© Giordano Aita - Fotolia.com

Herzrasen

NICHT IM TAKT

Herzklopfen bekommen wir kurzzeitig bei Aufregung oder Anstrengung. Schlägt ein Herz aber längerfristig ohne ersichtlichen Grund schneller, liegt eine Tachykardie vor.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Unser Herz schlägt von selbst, ohne dass wir das kontrollieren können. Gesteuert wird der Herzschlag mittels elektrischer Impulse, die über Erregungsbahnen durch das Herz geleitet werden. Diese „Stromstöße“ veranlassen das Herz zu schlagen und damit Blut durch den Körper zu pumpen. Oberster Taktgeber ist der Sinusknoten, eine Gruppe von Herzmuskelzellen am oberen Rand des rechten Herzvorhofs, die pro Minute etwa 60 bis 80 Impulse generieren.

Diese Signale werden zum Atrioventrikularknoten geleitet, der sich in der Wand zwischen rechtem und linkem Vorhof am direkten Übergang zu den Herzkammern befindet. Da die bindegewebsartige Struktur der Vorhöfe wie eine Isolierung wirkt, stellt er die einzige elektrische Verbindung zwischen Vorhöfen und Herzkammern dar. Gleichzeitig verzögert er jedoch die Erregungsübertragung auf die Kammern, sodass die Kontraktion der Vorhöfe und der Herzkammern immer genau aufeinander abgestimmt ist. Fällt der Sinusknoten aus, kann der AV-Knoten dessen Funktion als Taktgeber übernehmen, wobei er jedoch mit nur 40 bis 50 Impulsen pro Minute viel langsamer arbeitet.

Erst die exakte Koordination des Zusammenspiels der Vorhöfe und Herzkammern durch das Erregungsleitungssystem sorgt dafür, dass unser Herz das Blut effektiv durch den Körper pumpen kann. Dabei muss es gleichzeitig so gesteuert werden, dass seine Leistungskraft bei körperlicher Anstrengung, Stress oder Aufregung ansteigt. Dann arbeitet das ganze System schneller, sodass uns das Herz auch mal für einen Augenblick „bis zum Hals schlägt“.

Herz außer Takt Anders ist dies, wenn das Herz ohne ersichtlichen Grund längere Zeit oder immer wieder zu schnell schlägt. Dann liegt eine Störung der Erregungsbildung oder -leitung vor, die sich in einer erhöhten Herzfrequenz äußert, was man als Tachykardie (Schnellherzigkeit) bezeichnet.

Während ein Ruhepuls von 130 bei Säuglingen beziehungsweise von 100 bei Kindern im Normbereich liegt, hat ein gesunder Erwachsener einen Ruhepuls von etwa 70 Schlägen pro Minute. Eine Tachykardie bei Erwachsenen liegt dann vor, wenn der Ruhepuls beständig mehr als 100 beträgt. Liegt er über 120 Schlägen, gilt die Tachykardie als gefährlich, während bei mehr als 150 Schlägen sofort eine intensivmedizinische Betreuung erfolgen muss.

Manche Tachykardien können über längere Zeit unbemerkt bleiben. Häufig werden sie erst diagnostiziert, wenn Betroffene wegen Schwindel, Übelkeit, übermäßigem Schwitzen und plötzlichem Harndrang zum Arzt gehen. Andere Tachykardien bemerken die Betroffenen hingegen sofort: Herzrasen oder Synkopen sind deutlich zu fühlen, es kommt womöglich auch zu Luftnot oder Engegefühlen in der Brust.

Warum das Herz rast Tachykardien gehen meist auf Schäden am Herz zurück, die entweder angeboren oder erworben sind. So können die Leitungsbahnen degeneriert oder entzündlich verändert sein oder es liegen Durchblutungsstörungen des Herzens vor. Verletzungen, wie Vernarbungen nach einem früheren Herzinfarkt, können die korrekte und synchrone Impulsweiterleitung ebenfalls stören.

