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Körperbehaarung

NUTZLOSER PELZ?

Auf dem Kopf wünscht sich der Mensch eine üppige Haarpracht, am Körper hingegen wird sie oft als störend empfunden. Deshalb rücken dieser nicht nur eitle Zeitgenossen mit Rasierer, Creme & Co. zu Leibe.

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Ein Segen ist unser Kopfschmuck, denn er schützt die empfindliche Kopfhaut und das darunter liegende Gehirn vor starker Sonneneinwirkung und Kälte. Zudem prägt das Kopfhaar unser äußeres Erscheinungsbild wesentlich. Eine volle Haarpracht gilt seit jeher als Symbol für Kraft, Gesundheit, Jugend und Erotik. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass unter Haarausfall meist auch die Seele leidet.

Wichtige Schutzfunktionen erfüllen nicht nur die Haare auf dem Kopf, sondern unter anderem auch die Wimpern, die die Augen vor dem Eindringen von Fremdkörpern bewahren, sowie die feinen Nasenhärchen, die verhindern, dass Schmutzpartikel und kleine Tierchen in die Atemwege gelangen können. Wozu aber auch der Rest des Körpers mehr oder weniger stark behaart ist, leuchtet vielen Menschen nicht so recht ein.

Am ganzen Körper sprießen sie Im Gegensatz zu unseren Vorfahren, denen ihr „dicker Pelz“ als Schutz vor Kälte und anderen Umwelteinflüssen diente, hat der moderne Mensch des 21. Jahrhunderts zwar nur noch eine spärliche Körperbehaarung – vom Nacktsein ist er jedoch noch weit entfernt. Im Gegenteil: Abgesehen von Fußsohlen, Handinnenflächen, Lippen, Nägeln und Schleimhäuten sprießen auf unserer gesamten Körperoberfläche Haare. Die etwa fünf Millionen Haarfollikel werden schon beim Ungeborenen angelegt, nach der Geburt kommen keine weiteren hinzu.

Kein Haar wächst ewig Unsere Haare, die weder über Nerven noch über Blutgefäße verfügen, gehören – wie auch Finger- und Fußnägel – zu den Hautanhangsgebilden. Jedes Haar besteht aus einem Haarschaft, der aus der Haut herausragt, und einer in der Haut verankerten Haarwurzel, die in der knollenartigen Haarzwiebel endet. Haare wachsen nicht endlos, sondern haben eine begrenzte Lebensdauer.

Dabei gliedert sich das Haarwachstum in drei Phasen: die Wachstumsphase , die Übergangsphase (Katagenphase) und die Ruhephase (Telogenphase). Hat das Haar alle drei Phasen durchlaufen, fällt es aus. Beim Kopfhaar dauert die Wachstumsphase mehrere Jahre, bei einem Großteil der übrigen Haare hingegen nur einige Monate. Das erklärt, warum die Körperbehaarung (abgesehen von den Barthaaren des Mannes) auch ohne Rasur recht kurz bleibt.

Haariges
Ein Großteil der Körperoberfläche ist von Vellushaar, einem kurzen, dünnen, normalerweise unpigmentierten Flaum, überzogen. Bis zur Pubertät macht das Vellushaar – abgesehen von Kopfhaar, Augenbrauen und Wimpern – die komplette Körperbehaarung aus. Setzt in der Pubertät die Produktion von Geschlechtshormonen ein, wird durch den Einfluss von Androgenen ein Teil des Vellushaares in pigmentiertes Terminalhaar umgewandelt. Scham- und Achselhaare, Haare an den Extremitäten und das männliche Barthaar gehören unter anderem zur terminalen Behaarung. Sie variiert bezüglich Ausprägung und Pigmentierung von Mensch zu Mensch.

Trotzdem ist Körperbehaarung vielen Menschen ein Dorn im Auge. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Studie an der Universität Leipzig unter jungen Erwachsnen hat ergeben, dass mehr als 97 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer zumindest einen Teil ihrer Körperbehaarung entfernen. Grundsätzlich unterscheidet man dabei zwischen temporären Enthaarungsmethoden, bei denen die Härchen nach Tagen bis Wochen erneut sprießen, und dauerhaften Verfahren, bei denen dem unerwünschten Wuchs langfristig ein Ende bereitet wird.

Weg mit störenden Härchen Zu den temporären Methoden zählt die Rasur, die besonders schnell und schmerzfrei vonstatten geht. Deshalb greifen Frauen und Männer gleichermaßen zum praktischen Rasierer. Damit die Klinge sanft über die Haut gleitet, sollte vorher ein Rasiergel oder -schaum aufgetragen werden. Nachteil der Prozedur: Schon nach wenigen Tagen sind die störenden Härchen wieder da. Falsch ist hingegen der verbreitete Irrglauben, durchs Rasieren würden mehr Haare nachwachsen.

