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Phytotherapie

PFLANZENKRAFT FÜR MAGEN UND DARM

Probleme im Magen-Darm-Trakt gehören mit zu den häufigsten Klagen in der Apotheke. Das Spektrum der eingesetzten Phytotherapeutika ist ebenso groß wie die Symptomvielfalt.

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Die Verdauung ist eine komplexe Angelegenheit, die vielfältigen Störungen unterliegen kann. Gerät sie aus dem Takt, macht sie sich auf verschiedene Art und Weise unangenehm bemerkbar. Appetitlosigkeit, Übelkeit, Blähungen, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Krämpfe, Sodbrennen, Verstopfung oder Durchfall sind typische Symptome, die oftmals nicht isoliert, sondern auch gemeinsam auftreten können. Da die Beschwerden meist funktionell sind, sich also keine organischen Ursachen finden lassen, werden sie in der Regel symptomorientiert behandelt. Dabei hat die Phytotherapie viel zu bieten.

Es kommen Heilpflanzen aus den Gruppen Amara, Cholagoga, Spasmolytika oder Karminativa zum Einsatz, wobei bei der Einteilung nicht immer streng differenziert werden kann, da sich die Wirkprofile der Pflanzen naturgemäß überlappen. Das ist auch gerade der Vorteil der Phytotherapie. Die Pflanzenextrakte verfügen als Vielstoffgemische meist über ein breites Wirkprofil, sodass sie an unterschiedlichen Stellen im Magen-Darm-Trakt angreifen und mehrere Probleme auf einmal lindern können. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei Kombinationspräparaten. Durch eine geschickte Kombination mehrerer Pflanzenauszüge werden verschiedene Symptome gleichzeitig kausal therapiert. Teilweise sind auch synergistische Effekte bekannt.

Anis, Fenchel, Kümmel, Angelika Blähungen mit Völlegefühl und Übelkeit ist das Einsatzgebiet von Karminativa, unter denen die Früchte von Anis (Pimpinella anisum L.), Echtem Fenchel (Foeniculum vulgare L. Mill.) und Kümmel (Carum carvi L.) aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) die Klassiker sind. Sie kommen häufig auch gemeinsam zur Anwendung. Die Ätherisch-Öl-Drogen sind nicht nur wegen ihrer blähungstreibenden Wirkung, sondern auch aufgrund ihrer spasmolytischen Effekte beliebt.

Außerdem wirken sie verdauungsfördernd und appetitanregend über eine Steigerung der Magensaftsekretion sowie Durchblutung der Magen- und Darmschleimhaut. Ebenso hat der Doldenblütler Angelica archangelica L. bei krampfhaften Verdauungsstörungen, die mit Blähungen und Völlegefühl einhergehen, seine Berechtigung. Angelikawurzel ist zudem appetitanregend und gallenflussfördernd (choleretisch). Wirksamkeitsbestimmend sind vor allem ätherische Öle und Cumarine.

Pfefferminze, Melisse, Rosmarin Ebenfalls werden Ätherisch-Öl-Drogen aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) bei Blähungen, Völlegefühl oder Krämpfen vielfach genutzt. Typische Vertreter sind Pfefferminze (Mentha x piperita L.), Melisse (Melissa officinalis L.) und Rosmarin (Rosmarinus officinalis L.), deren Blätter ätherisches Öl mit spasmolytischen und karminativen Eigenschaften enthalten. Während bei Melisse die blähungstreibenden Effekte im Vordergrund stehen, wirkt Pfefferminze durch Menthol vor allem entkrampfend an der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Traktes.

Zudem erleichtert es den Abgang aufgestauter Luft durch Senkung des Tonus am unteren Schließmuskel der Speiseröhre. Darüber hinaus ist Pfefferminze – wie auch Rosmarin – choleretisch wirksam und appetitanregend. Ihre antimikrobiellen Eigenschaften macht man sich vor allem bei Magenschleimhautentzündungen zunutze. Neben ätherischem Öl enthalten alle Drogen auch Lamiaceen-​Gerbstoffe. Bei der Melisse sind noch Flavonoide und beim Rosmarin bittere Diterpenphenole an der Wirkung beteiligt.

