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50 Jahre PTA-Beruf

ODE AN DIE PTA

Flexibel, fachkundig und fleißig: Pharmazeutisch-technische Assistenten sind das Gesicht der Apotheken in Deutschland. Zahlenmäßig sind sie den Apothekern klar überlegen, dennoch kennen viele Laien den Beruf nicht. Wie schade!

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Liebe PTA, Sie lesen gerade die Jubiläums-Ausgabe zum 50. Geburtstag von DIE PTA IN DER APOTHEKE. Ein halbes Jahrhundert gibt es unsere Fachzeitschrift schon, beinahe genauso lang wie den Beruf der PTA. Er wurde 1968 geschaffen, als die Ausbildung der Apotheker neugeordnet wurde. Wer Pharmazie studieren wollte, musste bis dahin vorab für zwei Jahre in einer Apotheke in die Lehre gehen. Einige verzichteten jedoch auf das anschließende Studium und arbeiteten als Apothekerassistenten weiter. Als mit der neuen Studienordnung der Nachschub an „Vorexaminierten“ wegfiel, gingen dessen Aufgaben an Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten über. Die ersten ausgebildeten PTA starteten 1971 ins Berufsleben, also vor 50 Jahren.

Was hat sich verändert? Seither haben sich die Aufgaben der Apotheke gewandelt, für PTA sind zahlreiche neue Aufgaben hinzugekommen. Zu unserem 40. Jubiläum schrieb Chefredakteurin Sabine Breuer über die Herausforderungen an den Beruf: „Als PTA muss man nicht nur über Arzneimittel und das umfangreiche Randsortiment, mit Kosmetik, Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten und so weiter Bescheid wissen, sondern auch stets über die vielen neuen Produkte und die zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen im Bilde sein.“ Dieser Standard gilt nach wie vor – und zahlreiche weitere Ansprüche sind hinzugekommen.

Die gesetzlichen Vorschriften wandeln sich immer schneller. 2012 bekamen wir eine neue Apothekenbetriebsordnung, in den letzten Jahren die Kassenbonpflicht und SecurPharm, Cannabis-Präparate gewinnen an Bedeutung – und dann die Corona-Ausnahmen im letzten Jahr. Die Regeln zu Rabattverträgen, Preisankern und Import-Arzneimitteln könnten einen eigenen Studiengang füllen. Und welche Krankenkasse welche Hilfsmittel pauschal erstattet oder im Einzelfall genehmigt, erscheint mitunter willkürlich.

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Susanne Braun, Bassum
Sie besuchte ihre Lieblingstante schon als Kind gerne und oft in der Apotheke und schwelgt in Erinnerungen: „Der Duft der Apotheke, die Traubenzucker, die sie mir immer schenkte und natürlich der Mensch dahinter beeindruckten mich in meiner Kindheit. Ich wollte immer werden wie sie!“ Und das wurde sie. Sie arbeitete viele Jahre als PTA, bis ihr Arbeitsplatz 2020 Corona-bedingt gekündigt wurde. Zurzeit hilft Susanne Braun in einem Impfzentrum, doch da ist diese Idee, die sie immer im Hinterkopf hat: „Ich möchte in einer Apotheke mit dem Schwerpunkt auf medizinischem Cannabis arbeiten. Das ist ein großer Traum von mir.“ Schon der Geruch, aber vor allem die Wirkung dieser Pflanze faszinieren die PTA. Die richtige Mischung der Inhaltsstoffe kann dabei helfen, Krankenhausaufenthalte zu verkürzen, Schmerzen zu lindern und sogar die Konzentrationsfähigkeit zu steigern, so Braun: „Ich würde mich gerne hauptsächlich mit diesem Thema beschäftigen in den letzten Jahren meiner Tätigkeit.“ Dafür sucht die ambitionierte PTA einen Apotheker oder eine Apothekerin, der mit ihr zusammen diesen Weg gehen möchte und kann: „Ich selber bin bereit, auch in meinem höheren Alter nochmal alles zu geben, um diesen Apothekenbereich aufzubauen.“

Konkurrenz und Chancen online Die Online-Konkurrenz wächst. Da sind zum einen halbseidene Kosmetik- und Nahrungsergänzungsmittel-Shops, die teilweise unseriöse Produkte anbieten und keinesfalls mit Ihrer Beratungskompetenz mithalten können. Die Versandapotheken im europäischen Ausland genießen hingegen mit ihren günstigen Preisen einen guten Ruf. Um ihre omnipräsente Werbung kommen Kunden kaum herum und vergessen dabei, dass sie im Notdienst dort niemanden antreffen werden. Auch hinsichtlich Rezeptrabatten, Goodies und Kontrolle der Temperaturen beim Versand gelten für die Online-Riesen andere Regeln als für die Apotheken vor Ort.