Eine mögliche Alternative zur Rasur ist der Griff zu Enthaarungscreme oder -schaum. Diese Präparate enthalten meist den Wirkstoff Thioglykolsäure, der das Keratin der Haare auflöst, sodass sie sich nach kurzer Einwirkzeit einfach „wegwischen“ lassen. Die Wirkung hält etwa eine Woche an. Wichtig zu wissen ist, dass Enthaarungscremes nicht großflächig (z. B. auf dem behaarten Rücken) angewandt werden sollten. Auch bei Irritationen, Entzündungen oder Sonnenbrand sind sie tabu.

Möglich ist es auch, störender Köperbehaarung mit Warm- oder Kaltwachs zu Leibe zu rücken. Dabei werden die Haare mit einem kräftigen Ruck entgegen der Wuchsrichtung aus der Wurzel gezogen, wodurch die Haut ein paar Wochen lang glatt bleibt. Nachteil: Die Methode ist schmerzhaft und für empfindliche Zeitgenossen deshalb nicht das Richtige. Gleiches gilt für die Haarentfernung mit dem Epiliergerät. Hierbei werden Härchen ebenfalls gleich an der Wurzel entfernt, mit einer rotierenden „Minipinzette“.

Wer Körperbehaarung dauerhaft loswerden möchte, kann in spezialisierten Praxen und Instituten eine Laserbehandlung durchführen lassen oder den Haaren mithilfe der Lichtblitztechnik (IPL) den Garaus machen. Beide Methoden sind effektiv, jedoch auch kostspielig.

Verlust mit Folgen Unter schwindender Haarpracht und kahlen Stellen auf dem Kopf leidet die Psyche meist besonders stark. Während sich manch ein Mann noch damit abfinden kann, dass sich das Kopfhaar zunehmend lichtet und er irgendwann zum Kreis der Glatzköpfe gehören wird, ist Haarausfall für Frauen ein riesiges Problem. Den Verlust ihres Kopfschmucks erleben sie häufig sogar als solchen ihrer Weiblichkeit.

Doch egal, ob Frauen oder Männer betroffen sind: Mit Haarausfall, medizinisch Alopezie, muss und sollte sich niemand einfach abfinden. Als Faustregel gilt: Gehen Tag für Tag über 100 Haare verloren, sollten Betroffene den Dermatologen aufsuchen, um nach den Ursachen des Übels zu forschen. Denn von der Art des Haarausfalls hängt die geeignete Therapie ab.

Übeltäter: DHT Die meisten Menschen, die von Haarausfall geplagt werden, leiden unter der hormonell-erblich bedingten Form, in der Fachsprache ist von androgenetischer Alopezie die Rede. Ursache des Leidens ist eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit der Haarwurzeln gegenüber dem körpereigenen Hormon Dihydrotestosteron (DHT), das aus dem männlichen Hormon Testosteron gebildet wird. Diese Überempfindlichkeit bewirkt, dass sich die Wachstumsphase des Kopfschmucks deutlich verkürzt und die Haarfollikel schrumpfen.

Sowohl Männer als auch Frauen können unter androgenetischer Alopezie leiden, wobei Männer wesentlich häufiger betroffen sind. Bei ihnen führt der Haarausfall oft schon in jungen Jahren zu Geheimratsecken und Stirnglatze, später dann zu Tonsur und manchmal auch zur Vollglatze. Bei betroffenen Frauen fallen die Haare meist im Scheitelbereich aus. Bei ihnen beginnt der gefürchtete Kahlschlag häufig in den Wechseljahren, wenn die Estrogenproduktion des Körpers nachlässt. Der Grund: Das weibliche Geschlechtshormon kann das Haar schützen und seine Wachstumsphase verlängern.

Behandlung mit Köpfchen Zur Behandlung der androgenetischen Alopezie gibt es eine Reihe wirksamer Arzneimittel. Verschreibungspflichtig ist der ausschließlich für Männer zugelassene 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid. Er blockiert das Enzym 5-alpha-Reduktase, das Testosteron in DHT umwandelt. Gut zu wissen: Höher dosiert ist der Wirkstoff Finasterid zur Behandlung von gutartiger Prostatavergrößerung zugelassen.

