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Politik

PFLICHT ODER FREIWILLIGKEIT?

In den letzten Wochen wurde in der Presse viel über Impfpflicht für Kinder diskutiert. Und die Diskussion ist noch lange nicht beendet. Verursacht hat dies der Ausbruch von Masernerkrankungen bei ungeimpften Kindern.

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Die Masern sind eine Viruserkrankung, die meist durch Tröpfcheninfektion verbreitet wird und sich dadurch rasch ausbreitet. Leider wird es auch heute noch oft verharmlosend als Kinderkrankheit genannt, wobei auch Jugendliche und Erwachsene, die keinen Immunstatus haben, erkranken können. Der fehlende Immunstatus ist entweder durch Impfversagen oder eben durch Nicht-Impfen zu erklären. Erkrankt ein Kind oder Erwachsener an Masern, kann es zu den gefürchteten Komplikationen kommen, bei denen die Betroffenen stationär in die Klinik müssen.

60 Prozent der Masernerkrankungen verlaufen unkompliziert und heilen wieder vollständig aus, aber bei 20 bis 30 Prozent kann es zu schweren Komplikationen kommen, wie beispielsweise Pneumonien oder besonders gefährlich: einer Enzephalitis, also einer Hirnhautentzündung. Die Anzahl der Fälle, in der eine Masernerkrankung tödlich verläuft, wird je nach Quelle mit 1 : 1000 (Robert Koch-Institut) oder 3:1000 (Europäisches Zentrum für Kontrolle und Prävention von Krankheiten) benannt. Tritt eine Enzephalitis auf, so verlaufen 10 bis 20 Prozent tödlich und 20 bis 30 Prozent der Betroffenen behalten dauerhaft Schäden zurück.

Vermeidbar Diese Fälle sind so erschreckend, wären sie doch durch eine einfache Impfung zu verhindern gewesen. Es gibt sicher eine ganze Reihe von Menschen, für die in der Kindheit kein Impfstoff zur Verfügung stand und die damit natürlich auch keine Chance hatten sich zu schützen. Allerdings steigt aktuell auch die Anzahl der Impfgegner, die darauf hoffen, dass der Rest ja geimpft ist und somit ein Schutznetz besteht. Besonders tragisch ist das für Kinder, die aufgrund anderer schwerer Erkrankungen wie Leukämie oder Immunerkrankungen nicht geimpft werden dürfen und auf eine strikt durchgeimpfte Umgebung angewiesen sind.

Gut untersucht 1972 wurde die Ständige Impfkommission, kurz STIKO genannt, vom Bundesgesundheitsministerium gegründet. Sie befindet sich unter dem Dach des Robert Koch-Institutes, ihre Aufgabe ist es Impfempfehlungen auszusprechen. Diese Empfehlungen gelten als Standard und werden auch vom GBA (Gemeinsamer Bundesausschuss) als Grundlage für die Schutzimpfungsrichtlinie genommen – somit werden sie von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt. Die Empfehlungen der STIKO unterliegen einer ständigen Überprüfung, die sich nach den Regeln der evidenzbasierten Studien, den vorhandenen und gegebenenfalls neuentwickelten Impfstoffen und auch strategischen Überlegungen der Durchimpfung der Bevölkerung richtet.

Empfohlen Die STIKO empfiehlt, dass grundsätzlich alle Neugeborenen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Haemophilus influenzae (HIb), Poliomyelitis, Hepatitis B, Pneumokokken, Meningokokken C, Masern, Mumps, Röteln und Varizellen geimpft werden sollen. Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren zusätzlich gegen Humane Papillomaviren. Die Schutzimpfungen werden schon ab der sechsten Lebenswoche begonnen und je nach Impfstoff im Abstand von mindestens vier Wochen zwei- bis dreimal wiederholt, das ist der sogenannte Booster. Er ist nötig, damit der Körper eine entsprechend hohe Immunantwort aufbauen kann. Die Impfungen werden in Mehrfachimpfstoffen verabreicht, was weniger belastend für den Säugling ist.

Klargestellt Selbstverständlich kann es bei Impfungen, wie bei jedem anderen Arzneimittel auch, zu unerwünschten Wirkungen kommen. Dies fängt mit Reaktionen an der Impfstelle an: Es kann zu Schwellungen, Rötungen und Schmerzen kommen. Es passiert umso häufiger, je öfter geimpft wurde. Leider gibt es gerade im Internet sehr viele Falschaussagen zu Impfungen und den angeblichen Schäden, die diese anrichten sollen. Viele davon entbehren je- der wissenschaftlichen Grundlage. Es hindert die Verfasser jedoch nicht, sie zu verbreiten und dient natürlich dazu, besorgten Eltern, die nur das Beste für ihr Kind wollen, zu verunsichern. Ein Beispiel ist die Behauptung, dass die Masernimpfung Autismus hervorrufen kann.

Hier nimmt die STIKO auf ihrer Webseite unter „häufig gestellte Fragen zur Masernimpfung“ ganz genau Stellung: Diese Behauptung entbehrt jeder Grundlage! Auch die Presse trägt durch falsche Darstellung zu Verunsicherung bei. So titelte die Gießener Anzeiger am 08.05.2019 in einem kleinen Beitrag „Geimpfter Erwachsener an Masern gestorben“. Liest man den ganzen Artikel, so wird schnell klar, dass man zwar noch versucht hat, den Betroffenen zu impfen, als in der Familie Masern auftraten. Es konnte sich aber kein Impfschutz mehr aufbauen, da die Ansteckung schon erfolgt war. Überfliegt man nur die Überschrift, kann schnell der Eindruck entstehen, dass Impfungen sowieso nichts nutzen. Es spricht sicher viel dafür eine Impfpflicht einzuführen. Aber man darf andererseits die Sorgen und Ängste der Menschen nicht außer Acht lassen. Gute Aufklärung, auch in der Apotheke, ist jetzt wichtig. Vielleicht kann so mehr Freiwilligkeit erreicht werden. Damit die Impfmüdigkeit nicht zu einem bösen Erwachen führt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 96.

Mira Sellheim, Apothekerin und Delegierte der Landesapothekerkammer Hessen

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