Das stößt vielen PTA bitter auf. Doch das Internet hält nicht nur Konkurrenz bereit, sondern auch Chancen. Viele Apotheken bieten ihren eigenen Online-Versand an oder nutzen die Plattformen des Großhandels. Viele pflegen einen Auftritt in den sozialen Netzwerken – oft steckt hierin auch die Arbeit von PTA. Ein weiteres Aufgabenfeld in einem spannenden Beruf, der ohnehin einzigartig ist in seiner Kombination aus Kommunikation und Naturwissenschaft.

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Nicole Hackstein, Bären-Apotheke, Recklinghausen
Sie startete im Jahr 1986 mit einer Ausbildung zur PKA und meldete sich gleich anschließend für die PTA-Schule an. Eigentlich aus Trotz, denn in ihrer Lehrapotheke gefiel es ihr nicht besonders. Sie wollte zeigen, dass sie mehr kann. Und schon im Praktikum landete sie einen Volltreffer: Tolles Team, netter Chef. Der Beruf entwickelte sich dank seiner abwechslungsreichen Arbeitsbedingungen zum Traumjob. Nach einer Familienpause nahm der Beruf nochmal eine interessante Wendung: Sie folgte dem Aufruf eines Kosmetikherstellers, der eine PTA mit Pigmentflecken suchte. Sie wurde das Gesicht der Kampagne und die Flecken waren nach der Behandlung auch verschwunden.

Zahlen, Daten, Fakten Was Sie leisten, ist enorm. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) fasst dies in ihrem jährlichen Bericht „Zahlen, Daten, Fakten“ zusammen. In der Ausgabe 2020 stellte die ABDA fest, dass in Deutschland 160 000 Menschen in Apotheken arbeiten. Darunter knapp 67 000 PTA und 2100 PTA-Praktikanten, davon wiederum 96,6 Prozent Frauen. 2011 waren es nur 52 000 PTA – ein erfreulicher Trend. Die Zahl der Apotheken hingegen sinkt: Es sind 19 075 übrig, wo 2008 noch 21 602 Apotheken standen. Immer mehr Apotheken filialisieren sich auch: Während 2005 nur 1100 Apotheken Filialen hatten, waren es 2019 schon 3268.

Das bringt für PTA neue Arbeitsabläufe mit sich, die die Organisation des Filialverbunds betreffen. Es ermöglicht aber auch flexibleres Arbeiten. Die Apotheken in Deutschland versorgen jeden Tag 3,3 Millionen Kunden, das sind über eine Milliarde im Jahr. 2019 wurden rund 12 Millionen Rezepturen hergestellt. Die Apotheken-EDV kennt 103 000 verschiedene Pharmazentralnummern. Gut, dass es so viele zugelassene Arzneimittel gibt, denn zehn Prozent Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie durchschnittlich wegen der vielen Lieferengpässe auf der Suche nach Ersatz.

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Lea Brachwitz, Engel-Apotheke, Darmstadt
Sie ist nicht nur PTA, sondern auch Phyto-PTA, Kosmetikerin und sie leitet in ihrer Apotheke das Rezeptur-Team: Vier PTA stellen Rezepturen her, Lea Brachwitz organisiert die Arbeitsabläufe und die Lagerhaltung und steht ihren Kolleginnen bei Fragen und Problemen zur Seite, unterstützt von einer Apothekerin. Nach dem Motto „Keine Rezeptur wird abgelehnt.“ verbringt das Rezepturteam jeden Tag sechs bis acht Stunden im Labor. Für uns schreibt sie regelmäßig auf www.diepta.de unter „Mischen possible“ über knifflige Rezepturthemen. Lea Brachwitz fühlt sich auch als Ansprechpartnerin für ihre Kunden wohl: „Die Menschen sollen lieber mir ausführlich von ihren Problemen erzählen als dazu im Internet zu recherchieren.“

