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Welch Ein Name

NOBELS TESTAMENT

Wer sich mit der Lebensgeschichte Alfred Nobels beschäftigt, kommt nicht umhin, diesem eine gewisse Zwiespältigkeit und sogar Tragik zu bescheinigen. Er wollte Kriege verhindern – und erfand das Dynamit.

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Der Sprengstoff war übrigens nur eine von 355 patentierten Erfindungen dieses hochbegabten Mannes. Eine weitere stellte beispielsweise ein Zündungspulver namens Ballistit dar, das aufgrund seiner besseren Eigenschaften das Schwarzpulver verdrängte.

Reiche Industriellenfamilie Alfred Bernhard Nobel kommt am 21. Oktober 1833 in Stockholm zur Welt. Sein Vater ist der reiche Industrielle Immanuel Nobel, der seinen vier Söhnen eine exzellente Ausbildung angedeihen lässt. Bereits mit 17 spricht der junge Alfred fünf Sprachen fließend. Der Vater, der auch Handel mit der Rüstungsindustrie treibt, hat dem Sohn das Interesse an allem, was mit Waffen zu tun hat, vererbt. Doch Nobel ist mitnichten martialisch eingestellt: Vielmehr interessiert ihn der Sicherheitsaspekt.

Bei einer seiner Studienreisen hat er Ascanio Sobrero kennen gelernt, der gerade das Nitroglycerin entdeckt hatte. Die milchig-ölige Substanz mit der enormen Zerstörungskraft wurde von seinem Erfinder selbst für viel zu gefährlich gehalten, um damit herumzuexperimentieren. Doch Nobel, diese seltene Mischung aus genialem Wissenschaftler und geschäftstüchtigem Kaufmann, wittert den Wert der Entdeckung: Die nächsten Jahre gehören der Weiterentwicklung des Nitroglycerins.

Alfred Bernhard Nobel
…wird am 21. Oktober 1833 in Stockholm geboren. Er ist Erfinder zahlreicher Werkstoffe und Anwendungen; seine berühmteste ist wohl die des Dynamits, das eine sichere Anwendung des Sprengstoffs Nitroglycerin erlaubt. Privat bleibt der schwerreiche Unternehmer zeit seines Lebens allein; lediglich zur Friedensforscherin und Pazifistin Bertha von Suttner verbindet ihn eine platonische Beziehung, die von großer Sympathie geprägt ist. Nach Nobels Willen soll sein Vermögen in eine Stiftung übergehen, die einmal jährlich Wissenschaftler und Künstler für herausragende Leistungen auszeichnet. Zusätzlich gibt es einen Friedensnobelpreis. Nobel stirbt mit 63 Jahren 1896 in Italien.

Explosive Mischung Schon kleine Erschütterungen bringen die Flüssigkeit zum Explodieren. Man hätte die Sprengkraft beispielsweise für den Bergbau bestens gebrauchen können, doch sorgen dessen Eigenschaften immer wieder für tödliche Unfälle. Nobel ist besessen von der Nutzbarmachung der Substanz. Er wirft all sein Wissen und seine Arbeitskraft in dieses Projekt, richtet in Schweden ein Labor ein, in dem unter anderem sein jüngerer Bruder Emil daran arbeitet, das Nitroglycerin handhabbar zu machen. Lange sucht Nobel nach dem entscheidenden Schlüssel zur „Entschärfung“. Währenddessen ereignet sich ein folgenschwerer Unfall: 1864 kommt es im Forschungslabor zu einer schwere Explosion. Fünf Menschen sterben, darunter auch Emil.

Nobel ist schwer getroffen, doch spricht es für ihn, dass er sich nicht entmutigen lässt: Jetzt will er das Nitroglycerin erst recht sicher machen. Über die alles entscheidende Entdeckung gibt es verschiedene Versionen. Die eine kolportiert, dass während des Transportes der Substanz etwas von der Flüssigkeit auf die polsternde Schicht aus gemahlenem Muschelkalk tropfte. Die zu erwartende riesige Explosion bleibt diesmal aus: Stattdessen nimmt das Kieselgur das Nitroglycerin auf und bindet es. Die Arbeiter melden es dem Chef. Nobel bestreitet dies später, die Sache mit den Muschelschalen sei von ihm durch Zufall entdeckt worden.

