Schwarz-Weiß-Ansicht einer Frau in einer alten Telefonvermittlung© FPG / Retrofile RF
Das Gehirn fungiert wie eine Schaltzentrale.

Neurologie

HYPOTHALAMUS SCHLÄGT ALARM, WENN WIR KRANK SIND

Müde, schlapp, ohne Appetit: Wenn wir krank sind, haben wir typische Symptome und Verhaltensweisen. Doch wie funktioniert das eigentlich – wie erfährt unser Gehirn von der Infektion des Körpers?

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Alles hat so seinen Sinn. Wenn wir kränkeln, fährt der Körper besser runter, denn sonst verbraucht er zu viel Energie, die ja dringend für die Heilung benötigt wird. Wir bekommen also Fieber, verlieren den Appetit und fühlen uns müde. Gesteuert von der Schaltzentrale Gehirn, sichern diese Verhaltensweisen unser Überleben.

Doch auf welche Weise kommuniziert es? Ein Team um Jessica Osterhout von der Harvard University in Cambridge hat an Mäusen untersucht, wie genau die Krankheitsreaktion im Gehirn initiiert wird und wie es überhaupt mit dem Immunsystem interagiert. Dazu injizierte es den Versuchstieren entzündungsfördernde Substanzen, die eine bakterielle oder virale Infektion imitierten. Die Tiere entwickelten logischerweise Fieber, Appetitlosigkeit und weitere Krankheitszeichen. Dann untersuchten die Forscher mit Fluoreszenzmarkierungen und optogenetischen Analysen, welche Bereiche im Mäusehirn darauf reagierten.

Bestimmte Reaktionen werden automatisch ausgelöst

Das Ergebnis: Das ventral-mediale präoptische Aral – kurz VMPO -, eine Region des Hypothalamus, die unmittelbar neben der Blut-Hirn-Schranke liegt, wurde durch die Infektion stark aktiviert: „Was passiert, ist, dass die Zellen der Blut-Hirn-Schranke, die in Kontakt mit dem Blut und dem peripheren Immunsystem stehen, aktiviert werden. Diese nicht-neuronalen Zellen sondern daraufhin Botenstoffe ab, die wiederum die Population von Neuronen aktivieren, die wir gefunden haben“, erklärt Teamkollegin Catherine Dulac. Ein Bereich des Hypothalamus, der neben dem Trenner zwischen Blutkreislauf und Gehirn liegt, kommuniziert also direkt mit dem Immunsystem und braucht dazu auch keine Neuronen. Alles passiert sozusagen vollautomatisch in einer Art Kaskade.

Im Folgeversuch triggerte das Team das Mäusegehirn, ohne dass überhaupt eine Infektion vorlag. Sie stimulierten die entsprechende Hirnregion dazu künstlich. Und siehe da: Auch das funktionierte. Die Körpertemperatur der Mäuse stieg, sie fraßen weniger und hielten sich bevorzugt an einem auf 30 Grad Celsius beheizten Bereich ihres Käfigs auf. Darüber hinaus aktivierten die entsprechenden Neuronen nicht weniger als zwölf Hirnareale - unter anderem die für Schmerzempfinden, Durst oder soziale Interaktionen: „Was darauf hindeutet, dass auch andere Krankheitsverhaltensweisen durch die Aktivität dieser Neuronen beeinflusst werden könnten“, formulierten es die Forschenden vorsichtig.

Hilfe für Chemo-Patienten?

Die Reaktionen auf Krankheiten haben sich evolutionär zu unserem Vorteil entwickelt. Doch allzu viel davon kann schädlich sein: Fieber beispielsweise kann helfen, Krankheitserreger zu bekämpfen – wird es jedoch zu hoch, kann es den Körper schädigen und sogar unser Leben bedrohen. Ähnliches gilt für ein verringertes Hunger- und Durstgefühl. Die Forschenden hoffen nun, mit einem genaueren Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen, bestimmte Prozesse gezielt umkehren zu können: „Wenn wir wissen, wie das funktioniert, können wir vielleicht Patienten helfen, die Schwierigkeiten mit dieser Art von Symptomen haben, zum Beispiel Krebspatienten während einer Chemotherapie“, so Osterhout.

Quelle: wissenschaft.de

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