Glücklich lachendes Paar mittleren Alters sitzt auf dem Sofa.© Inside Creative House / iStock / Getty Images Plus
Seit der Krise wird das Zusammensein für viele ganz anders wertgeschätzt.

Positivität

DIE SCHÖNEN SEITEN DER PANDEMIE

Der Bundespräsident nennt es eine „Langzeitbeobachtung“: Schon zum vierten Mal spricht er mit denselben Menschen über ihre Erfahrungen in der Corona-Pandemie. Diesmal sitzen sie sogar leibhaftig zusammen. Welche Erkenntnisse gibt es?

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Der Satz ausgerechnet aus ihrem Mund verblüfft: „Für mi war die Zeit unglaublich schön“, berichtet Katrin Andres mit ihrem bayerischen Akzent am Donnerstag im Großen Saal von Schloss Bellevue.
Die Hoteliersfrau aus Freyung im Bayerischen Wald sagt dies mit Blick zurück auf den Corona-Lockdown, der sie in größte Existenznöte gestürzt hat. Das Rätsel löst sich schnell auf: Als ihr Hotel und Gasthof „Zur Post“, ein Familienbetrieb, monatelang geschlossen war, hatte die Familie endlich mal Zeit, auch ein Familienleben zu führen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an diesem Donnerstag eine Runde von Bürgern nach Berlin eingeladen, die er schon länger kennt. Bislang aber nur vom Bildschirm. Im vergangenen Dezember sprach er in der ersten „Bürgerlage“ mit den sieben Frauen und Männern über ihre Erfahrungen in der Pandemie. Im Januar und im März - also in der finstersten Corona-Zeit - schaltete er sich wieder mit ihnen zusammen.

Damals klang Andres verzweifelt. Das Hotel war schon seit Monaten geschlossen, die versprochenen staatlichen Hilfen ließen auf sich warten, ein Ende des Lockdowns war nicht in Sicht. „Die Nerven liegen eigentlich blank“, berichtete sie Steinmeier seinerzeit. „Es ist halt aussichtslos.“ Und: „Es ist im Moment so, dass unser ganzer Optimismus weg ist.“ Fünf Monate später ist die „Post“ bestens gebucht, wie Andres am Donnerstag erzählt. „Urlaub dahoam“ sei in Mode. „Wir haben das Ganze mit zwei blauen Augen überstanden.“

Auch für Steinmeiers andere Gesprächspartner hat sich der Himmel mit dem Abflauen der Pandemie aufgeklart. „Die Stimmung ist sehr viel entspannter“, berichtet die Pflegedienstleiterin Gaby Weber aus Bremen. Sogar ein Fest sei in ihrer Pflegeeinrichtung schon gefeiert worden. „Wir haben selten so eine ausgelassene Stimmung gehabt.“

Stanislaw Majewski aus Berlin, der in der Hochphase der Pandemie keinerlei berufliche Perspektive hatte, fand einen Ausbildungsplatz als Berufskraftfahrer. Und Norbert Vos aus Stadtlohn in NRW konnte im Sommer doch seine jährliche Jugendfreizeit auf die Beine stellen - wenn auch mit dramatischem Ende: Das Ahr-Hochwasser schwemmte auch seinen Platz mit Zelten und festen Gebäuden weg. Alle Jugendlichen und Betreuer brachten sich aber rechtzeitig in Sicherheit.

Bei Steinmeiers „Langzeitbeobachtung“, wie er die Veranstaltungsreihe nennt, wird auch deutlich, dass die Pandemie Spuren hinterlässt. So hat Birgit Brandtscheit aus Zerbst in Sachsen-Anhalt, die im Sommer ehrenamtlich eine Ferienfreizeit für Kinder aus weniger begüterten Familien organisiert hat, bei diesen große Veränderungen ausgemacht:

„Dieses Sich-an-Regeln-Halten ist doch erheblich geschwächt worden.“

Und Maxi Brautmeier-Ulrich, die eine Grundschule in Paderborn leitet, berichtet dem Bundespräsidenten, dass viele Kinder nach der langen Zeit zu Hause erst wieder das Schulleben lernen müssten. Man müsse ihnen „Brücken bauen, wieder in die Normalität zu kommen“, sagt sie. „Ich glaube, die Lernlücken sind nicht das Problem, sondern die Lernfreude und die Motivation.“

Dass die Krise auch manche positiven Seiten hatte, findet am Ende nicht nur die Hoteliersfrau Andres. Dass man wieder zusammen sein dürfe, werde „ganz anders gewertschätzt“ sagt Brandtscheit.

Quelle: dpa

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