Erfindung des Dynamits Doch ganz egal, wie’s gewesen ist, Nobel kann wenig später den ersten handhabungssicheren Sprengstoff zum Patent anmelden. Die nun gelartige Substanz kann in kleinen Röhren transportiert werden, lässt sich sogar in Form kneten und kann mittels einer Lunte aus sicherer Entfernung gezündet werden. Damit hat Nobel genau das erfunden, was dringend gebraucht wird: Diamantenminen können endlich erschlossen, Tunnels gebaut, Eisenbahnschienen verlegt werden. Mit seinem Dynamit (vom altgriechischen „dynamis“ = Kraft) wird Nobel zum schwerreichen Mann.

Warum explodiert Nitroglycerin?
Bei Raumtemperatur ist Nitroglycerin oder Glyceroltrinitrat eine farb- und geruchlose Flüssigkeit, die ganz harmlos aussieht. Sie hat einen süßlichen Geschmack und führt bereits bei Einnahme geringer Mengen zu Kopfschmerzen (auch als Nitratkopfschmerz bei der Anwendung gegen Angina pectoris bekannt). Schaut man sich die chemische Formel an, so erkennt man schnell, dass hier recht viele Sauerstoffatome enthalten sind. Sauerstoff ist sehr elektronegativ und zieht die Elektronen in den Bindungen an sich. Dadurch ist das ganze Molekül extrem instabil. Schon eine geringe Aktivierungsenergie, beispielsweise durch Fall oder Schlag, reicht aus, um die Verbindung quasi auseinanderzureißen. Dabei wird Nitroglycerin in Kohlendioxid, Wasser, Stickstoff und Stickstoffmonoxid umgewandelt – lauter gasförmige Produkte. Das führt innerhalb kürzester Zeit zu einer massiven Volumenausdehnung – Rumms!

Freundschaft mit Friedensforscherin 1876 sucht der schwedische Unternehmer mittels Zeitungsanzeige eine Privatsekretärin. Es meldet sich Bertha von Suttner (damals noch Gräfin von Kinsky), die später als Friedensforscherin bekannt wird. Sie bleibt zwar nur eine Woche, doch verändert sie sein Leben: Bis an sein Lebensende werden sie sich tief empfundene Briefe schreiben. Sie beeinflusst sein Denken und seine ethische Haltung, ist unter anderem für die Ausprägung seines starken Pazifismus‘ mit verantwortlich. Denn Nobel hat vielleicht gerade wegen seiner geschäftlichen Erfolge ein schlechtes Gewissen. Schließlich kann man mit dem Dynamit und dem rauchschwachen Pulver Ballistit nicht nur nicht Felsmassive für neue Straßen sprengen und Tontauben schießen, sondern auch Menschen töten.

Nobels Gewissensbisse werden nicht besser, als eine französische Zeitung ihn in einem (versehentlichen) Nachruf „Kaufmann des Todes“ nennt. Von nun an wird sein Nachdenken über die Frage, was die Menschen nach seinem Ableben von ihm halten werden, beinahe zur Besessenheit. Da Nobel zeit seines Lebens unverheiratet bleibt und keine Kinder hat, setzt er ein folgenschweres Testament auf. Er – einer der reichsten Menschen seiner Zeit – möchte 94 Prozent seines Vermögens einer neu zu gründenden Stiftung zuführen. Sein Vermögen beläuft sich schätzungsweise auf 31,2 Millionen Kronen, und die Zinsen aus dem neuen Fonds sollen an diejenigen verteilt werden, „die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben“, und zwar auf den Gebieten der Physik, der Chemie, der Medizin und der Literatur. Einen Sonderfall bildet der Punkt „Frieden“: Hier soll der Nobelpreis alljährlich an den Menschen gehen, „der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“. Die Nation des Geehrten solle keine Rolle spielen: „Der Würdigste soll den Preis erhalten.“

Stiftung entsteht Als der Unternehmer 1896 63jährig stirbt und das Testament veröffentlicht wird, ist seine Verwandtschaft empört. In einem jahrelangen Rechtsstreit versucht sie, die Stiftung zu verhindern. Doch schließlich obsiegt Nobels letzter Wille – die erste Verleihung findet 1901 fünf Jahre nach seinem Tod in Stockholm statt. Bertha von Suttner erhält den 1905 den Friedensnobelpreis. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/17 ab Seite 66.

Alexandra Regner PTA/Redaktion

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