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Oliver Coordes, Nikolai Apotheke, Oldenburg
Er ist einer der wenigen Männer, die sich für den PTA-Beruf entschieden haben und mit Begeisterung in der Apotheke stehen und Kunden beraten. Es ist seine Berufung, sagt er. Und damit nicht genug: Er ist auch Fach-PTA für Dermokosmetik. „Es ist schon ein spannender Beruf und mit der Fachausbildung immer wieder interessant, wie die weibliche Kundschaft reagiert, wenn sie von einem Mann in Sachen Kosmetik beraten wird.“ Vielleicht kennen Sie Oliver Coordes bereits als einen der Botschafter für Schüßler-Salze, die wir letztes Jahr vorgestellt haben. Dann ist Ihnen vielleicht auch sein besonderes Hobby in Erinnerung geblieben: Marathon-Bügeln.

Was ist möglich? Die meisten PTA arbeiten in der Apotheke. Einige spezialisieren sich auf Dermopharmazie oder Phytotherapie, andere interessieren sich besonders für Naturheilkunde. Manche studieren Pharmazie, ohne Abitur, denn die Hochschulzulassung haben sie durch ihre Berufserfahrung erworben. Und dann gibt es noch die PTA, die ihr Glück außerhalb der Apotheke gefunden haben. Sie arbeiten in der Industrie, bei den Krankenkassen, im pharmazeutischen oder kosmetischen Außendienst oder in Klinikapotheken.

Ausbildung anpassen Die verschiedenen Einsatzgebiete für PTA und die neuen Ansprüche in den Apotheken erfordern, dass der Nachwuchs angemessen ausgebildet wird. Der Bundesverband PTA (BVpta) und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) erarbeiten deshalb seit diesem Jahr einen neuen Lehrplan, der ab 2023 gelten soll. Unter anderem sollen die kommunikativen Fähigkeiten und die Recherchekompetenz der Auszubildenden gestärkt werden. Carmen Steves, Vorsitzende des BVpta, erklärte dazu: „Der Zusammenschluss wird sicherstellen, dass in dem neuen Lehrplan gleichermaßen pharmazeutische Kompetenz wie auch in hohem Maße praxisrelevante Inhalte einfließen. Unser Beruf und auch die Apotheken werden davon sehr profitieren.“

Ein Wahnsinnsjob Auf Notlösungen, wie die Corona-Pandemie sie erforderte, wird jedoch auch eine neue Ausbildungsverordnung den Nachwuchs nicht vorbereiten. Im letzten Dezember haben Sie ohne Vorlaufzeit und nach zunächst unklaren Vorgaben Risikopatienten mit FFP2-Masken beliefert. Im Juni kamen die digitalen Impfausweise hinzu: Bereits einen Tag, nachdem Sie die QR-Codes generieren konnten, hatten die Apotheken fünf Millionen Impfnachweise ausgestellt, was die Bundesplattform zusammenbrechen ließ. PTA sind also unbezahlbar, ohne sie läuft nichts. Schön wäre es, wenn die Öffentlichkeit das auch wahrnehmen und den Apothekenmitarbeitern ebenso viel Anerkennung schenken würde wie Pflegekräften. Aber die meisten Laien kennen Ihren Beruf nicht einmal. Es gibt keine Lieder über Sie, im Fernsehen laufen keine Serien über heldenhafte PTA.

Das wäre doch mal etwas – ein Blick über die Schulter einer jungen Frau, die mit ihrer aufmerksamen Beratung den Eltern eines Neugeborenen die Sorgen nimmt. Die das Rezept einer alten Dame beliefert, eine gefährliche Wechselwirkung entdeckt und ihrer Kundin so das Leben rettet. Die stundenlang Großhandelsfilialen und Rohstoffhersteller abtelefoniert, bis sie den Ausgangsstoff für die Kapseln eines herzkranken Kleinkindes besorgen kann. Und die sich auch mal leidenschaftlich gegen widerspenstige Ärzte einsetzt, die mal wieder etwas verordnet haben, das seit Jahren außer Handel ist. So eine Serie würde ich mir gern ansehen! Aber so lange es sie nicht gibt, müssen Sie diese Geschichten schreiben.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/2021 ab Seite 78.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktion

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