Baby isst Spinat. © NataliaDeriabina / iStock / Getty Images
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Säuglinge und Kleinkinder

PRÄVENTION BEGINNT IM MUTTERLEIB

Schon frühzeitig werden die Weichen für Allergien gestellt. Auf die genetischen Faktoren haben wir keinen Einfluss, aber bereits die Schwangerschaft und die erstens Lebensmonate stellen eine sensible Phase dar.

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Allergische Erkrankungen sind eine Volkskrankheit mit weltweit steigender Tendenz – auch bei Kindern. Schätzungen zufolge werden im Jahr 2050 bis zu vier Milliarden Menschen betroffen sein. Bereits heute leidet jeder vierte Erwerbstätige unter Allergien der Haut oder der Atemwege und im Kindesalter gelten Allergien heute als die häufigste chronische Erkrankung.

Leitliniengerechte Präventionsstrategien Sie sind bereits während der Schwangerschaft und im Säuglingsalter von großer Wichtigkeit. Dabei hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. Während man früher empfahl, prinzipiell den Erstkontakt mit den potenziellen Allergenen hinauszuzögern, gilt heute das Prinzip, die Toleranzentwicklung des Immunsystems zu fördern.

Experten raten daher, das Immunsystem schon früh in der Kindheit durch eine vielfältige Ernährung zu stimulieren. Schadstoffe aus der Außenluft und aus Innenräumen sowie andere ungünstige Faktoren sollten allerdings weiterhin gemieden werden. Einzelheiten dazu finden sich in der Leitlinie „Allergieprävention“ der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.). Wesentliches daraus wird im Folgenden vorgestellt.

Keine AllergiediätDie Schwangere muss auf keine Lebensmittel verzichten. Eine allergenarme Ernährung, also der Verzicht auf potenziell allergene Nahrungsbestandteile wie beispielsweise Kuhmilch, Hühnerei, Fisch oder Nüsse bringt keinen Vorteil, sondern kann sogar eher schaden. Die Aufnahme von zu wenig Calcium oder Proteinen gefährdet die Versorgung der werdenden Mutter mit lebensnotwendigen Nährstoffen und wirkt sich auch negativ auf die Entwicklung des Kindes aus.

Selbst bei einer familiären Vorbelastung wird daher grundsätzlich keine allergenarme Ernährung während der Schwangerschaft empfohlen. Im Gegenteil, Fisch sollte die Schwangere immer verzehren, da die Zufuhr enthalten der langkettiger Omega-3-Fettsäuren die Entwicklung atopischer Erkrankungen beim Kind reduzieren kann. Gleiche Regeln gelten für die stillende Mutter. Auch sie soll sich ausgewogen und nährstoffdeckend ohne Restriktionen (inklusive Fischverzehr) während der Stillzeit ernähren.

Voll Stillen Muttermilch stellt nach wie vor die beste Nahrung für Säuglinge dar – auch aus allergiepräventiver Sicht. Daher empfiehlt die Leitlinie, die Kinder mindestens vier Monate voll zu stillen. Ein längerer Zeitraum scheint keinen präventiven Effekt auf allergische Erkrankungen zu haben. Vielmehr deuten die Daten darauf hin, dass die Einführung der Beikost ab dem fünften Lebensmonat mit einer geförderten Toleranzentwicklung einhergeht. Ergänzend zur Beikost kann die Mutter ihrem Kind aber weiterhin die Brust anbieten.

HA-Nahrungen Ist Stillen nicht möglich, sollen Kinder aus allergievorbelasteten Familien in den ersten vier Lebensmonaten eine Hydrolysatnahrung erhalten. Bei dieser allgemein als HA-Nahrung bekannten hypoallergenen Säuglingsnahrung sind die Kuhmilcheiweißbestandteile durch enzymatischen Abbau sowie thermische Spaltung und anschließende Ultrafiltration in kleinere Bruchstücke mit niedrigem Molekulargewicht aufgetrennt worden, die weniger allergieauslösend sind. Da HA-Nahrungen aber nicht frei von Antigenen sind, stellen sie für Kuhmilchallergiker keine geeignete Alternative dar.

Diese benötigen vielmehr hydrolysierte Spezialnahrungen mit noch kleineren Eiweißbruchstücken. Milch anderer Tierarten (z. B. Ziege, Schaf) eignen sich ebenso wie Hafer-, Reis-, Mandel- oder Frischkornmilch nicht zur Allergieprävention, da sie entweder nicht genügend Nährstoffe liefern oder selbst allergen sind. Ebenso kann Sojamilch wegen der für den Säugling kritisch zu bewertenden Phytoestrogene nicht grundsätzlich empfohlen werden.