Für Frauen kommt eine systemische Behandlung mit antiandrogenen Kontrazeptiva infrage. Für die lokale Therapie hat sich der Wirkstoff Minoxidil bewährt. Er wurde ursprünglich zur Behandlung von Bluthochdruck entwickelt. Bei den damit behandelten Patienten wurde als Nebenwirkung vermehrter Haarwuchs festgestellt, was die Substanz auch für die Indikation „Haarausfall“ interessant machte.

Heute gibt es für Männer mit androgenetischer Alopezie 5-prozentige, für Frauen 2-prozentige Minoxidilhaartinkturen. Die rezeptfreien Präparate müssen regelmäßig und längerfristig auf die Kopfhaut aufgetragen werden, wobei mit ersten Behandlungserfolgen nach etwa zwölf Wochen gerechnet werden kann. Bei leichter Ausprägung des hormonell bedingten Haarausfalls ist auch eine Behandlung mit Alfatradiol-haltigen Lösungen möglich, die ebenfalls auf die Kopfhaut aufgetragen werden.

Weisen Sie im Beratungsgespräch darauf hin, dass Ausdauer für den Therapieerfolg entscheidend ist. Nur, wer das Dermatikum konsequent aufträgt, kann die androgenetische Alopezie aufhalten.

Spezialisten sind gefragt Vom hormonell-erblich bedingten Haarausfall unterscheiden sich der kreisrunde und der diffuse Haarausfall. Wie der Name bereits vermuten lässt, macht der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) durch etwa münzgroße runde bis ovale kahle Stellen auf dem Kopf auf sich aufmerksam.

Die haarlosen Areale befinden sich häufig am Hinterkopf, aber auch an den Seiten. Durchaus möglich, dass sie sich vergrößern oder dass sogar alle Haar ausfallen. Beim kreisrunden Haarausfall handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, bei der körpereigene Abwehrzellen die Haarwurzeln angreifen. Von der Krankheit können Menschen aller Altersklassen betroffen sein, häufig leiden schon Kinder darunter.

Die Behandlung gestaltet sich oft schwierig und gehört immer in die Hände erfahrener Spezialisten. Um die zu Grunde liegende Entzündung zu stoppen, können Kortikoide verordnet werden. Beim diffusen Haarausfall (Alopecia diffusa) dünnt sich das Haar insgesamt aus. Diese Form des Haarausfalls wird durch eine Störung des Wachstums in den Haarwurzeln ausgelöst. Dafür kommen ganz unterschiedliche Ursachen infrage, etwa Infektionskrankheiten, Schilddrüsenfunktionsstörungen, hormonelle Umstellungsprozesse, ernährungsbedingte Mangelzustände und Einnahme bestimmter Medikamente.

Von selbst versteht sich, dass es bei diffusem Haarausfall unverzichtbar ist, nach den Ursachen des Übels zu fahnden. Wird die zu Grunde liegende Erkrankung oder Störung therapiert, wächst oft auch der Kopfschmuck wieder. Ist der diffuse Haarausfall auf einen Mangel an bestimmten Nährstoffen zurückzuführen, kann durch eine gezielte Supplementierung gegengesteuert werden. Um das Haarwachstum zu stimulieren, können beispielsweise Präparate mit Cystin und B-Vitaminen hilfreich sein.

Störender Wildwuchs Haare sind eine Pracht – solange sie auf dem Kopf wachsen. „Dichtes Fell“ auf dem Rücken, stark behaarte Füße und Damenbart sind hingegen echte Störfaktoren. Vor allem bei Frauen ist der Leidensdruck enorm, wenn Haare an Körperstellen sprießen, an denen sie eigentlich nur bei Männern wachsen sollten. Tauchen plötzlich pigmentierte, feste Haare an der Oberlippe, an Kinn, Wangen oder auch an der Brust und am Bauch auf, sind betroffene Frauen verständlicherweise entsetzt und haben meist nur einen Wunsch: Den kosmetisch störenden und psychisch außerordentlich belastenden Wildwuchs schnell und möglichst dauerhaft loszuwerden.

»Gehen Tag für Tag über 100 Haare verloren, sollten Betroffene den Dermatologen aufsuchen.«

Verstärkte Körperbehaarung bei Frauen, die dem männlichen Behaarungsmuster entspricht, bezeichnen Mediziner als Hirsutismus. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort „hirsutus“ ab, was soviel wie „struppig“ oder „borstig“ bedeutet. Hirsutismus betrifft ausschließlich Frauen. Anders die Hypertrichose. Darunter verstehen Experten ein allgemeines überschießendes Haarwachstum an einzelnen Körperstellen (z. B. auf einem Muttermal) oder auch am ganzen Körper. Frauen und Männer können gleichermaßen darunter leiden.

