Tabakblätter © USO / iStock / Thinkstock
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Rezeptoren

NICOTIN-REZEPTOREN

Nicotin ist keine körpereigene Substanz und doch werden Rezeptoren nach ihr benannt. Wo man sie im Körper findet, welche physiologische Aufgabe sie haben und wie man das therapeutisch nutzen kann, erfahren Sie hier.

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Rezeptoren, die als physiologischen Neurotransmitter Acetylcholin besitzen, werden als cholinerg bezeichnet. An ihnen wirkt Acetylcholin als Agonist, besitzt somit Affinität zum Rezeptor und übt dort seine intrinsische Aktivität aus. Sie sind über das zentrale wie auch das periphere Nervensystem verteilt und finden sich sowohl in den vegetativen Ganglien von Sympathikus und Parasympathikus als auch an der motorischen Endplatte des somatischen Nervensystems, wo die Erregung einer Nervenzelle auf eine Muskelzelle der Skelettmuskulatur übertragen wird. Diese cholinergen Rezeptoren können durch In-vitro-Versuche mittels zweier Substanzen, Nicotin und Muscarin, unterschieden werden.

Die eine Rezeptorgruppe spricht neben Acetylcholin auch auf Muscarin (Gift des Fliegenpilzes), aber nicht auf Nicotin an und wird deshalb als muscarinerger Acetylcholin-Rezeptor bezeichnet. Die andere Gruppe wiederum wird durch Nicotin (Gift der Tabakpflanze) innerviert, zeigt aber keine Reaktion auf Muscarin und trägt daher den Namen nicotinerger Acetylcholin-Rezeptor. Auch die Verteilung der Rezeptortypen im Körper ist verschieden. So finden sich in den Ganglien beide wieder. An der motorischen Endplatte befinden sich ausschließlich nicotinerge Acetylcholin-Rezeptoren, wohingegen an den Erfolgsorganen des Parasympathikus nur muscarinerge Acetylcholin-Rezeptoren vorhanden sind.

Bei Pflanzen und Tieren? Nicotin ist ein Alkaloid der Tabakpflanze. Der Stoff wird in den Pflanzenwurzeln gebildet und wandert nach Heranreifung in die Blätter. Dort dient er der Pflanze zum Schutz vor Fressfeinden. Die Wirkungsweise bei Tieren und Insekten ist ähnlich wie beim Menschen, wenn sie über ein Nervensystem mit Nicotin-Rezeptoren verfügen, wo deren Blockade an der motorischen Endplatte zur Muskelerschlaffung führt. Synthetische Abkömmlinge, die Neonicotinoide, können nicht von der Cholinesterase abgebaut werden und finden ihren Einsatz in Insektiziden. Sie wirken als Kontakt- oder Fraßgift. Es wird ein Zusammenhang zwischen deren weitverbreitetem Einsatz in der Landwirtschaft und dem massiven Bienensterben diskutiert.

Physiologie Die Skelettmuskulatur gehört zu der Gruppe der quergestreiften Muskeln. Bewegungen unseres Skeletts kommen durch Kontraktionen dieser Muskeln zustande, da sie mit Sehnen an den Knochen befestigt sind. Die Muskeln bestehen aus Muskelfaserbündeln, die sich aus einzelnen Muskelfasern zusammensetzen. Die Myofibrillen sind die kontraktilen Teile der Muskeln und enthalten Myosin- und Aktin-Filamente. Die Skelettmuskulatur wird vom somatischen Nervensystem innerviert, dem Teil des Nervensystems, das vom Willen beeinflussbar ist, also willkürlich handelt. Es wird auch als animalisches Nervensystem bezeichnet. Bei der neuro-muskulären Erregungsübertragung werden Nervenimpulse vom Nerv auf den Muskel übertragen.