Schrittweise Beikost Ab dem fünften Monat sollte der Säugling Beikost erhalten. Dabei sollen neue Lebensmittel nach und nach eingeführt werden, damit sich der kindliche Organismus darauf einstellen kann. Selbst potenzielle Allergieauslöser wie Kuhmilch, Ei, Weizen, Fisch und Nüsse sollten nicht fehlen, sogar bei allergiegefährdeten Kindern. Man geht heute davon aus, dass ein frühzeitiger Kontakt mit potenziellen Allergenen hilft, die Entstehung einer Allergie zu vermeiden. Vor allem wird ein frühzeitiger Fischkonsum propagiert, um die Ausbildung eines atopischen Ekzems zu verhindern.

Insgesamt sollte die Ernährung bereits im ersten Lebensjahr vielfältig sein. Eine Empfehlung, Pre- oder Probiotika in die Ernährung des Kindes zu integrieren, existiert nicht, da sich in den Studien kein allgemeiner präventiver Effekt gezeigt hat. Die Datenlage stützt hingegen die Empfehlung, Übergewicht bei Kindern bereits im frühen Kindesalter zu vermeiden, da dieses insbesondere mit einem höheren Asthmarisiko assoziiert ist (vor allem bei Jungen).

Vorsicht Luftschadstoffe Eltern sollten versuchen, ihre Kinder vor Luftschadstoffen in Innen- und Außenräumen fernzuhalten. Befahrene Straßen mit hoher Stickoxid-Exposition sind zu meiden und Luftschadstoffe in der Wohnung aus Möbeln, Wandfarben oder Reinigungsmitteln zu minimieren (z. B. Formaldehyd). Zudem ist Tabakrauch in der Umgebung des Kindes tabu, auch schon während der Schwangerschaft.

Das Allergierisiko beim Kind steigt sowohl durch Passivrauch als auch durch aktives oder passives Rauchen der werdenden Mutter, da die Bronchialschleimhaut des Kindes gereizt wird, was zu einer unspezifischen Entzündung und vermehrter IgE-Produktion führen kann. Regelmäßiges Lüften hilft hingegen, die Räume schadstoffarm zu halten. Zudem lässt sich so die Luftfeuchtigkeit senken und damit auch das Risiko für allergieauslösende Schimmelpilzsporen in Innenräumen reduzieren.

Keine Katzen, keine Kaiserschnittgeburt Bei Haustieren im Haushalt gilt es zu differenzieren. Während die Haltung eines Hundes aus allergologischer Sicht unbedenklich scheint, sollen bei Risikokindern keine Katzen angeschafft werden, da diese zu einem deutlich erhöhten Ekzemrisiko bei Kindern mit erhöhtem Allergierisiko führen. Ein erhöhtes Risiko für Asthma zeigen hingegen alle Kinder, die mit einem Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind. Dieser Umstand sollte – falls möglich – bei der Wahl des Geburtsverfahren berücksichtigt werden.

Impfungen durchführen Impfungen scheinen das Allergierisiko wiederum zu senken, sodass die Leitlinien auch Risikokindern zur Impfung nach STIKO-Empfehlung raten.

Allergie, was nun? Haben Kinder trotz aller primärer Präventionsstrategien dennoch eine Allergie entwickelt, müssen sie versuchen, entsprechende Allergieauslöser (Nahrungsmittel-, Inhalations- , Insektengift-, Arzneimittel- und Kontaktallergene) ein Leben lang zu meiden. Zudem ist eine adäquate antiallergische Therapie der Allergie von Anfang an sinnvoll. Allergiker mit einem erhöhten Anaphylaxie-Risiko (z. B. bei Insektengiftallergie) sollten außerdem immer ein Allergie-Notfall-Set mitführen, um bei einem drohenden anaphylaktischen Schock sofort reagieren zu können. Dieses beinhaltet einen Adrenalin-Autoinjektor zur Selbstapplikation sowie ein Glucocorticoid und ein Antihistaminikum zum Trinken. Bei bekanntem Asthma bronchiale ist zusätzlich eine bronchialerweiternde Substanz (z. B. Salbutamol) in Form eines Inhaliersprays im Set enthalten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2021 ab Seite 68.

Gode Chlond, Apothekerin

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