Auch Bluthochdruck oder eine Schilddrüsenüberfunktion sowie Medikamente wie Antidepressiva, Asthmamittel, Katecholamine und Digitalispräparate können Tachykardien auslösen. Übermäßiger Genuss von Nikotin oder Koffein, Stress und Aufregung führen ebenfalls zu Herzrasen und können bestehende Tachykardien noch verstärken.

Supraventrikuläre Tachykardien kommen wesentlich häufiger vor als Kammertachykardien. Ihre bekanntesten Formen sind das Vorhofflimmern und das Vorhofflattern. Dabei ist die Zahl der Impulse in den Vorhöfen auf bis zu 340 pro Minute erhöht. Da der AV-Knoten elektronische Impulse nur im Verhältnis 2 : 1 an die Kammern weitergibt, kann es so zu einer erhöhten Herzfrequenz von bis zu 170 Schlägen kommen – nicht unmittelbar lebensbedrohlich, wenn es nur kurzzeitig anhält und der Betroffene kreislaufstabil ist.

Verschiedene Formen
Man unterscheidet hauptsächlich zwei Formen von Tachykardien: solche, die sich in den Vorhöfen, und solche, die sich innerhalb der Herzkammern abspielen. Erstere fasst man unter dem Begriff supraventrikuläre Tachykardie (SVT), letztere unter dem Begriff ventrikuläre Tachykardie (VT oder Kammertachykardie) zusammen. Die Kammertachykardie stellt dabei die weitaus gefährlichere Form dar, da sie oft die Ursache für einen plötzlichen Herztod ist. Ob es sich um eine supraventrikuläre oder eine ventrikuläre Tachykardie handelt, lässt sich am EKG ablesen, wobei die Diagnose meist durch Belastungs- und Langzeit-EKGs sowie bildgebende Verfahren des Herzens gestützt wird.

Tritt eine SVT immer wieder auf oder hält sie länger an, sollte sie behandelt werden, denn jedes Ereignis erhöht das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Behandelt wird zuerst mit Betablockern, die eine Senkung der Herzfrequenz ermöglichen. Danach kann man mit Hilfe eines Stromstoßes oder Antiarrhythmika versuchen, den normalen Herzrhythmus wieder herzustellen. Ist die Ursache ein übererregbares Areal, bietet sich die zudem die Kathetherablation an, bei der ein Herzkatheter an die betreffende Stelle geschoben wird. Diese wird dann mit Hochfrequenzstrom dauerhaft stillgelegt.

Ventrikuläre Tachykardie Unmittelbar lebensbedrohlich kann die ventrikuläre Tachykardie sein. Dabei finden die Rhythmusstörungen direkt in den Herzkammern statt, ohne dass der AV-Knoten korrigierend eingreifen kann. In der Folge kann es unter anderem zu einer „kreisenden Erregung“ kommen, bei der sich die Kammerzellen gegenseitig ständig stimulieren, ohne dass es eine Ruhephase gibt.

Dieser Zustand kann schnell zum lebensbedrohlichen Kammerflimmern führen, bei dem die Herzkammern nur noch unkontrolliert zucken und daher kein Blut mehr in den Körper pumpen können. Unbehandelt führt Kammerflimmern in kurzer Zeit zum Tod. Einziger Ausweg ist der sofortige Einsatz eines Defibrillators. Diese Geräte erzeugen einen starken elektrischen Impuls, der alle Herzmuskelzellen gleichzeitig erregt und die kreisende Erregung unterbricht. Ist dies geschehen, übernimmt der Sinusknoten wieder die normale Reizleitung.

Kann man das geschädigte Areal lokalisieren, lässt sich wie bei der SVT eine Kathetherablation durchführen. Ist dies nicht möglich, kann ein Kardioverterdefibrillator eingesetzt werden. Er ist so programmiert, dass er ständig die Herzfrequenz überprüft und bei lebensbedrohlichen Situationen sofort selbsttätig eine Defibrillation auslöst.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 ab Seite 94.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×