Dies erfolgt an der motorischen Endplatte, der Verbindung zwischen motorischer Nervenbahn und quergestreiften Muskeln. Über den präsynaptischen neuronalen Teil lösen Aktionspotentiale die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin aus den Vesikeln aus. Dieser Vorgang findet unter Mitwirkung von Ca2+-Ionen statt. Acetylcholin diffundiert durch den synaptischen Spalt zur postsynaptischen Membran und tritt dann mit dem Nicotin-Rezeptor in Wechselwirkung. Es kommt zum Aufbau eines Endplattenpotenzials, einer Sonderform eines Aktionspotenzials, wodurch nun die Freisetzung weiterer Ca2+-​Ionen aus dem Sarkoplasmatischen Retikulum erfolgt. Daraufhin werden die Myosin-und Aktin-Filamente teleskopartig gegeneinander verschoben und der Muskel verkürzt sich. Der Abbau von Acetylcholin, das sich noch im synaptischen Spalt befindet, erfolgt innerhalb weniger Millisekunden durch das Enzym Cholinesterase mittels Hydrolyse.

Pharmakologische Beeinflussung Muskelrelaxanzien (MR) sind Arzneimittel, die zur Erschlaffung oder Entspannung der Skelettmuskulatur führen. Durch periphere Muskelrelaxanzien kommt es zur Beeinflussung des Nicotin-Rezeptors, wobei die Erregungsübertragung von Nerv zu Muskel gehemmt wird. Sie werden während einer Operation unter Narkose, bei einer Intubation oder während einer künstlichen Beatmung eingesetzt. Sie gehören auch zu den Antidoten bei Vergiftungen mit Strychnin und dienen als mögliche Begleittherapie bei der Behandlung von Infektionserkrankungen, die mit starken Krämpfen der Skelettmuskulatur einhergehen, wie Tetanus oder Tollwut.

Wirkstoffe, wie Pancuroniumbromid, Vecuroniumbromid und Rocuroniumbromid gehören zu den stabilisierenden Muskelrelaxantien. Es sind kompetitive Antagonisten am Nicotin-Rezeptor, das heißt sie haben eine Affinität, besitzen aber keine intrinsische Aktivität. Sie werden auch als nicht-depolarisierende MR bezeichnet. Durch sie wird der Nicotin-Rezeptoren der motorischen Endplatte antagonistisch blockiert und kann durch Acetylcholin nicht mehr erregt werden. Es kommt zu einer Muskelerschlaffung.

Da sich ursprünglich Wirkstoffe dieser Gruppe vom Tubocurarin, einem südamerikanischen Pfeilgift ableiten, werden sie auch als Muskelrelaxantien vom Curare - Typ bezeichnet. Abgesehen von diesen Arzneistoffen greifen auch zahlreiche pflanzliche Alkaloide an dieser Stelle an. Neben dem bereits erwähnten Nicotin des Tabaks sind dies zum Beispiel Cytisin (Gift des Goldregens) und tierische Sekrete, wie das Kobra-Schlangengift oder Coniin, das Gift des Schierlings. Depolarisierende Muskelrelaxantien wirken wie Acetylcholin als Agonisten am Nicotin-Rezeptor, sie werden nur im Vergleich zum physiologischen Antagonisten sehr viel langsamer abgebaut.

Es kommt einmalig zur Kontraktion, aber die sofortige Repolarisation wird verhindert, sodass es zur Dauerdepolarisation und Muskelerschlaffung kommt. Suxamethoniumchlorid, als zurzeit einziger Arzneistoff der Gruppe, wird synthetisch hergestellt, und kann als eine quartäre Ammoniumverbindung die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Zusätzlich kann die Substanz als Antidot bei Vergiftungen mit Cholinesterase-Hemmern wie Physostigmin, Neostigmin oder E 605 eingesetzt werden.

Eine weitere medizinische Bedeutung haben Nicotin-Rezeptoren bei der neurologischen Erkrankung „Myasthenia gravis“, die bei Menschen und Tieren, vor allem bei Hunden auftreten kann. Sie gehört zu den Autoimmunerkrankungen, wobei der Körper Autoantikörper gegen den nicotinergen Acetylcholin-Rezeptor vom muskulären Typ bildet. Typisches Symptom ist hier die asymmetrische Muskelschwäche. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/18 ab Seite 72.

Bärbel Meißner, Apothekerin

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