Verschiedenes regionales Gemüse mit optischen Mängeln wie trockener Schale oder ungewöhnlichen Formen© jchizhe / iStock / Getty Images Plus
Gemüse von zwar guter Qualität aber mit optischem Makel wird oft nicht gekauft - Foodsharing bewahrt es davor, im Müll zu landen.

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FOODSHARING RETTET LEBENSMITTEL

Brot und Gemüse sollen nicht im Müll landen. Dafür setzen sich Foodsharing-Gruppen ein. Allein in Rheinland-Pfalz gibt es die Initiative an 32 Orten. Da findet selbst eine hoffnungslose Artischocke noch ihre Verwendung.

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In der Mittagshitze kann man den Salatköpfen auf dem Wochenmarkt beim Welken zusehen. Höchste Zeit für die Mainzer Gruppe der Initiative Foodsharing, die Lebensmittel zu retten. Sie sind bei den Marktbeschickern bekannt, wenn sie an etwa 20 Ständen fragen: „Gibt es etwas für uns?“ Christine Kaiser reicht Carina und Paul eine Kiste mit Limetten, Kiwis und Orangen.

„Es soll Bio sein, aber auch makellos», sagt die Gau-Algesheimerin über die Ansprüche bei vielen ihrer Kundinnen und Kunden. Sobald ein Obst einen Fleck habe, werde es schwierig mit dem Verkauf. Die Abnehmer von Foodsharing seien daher willkommen: „Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich helfen kann und wenn die Sachen nicht auf dem Müll landen.“

Lebensmittel wertschätzen

Hauptziel der Initiative sei es, Lebensmittel zu retten und ihre Wertschätzung zu fördern, sagt Dorothee Stauche als Foodsharing-Botschafterin in einem der fünf Mainzer Bezirke. „Wenn wir Supermärkte oder Betriebe wie eine Bäckerei ansprechen, dann fragen wir zuerst, ob sie auch für die Tafel gelistet sind.“ Es gelte das Prinzip, dass Organisationen für Bedürftige nichts weggenommen werde. „Wir holen dann nur das, was die Tafel nicht mitnimmt.“

„Wenn wir Supermärkte oder Betriebe wie eine Bäckerei ansprechen, dann fragen wir zuerst, ob sie auch für die Tafel gelistet sind. Wir holen dann nur das, was die Tafel nicht mitnimmt.“

In Rheinland-Pfalz listet das Foodsharing-Netz 32 Orte mit lokalen Gruppen auf. Alle organisieren sich selbst, meist über digitale Kanäle, in denen das Abholen und Verteilen auch kurzfristig besprochen werden kann. Foodsharing in Mainz funktioniere genauso wie in Bern oder Warschau, erklärt Stauche. Alles sei mit den Behörden abgestimmt, etwa die Einhaltung von Hygienebestimmungen beim Umgang mit Lebensmitteln.

Manchmal entwickeln sich aus der Foodsharing-Idee auch weiterreichende Projekte. Die Mainzer planen für den Herbst eine Crowdfunding-Initiative für ein Foodsharing-Café, in dem neben einem Angebot von kostenfreien, geretteten Lebensmitteln auch ein Bildungs- und Kulturprogramm auf die Beine gestellt werden soll.

Eine Tonne Lebensmittel täglich gerettet – allein in Mainz

Foodsharing arbeite in Mainz mit 110 Supermärkten, Betrieben oder Restaurants zusammen, sagt die 31-Jährige. „Jeden Tag sammeln wir eine Tonne Lebensmittel ein.“ Seit Februar ist die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt offizielle Unterstützerin von Foodsharing. Mainz wolle so einen aktiven Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung leisten, heißt es in der gemeinsamen Resolution. Zu den konkreten Maßnahmen gehören etwa Gespräche mit der Marktverwaltung, um die Wochen- und Stadtteilmärkte einzubinden.

Auf dem Wochenmarkt im Schatten des Doms sind Carina und Paul inzwischen an einem Stand, wo ihnen gesagt wurde: „Alles, was in Kisten auf dem Boden liegt, kann mitgenommen werden.“ Paul untersucht, welche Weintrauben noch nicht am Faulen sind und reicht sie Carina zum Einpacken weiter. Kimberley erbarmt sich inzwischen des Salats. Sie entfernt die äußeren Blätter, innen ist der Kopfsalat noch richtig knackig. Auch Rhabarber und Blumenkohl kann sie hier mitnehmen.

Foodsharing als Teil eines Kreislaufs

Bio-Bäuerin Elke Korte aus Diez an der Lahn sieht Foodsharing als Teil der von ihr angestrebten Kreislaufwirtschaft. „Was Foodsharing nicht mitnimmt, bringen wir den Hühnern auf dem Hof oder werfen es auf den Kompost.“ Am wichtigsten sei, dass die Reste irgendwie verwertet werden könnten. Wenn die vielzitierte Ernährungswende aber gelingen solle, müssten Lebensmittel auch gekauft werden. Der Ansatz von Foodsharing allein sei da nicht weitreichend genug und eher unverbindlich, sagt die Landwirtin, während sie den Marktstand abbaut. „Daher würde ich mir wünschen, dass sich auch mal welche bei der Feldarbeit bei uns engagieren.“

„Was Foodsharing nicht mitnimmt, bringen wir den Hühnern auf dem Hof oder werfen es auf den Kompost.“

Schließlich versammelt sich die Gruppe an der Ostapsis des Doms zur Verteilung. Alle haben eine Hausgemeinschaft, eine Stadtteilgruppe oder Wohngemeinschaften, in denen die geretteten Lebensmittel verwertet werden. Kimberley moderiert die Verteilung liebevoll und findet so auch einen Abnehmer für eine einsame, schon etwas traurig aussehende Artischocke. Der Salat geht zum größten Teil an Paul, der in seinem Viertel bei der Initiative „Brunch für alle“ mitmacht.

„Der Fairteiler ist gefüllt.“

Wenn größere Mengen Lebensmittel gesammelt werden, werden sie zu einem der „Fairteiler“ gebracht, einem regelmäßig gereinigten Schrank, aus dem man sich nehmen kann, was gebraucht wird. Auch dann gebe es eine Nachricht über die digitalen Kanäle, erklärt Stauche:

„Der Fairteiler ist gefüllt. Kommt vorbei und rettet das Obst vor der Hitze!“ Sie schätzt, dass Foodsharing in Mainz insgesamt etwa 5000 Menschen erreicht. „Neulich hatten wir eine Großabholung“, erzählt sie. „Da haben wir 40 Kästen Bier gerettet. Die waren ziemlich schnell weg.“

Quelle: dpa

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