Auge mit dunklem Hintergrund© Arndt_Vladimir / iStock / Getty Images Plus
Bei Menschen, die sich in einem MRT für eine Untersuchung befinden, driftet die räumliche Aufmerksamkeit zur rechten Seite ab. Zudem ist das Orientierungsgefühl des eigenen Körpers im Raum beeinträchtigt.

Neurologie

ENTDECKTE NEBENWIRKUNG IM MRT KÖNNTE HIRNFORSCHUNG NUTZEN

Ähnlich den Erfahrungen eines Schlaganfallpatienten, beobachteten Hirnforscher Wahrnehmungsverzerrungen bei Probanden während der Magnetresonanztomografie – kurz: MRT. Nicht besorgniserregend, sogar nützlich befanden die Forscher ihre Entdeckung. 

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Viele Menschen fühlen sich in der „Röhre“ unwohl. Doch um Hirnschäden zu erkennen, ist eine Aufnahme im MRT oft zwingend notwendig. Denn nur so werden bestimmte Regionen des Körpers sichtbar. Dabei nutzt man das unterschiedliche Verhalten der Körpersubstanzen – konkreter deren unterschiedliches Schwingungsverhalten – auf ein externes Magnetfeld. Was sich strapaziös anhört, ist in Wirklichkeit ziemlich harmlos. „Untersuchungen im Magnetfeld sind harmlos und schaden nicht der Gesundheit“, sagt auch Axel Lindner von der Universität Tübingen. 

Dennoch treten unerwünschte Wirkungen auch im MRT auf. „Manche Personen bemerken die Auswirkung des Magnetfeldes, indem ihnen im Scanner leicht schwindelig wird“, sagt Lindner. Ein weiteres Missempfinden wird durch die Wechselwirkung zwischen Magnetfeld und Ionenströme der Endolymphflüssigkeit im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs herbeigeführt: bei Dunkelheit während eines MRT-Scans kann es zu Augenzittern kommen. Dieser Auflistung können die Forscher nun ein weiteres Phänomen zuordnen.
 

Räumliche Wahrnehmung gestört

Da von einer Beeinträchtigung des Gleichgewichtorgans bereits bekannt ist, dass sie zu räumlichen Wahrnehmungsstörungen führen kann, stellten sich Lindner und sein Team die Frage, ob dies auch im MRT der Fall sei. 17 gesunde Freiwillige begaben sich ins MRT und bei allen stellte das Team eine Veränderung fest: Die räumliche Aufmerksamkeit driftete zur rechten Seite ab. Auch das Orientierungsgefühl des eigenen Körpers im Raum wurde beeinträchtigt. „Die Hirntätigkeit ist unter dem Magnetfeld auf jeden Fall verändert“, resümiert Lindner. Co-Autor Hans-Otto Karnath von der University of South Carolina in Columbia ergänzt dazu: „Die Beobachtungen erinnerten uns stark an Wahrnehmungsstörungen, wie sie nach Schlaganfällen auftreten können: Patienten mit sogenanntem räumlichem Neglect vernachlässigen Reize auf einer Seite des Raums. Sie lesen zum Beispiel nur die rechte Hälfte einer Zeitung oder laufen gegen die linke Seite des Türrahmens, weil sie ihn dort übersehen“.
 

Die medizinische Forschung könnte von der Beobachtung profitieren

Besonders die Felder der Hirnforschung könnten von der Beobachtung profitieren, die untersuchen, wie das Nervensystem Reize wahrnimmt und verarbeitet. „Der neue Befund, dass das Magnetfeld Einfluss auf die Wahrnehmung hat, ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Ergebnis“, erklärt Lindner. Daher befürworten die Forscher die Berücksichtigung des Effektes in künftigen Studien. 
Ein weiterer Ansatzpunkt wäre das bessere Verständnis bei Schlaganfällen. Denn dieses Phänomen ähnelt dem als „Neglect“ beschriebenen Zustand räumlicher Aufmerksamkeitsstörung durch einen Hirnschaden. Vielleicht könnten so auch neue Therapiemöglichkeiten entdeckt werden – das Team möchte daher weiterforschen und in folgenden Experimenten die Auswirkungen von längeren oder mehrfachen MRT-Sitzungen auf die Aufmerksamkeit beobachten und Ansätze entwickeln, diese Symptome abzuschwächen.

Quelle: www.wissenschaft.de
 

×