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Von bestimmten (Bewegungs-) Trainingsmethoden wird immer wieder behauptet, dass sie sich auch positiv auf kognitive Fähigkeiten auswirken können.

Kolumne | Holger Schulze

PILATES FÜRS HIRN?

Oft kursieren Berichte in den Medien, dass man durch körperliche Ertüchtigung, etwa die Trainingsmethode Pilates, die Hirnfunktion stärken könnte. Ist da was dran?

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Kennen Sie das auch? Den Wunsch, sich jetzt und in Zukunft körperlich und geistig fit zu halten? Irgendwie möchte das sicherlich jeder, und daher sind entsprechende vorbeugende Maßnahmen stets gefragt. Der persönliche Einsatz, den jeder Einzelne dazu aufzubringen bereit ist, ist dabei freilich individuell sehr verschieden: So gibt es Menschen, die verschiedenste Sportkurse, Diäten und „Gehirnjoggings“ absolvieren und dabei mitunter sicherlich zu viel des Guten tun, was letztendlich auch überfordern kann, während andere am liebsten mit einer kleinen Maßnahme, vielleicht einmal pro Woche, hoffen, alles abzudecken, körperlich wie geistig. Aber geht das?

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Grundsätzlich gilt das alte Prinzip „use it or loose it“: Jede Leistung, die man erhalten oder verbessern will, muss man auch trainieren, körperlich wie geistig. Es ist also Unsinn anzunehmen, dass jemand, der Kugelstoß trainiert, auch ein besserer Tänzer wird oder jemand der Schach spielt seinen Schreibstil verbessert. Noch abwegiger erscheint die Hoffnung, man könne durch sportliche Aktivitäten das geistige Leistungsvermögen verbessern - außer vielleicht mittelbar durch eine allgemeine Verbesserung der Körperphysiologie, welche sich dann auch entsprechend positiv auf die Hirnphysiologie auswirken würde.

Pilates kann Hirnfunktionen verbessern.

Dass Sport aber Lernvorgänge im Gehirn auslösen könnte, die nichts mit der Sportart selbst zu tun haben, dürfte eher ausgeschlossen sein. Dennoch wird von bestimmten (Bewegungs-) Trainingsmethoden immer wieder behauptet, dass sie sich auch positiv auf kognitive Fähigkeiten auswirken können. Ein Beispiel hierfür ist Pilates, das aufgrund seiner zentralen Philosophie der ganzheitlichen Betrachtung von Körper und Geist vielleicht tatsächlich in der Lage sein könnte, sowohl körperliche wie geistige Fähigkeiten zu trainieren?

Tatsächlich verbessert Pilates körperliche Funktionen wie Motorik, Muskelkraft, Herz- und Lungentätigkeit. Aber auch Steigerungen kognitiver Leistungen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Konzentration sowie Reduzierung von Stress- und Angstzuständen und Verbesserung des Schlafs gelten als gesichert. In einer Studie, die die Auswirkungen von Pilates auf die Hirnaktivität untersucht hat, konnte gezeigt werden, dass sich durch das Training im EEG verstärkte Alpha-Aktivität und eine veränderte Synchronisation verschiedener Hirnareale einstellt, was als Ursache für die beschriebenen verbesserten Hirnfunktionen diskutiert wird.

Auf Grund dieser positiven Wirkungen wird Pilates schließlich auch erfolgreich bei der Therapie von Parkinson- und MS-Patienten eingesetzt. Auch wenn Pilates allgemein wohl eher als körperliche Aktivität gesehen wird, verletzt es aber dennoch nicht die oben beschriebene Regel: Da es gezielt Konzentration, Atmung und die Kontrolle des Geistes über den Körper übt, trainiert es eben auch all diese Funktionen. Sie müssen also immer noch alles trainieren, was Sie erhalten wollen, aber beim Pilates können Sie das gleichzeitig tun. Klingt plausibel, finden Sie nicht auch?

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 auf Seite 12.

Zur Person
Prof. Dr. Schulze Hirnforscher Holger.Schulze@uk-erlangen.de Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaft- liches MItglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens. www.schulze-holger.de

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