungen werden individuell zusammengestellt Während hierzulande der Arzt eine bestimmte Packungsgröße verordnet, werden in Amerika individuelle Arzneimittelmengen ausgegeben. Das hat auch damit zu tun, dass amerikanische Krankenkassen nicht gleich für die volle Arzneimittelmenge aufkommen wollen und die Gesamtmenge unterteilt ist. Die dadurch erforderlichen Nachbestellungen werden „refills“ genannt. Sofern der Patient versichert ist, muss er einen sogenannten copay-Betrag zahlen. Ohne Krankenversicherung muss der Patient die Kosten vollumfänglich übernehmen. Anders als in Deutschland ist in Amerika eine bemerkenswert große Zahl an Menschen nicht versichert. In der Regel werden die Abgabemengen per Fax oder telefonisch vom Arzt an den Apotheker kommuniziert. Bevor der Pharmacy Technician die erforderliche Arzneimittelmenge zusammenfasst und dann ein Label kreiert, das in Form einer Banderole den Inhalt der Packung beschreibt, hat der Apotheker die Verschreibung des Arztes auf Sinnhaftigkeit geprüft.

Das bedeutet nicht nur, dass er das Medikament als solches checkt, sondern es auch im Kontext anderer Arzneimittel prüft, die der Patient ansonsten noch zu sich nimmt. Dieses Verfahren wird auch Doppelcheck genannt. Die Abgabe am Schalter erfolgt dann in der Regel völlig ohne Beratungsgespräch. Selbst die in Deutschland üblicherweise gestellte Standardfrage, für wen denn das Medikament bestimmt sei, entfällt zugunsten eines Small-Talks. Und wer es ganz bequem haben will, kann seine bestellten refills auch am drivethru-​Schalter wie bei McDonald’s abholen. Wird ein Beratungsgespräch für notwendig erachtet, wendet sich der Kunde an einen extra dafür eingerichteten Schalter, den consultation counter. Hier darf ausschließlich ein approbierter Apotheker Medikamente abgeben. Übrigens unterscheiden sich die Kompetenzen und die Ausbildungswege des Pharmaceuticial Technican von Bundesland zu Bundesland.

Während Jim, der rangoberste Pharmaceutical Technican des Teams, das Santa am Ausgabenschalter ihrer CVS-Apotheke im kalifornischen San Luis Obispo antrifft, eine zweijährige Ausbildung nachweisen kann, ist es durchaus möglich, dass seine Kolleginnen und Kollegen in einem anderen Bundesstaat lediglich einen viermonatigen Fernlehrgang absolviert haben. Unter Umständen wurden die Lerninhalte in Abendkursen während einer anderen beruflichen Tätigkeit online erarbeitet. Wer nun einwenden möchte, dass es doch merkwürdig sei, dass die Ausbildung je nach Bundesstaat variiere, sollte sich die Größe dieser Bundesstaaten vor Augen führen – die ja teilweise mit der Ausdehnung von Deutschland vergleichbar sind.

Größeres Aufgabenspektrum im Hospital Während der Pharmaceutical Technician in der normalen Vor-Ort-Apotheke unter Umständen auch für die Bevorratung der Medikation verantwortlich sein kann, muss er diese Aufgabe in der Krankenhaus-Apotheke zwingend mit übernehmen. Die Hilfskraft ist auch häufig für die Inventur zuständig und prüft das Verfallsdatum der Arzneimittel. Neben dem Ausfüllen von Bestellscheinen prüft der Pharmaceutical Technician auch den bei den verschiedenen Firmen bestellten Medikamenten-Eingang. In der Klinik-Apotheke gehört es auch zu seinem Aufgabenbereich, dass er beispielsweise Injektionen präparieren muss. Im Hinblick auf den Patienten pflegt die Hilfskraft am Computer auch dessen Medikationsprofil. Und auch die Kommunikation mit den Versicherungen fällt in der Regel in sein Tätigkeitsfeld. Der Assistent muss sich also mit den Formularen für die Versicherungen auskennen und muss im gegebenen Fall auch Geld von ihnen einfordern. Ein weiterer Schwerpunkt besteht darin, Gerätschaften in der Krankenhaus-Apotheke zu säubern und deren Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Selbstverständlich muss der Pharmaceutical Technican auch die allgemeine Fach-Terminologie einer Apotheke beherrschen.

Studium patientenorientiert Auch wenn deutsche Touristen auf den ersten Blick den Eindruck haben, dass das amerikanische Apothekenwesen einfach zu locker sei, so ist dieses Urteil nicht ganz fair. Denn wenn man die Ausbildung der US-​Pharmazeuten ins Visier nimmt, so wird zwar schnell klar, dass das Studium in Amerika andere Schwerpunkte hat als hierzulande – diese haben aber auch ihre Vorteile. Der größte Unterschied dürfte darin bestehen, dass die Kommunikation mit den Patienten, den Ärzten und dem Pflegepersonal aktiv geschult wird. So werden beispielsweise in Kursen anhand von Fallbeispielen in Kleingruppen die Zugänglichkeit, die Kosten und die Qualität von pharmazeutischen Behandlungen diskutiert. PTAs, die ohnehin versiert sind im Umgang mit Patienten und ein Pharmazie-Studium erwägen, könnten – entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt – durchaus überlegen, einige Semester in Übersee zu absolvieren.

Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass es teilweise an pharmazeutischen Universitäten – wie etwa im Bundesstaat Florida – während der ersten beiden Studienjahre keinen Chemiekurs mit Laborarbeit, also keine Titrationen, keine instrumentelle Analytik und keine Synthesechemie gibt. Stattdessen dreht sich fast die Hälfte der pharmazeutischen Inhalte um den Bereich der Klinischen Pharmazie mit Kursen etwa zur Pharmakotherapie. Im dritten und vierten Jahr durchlaufen die Studenten neben den Uni-​Veranstaltungen ein elf Monate dauerndes Praktikum, das sich aus mehreren Stationen zusammensetzt. Pflichtstationen sind Allgemeinmedizin, ambulante Versorgung und öffentliche Apotheke sowie eine Auswahl zwischen Pädiatrie, Geriatrie und Onkologie. Zur Auswahl stehende Stationen sind Kardiologie, Intensivmedizin, Ernährung, Psychiatrie, Notfallmedizin oder Toxikologie. Dass der Praxisbezug im Vordergrund steht, wird auch deutlich, wenn beispielsweise während des Studiums im „CVS Pharmacy Teaching Laboraty“, also in einer Art kleinem Apothekennachbau, unterrichtet wird. Sollte Santa eines Tages also tatsächlich ein Gespräch mit einem Apotheker wünschen, wird sie vermutlich äußerst verständlich und kompetent beraten. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/17 ab Seite 108.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

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