Eine Hypertrichose kann unterschiedliche Ursachen haben, unter anderem genetisch bedingt sein oder durch andere Erkrankungen hervorgerufen werden. Auch die Langzeitbehandlung mit bestimmten Medikamenten (z. B. mit Kortikoiden, Minoxidil, Ciclosporin) kann eine allgemeine Überbehaarung zur Folge haben. Eine Forschung nach den Ursachen ist immer erforderlich. Sind Medikamente Auslöser der übermäßigen Behaarung, kann unter Umständen ein Umstieg auf andere Präparate Abhilfe schaffen.

Hirsutismus und Hormone Von Ersterem ist schätzungsweise jede 20. Frau betroffen, wobei das typisch männliche Behaarungsmuster in einigen Familien gehäuft vorkommt. Frauen mit dunklen Haaren leiden öfter unter Damenbart und Co. als helle Haut- und Haartypen. Sehr häufig beginnt das übermäßige Haarwachstum in der Pubertät, wobei die Behaarung sich im Laufe der Jahre erheblich verstärken kann.

Oft sind die Hormone beziehungsweise eine erhöhte „Hormonempfindlichkeit“ schuld daran, dass die Haare im Überfluss sprießen. Zur Erinnerung: Auch bei Frauen produzieren die Hormondrüsen nicht nur weibliche, sondern auch männliche Geschlechtshormone – wenn auch in geringen Mengen. Diese Androgene, zu denen auch das Testosteron gehört, werden bei Frauen in den Eierstöcken und in der Nebennierenrinde gebildet.

Bei einem Großteil der von Hirsutismus gepeinigten Frauen produziert der Körper zwar normale oder nur leicht erhöhte Mengen an Testosteron, doch reagieren die Haarfollikel vermutlich ausgesprochen stark auf das männliche Hormon. Ergebnis: Festes Terminalhaar sprießt an Körperstellen, an denen es bei Frauen wahrlich nichts zu suchen hat. Bei einigen betroffenen Frauen stellen die Hormondrüsen jedoch zu viele männlichen Geschlechtshormone her. Experten sprechen dann von endokrinem oder symptomatischem Hirsutismus.

Eine vergleichsweise häufige Ursache ist das Polyzystische Ovar-Syndrom, kurz PCOS. Dahinter verbirgt sich eine hormonelle Störung, die durch eine vermehrte Bildung von Androgenen in den Eierstöcken gekennzeichnet ist. Typisch für das PCO-Syndrom sind neben der übermäßigen Körperbehaarung auch Symptome wie Gewichtszunahme, unreine Haut (Akne) und unregelmäßiger Monatszyklus. Weitere mögliche Ursachen der übermäßigen Körperbehaarung sind Nebenwirkungen von Medikamenten und, in sehr seltenen Fällen, Tumoren der Nebennieren oder der Eierstöcke.

Die Aufzählung macht klar: Eine Forschung nach den individuellen Ursachen ist unerlässlich, um Hirsutismus erfolgreich behandeln und ernsthafte Erkrankungen, die umgehend therapiert werden müssen, ausschließen zu können.

Medikamente und Kosmetik Nach den Ursachen richtet sich die Behandlung. Beim endokrinen Hirsutismus kann eine Therapie mit Ovulationshemmern erfolgreich sein. Sinnvoll ist auch der Einsatz von Gestagenen mit antiandrogener Wirkung (z. B. Cyproteronacetat). Um den Leidensdruck betroffener Frauen zu lindern haben sich – unabhängig von der Ursache – verschiedene Verfahren zur Haarreduktion und -entfernung bewährt. Bei örtlich begrenzter Überbehaarung reicht es manchmal schon, die störenden Härchen durch Bleichen optisch zu kaschieren. Möglich ist es natürlich auch, dem unerwünschten Haarwuchs mit Rasierklinge, Enthaarungscreme, Wachs oder Epiliergerät zu Leibe zu rücken.

Nachteilig ist, dass diese Enthaarungsmaßnahmen regelmäßig wiederholt werden müssen. Das Haarwachstum hemmen können Dermatika mit dem verschreibungspflichtigen Wirkstoff Eflornithin. Entsprechende Cremes, die für Frauen mit Hirsutismus im Gesicht zugelassen sind, müssen in der Regel zwei Mal täglich auf die betroffenen Hautpartien aufgetragen werden. Um störender Körperbehaarung dauerhaft Herr zu werden, kommt eine dermatologische Behandlung mit Hochenergieblitzlampen oder Laser infrage.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 148.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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