Kamille, Süßholz Eine weitere klassische Ätherisch-​Öl-Droge bei entzündlichen Verdauungsbeschwerden, die zudem Flavonderivate und Cumarine enthält, ist die Echte Kamille (Matricaria recutita L.) aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Ihre Blüten werden vor allem aufgrund ihrer antiphlogistischen und spasmolytischen Eigenschaften geschätzt. Ebenso bestimmen die wundheilungsfördernden, ulkusprotektiven und antimikrobiellen Effekte die positiven Wirkungen bei Problemen im Magen-Darm-Trakt. Eine traditionsreiche Heilpflanze bei Verdauungsbeschwerden mit entzündungshemmenden und krampflö- senden Wirkkomponenten ist zudem Süßholz (Glycyrrhiza glabra L.) aus der Familie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae). Wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe sind Glycyrrhizinsäure, Flavonoide, Phytosterole und Cumarine.

Curcuma, Artischocke, Schöllkraut, Mariendistel Als ausgesprochene Leber- und Gallemittel (Cholagoga) werden die Extrakte des Wurzelstocks von Curcuma (Curcuma longa L. und Curcuma xanthorrhiza Roxb.) aus der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae), die Blätter der Artischocke (Cynara cardunculus L.) aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) und das Kraut des Schöllkrauts (Chelidonium majus L.) aus der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae) verwendet. Aufgrund ihrer choleretischen Eigenschaften, die über eine Steigerung des Gallenflusses und Anregung der Gallensäureproduktion die Fettverdauung optimieren, wirken die Pflanzen verdauungsfördernd.

Sie eignen sich daher bei dyspeptischen Beschwerden, die auf einer verminderten Gallensekretion beruhen. Für ihre Wirkung sind unterschiedlichste Stoffe verantwortlich (z. B. ätherisches Öl von Curcuma, Cynarin aus der Artischocke, Alkaloide des Schöllkrauts). Auch Extrakte aus den Früchten der Mariendistel (Silybum marianum L.) fördern den Gallefluss. Vor allem schützt der Korbblütler mit Silymarin, einem Wirkstoffgemisch, das sich aus verschiedenen Flavonolignanen zusammensetzt, die Leber. Der Extrakt wirkt zudem im Magen zytoprotektiv.

Enzian, Wermut, Bittere Schleifenblume Zu den Amara zählen verschiedene Bitterstoffdrogen. Vor allem kommen die Wurzeln des Gelben Enzians (Gentiana lutea L.) aus der Familie der Enziangewächse (Gentianaceae), das Kraut des Wermuts (Artemisia absinthium L.) aus der Familie der Korbblütler sowie die Frischpflanze der Bitteren Schleifenblume (Iberis amara L.) aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae) zum Einsatz. Ihre Extrakte regen mit ihren verschiedenen Bitterstoffen die Geschmacksnerven an und lösen reflektorisch eine Erhöhung der Magensaftsekretion aus. Zudem wirken sie direkt auf die Magenschleimhaut und führen zur Gastrinfreisetzung, wodurch eine Anregung der Gallen- und Bauchspeichdrüsentätigkeit sowie eine Aktivierung der Magen-Darm-Muskulatur zu verzeichnen ist.

Lein, Flohsamen Zu den Pflanzen der ersten Wahl bei Verstopfung zählen Lein (Linum usitatissimum L.) aus der Familie der Leingewächse (Linaceae) und Indischer Flohsamen (Plantago ovata FORSSK) aus der Familie der Plantaginaceae (Wegerichgewächse). Verantwortlich für ihre laxierende Wirkung sind die in der Epidermis der Samenschale lokalisierten unverdaulichen Schleimstoffe (Polysaccharide). Infolge ihres Quellungsvermögens kommt es zur einer Volumenzunahme des Dickdarminhaltes, was einen Dehnungsreiz auslöst, der die Peristaltik fördert und zur Darmentleerung führt. Neben dem laxierenden Effekt haben sie eine antidiarrhoische Wirkung, indem die Polysaccharide überschüssige Flüssigkeit im Darm aufnehmen und so den Darminhalt eindicken.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Phytotherapie und alternative Heilmethoden“ ab Seite 48.

Gode Chlond, Apothekerin

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