Achtung Sucht!

NASENSPRAYS

Über 100 000 Menschen sind in Deutschland von abschwellenden Nasensprays abhängig. Doch davon loszukommen, ist nicht einfach.

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Die Nase ist verstopft, eine normale Atmung nicht mehr möglich. Das ständige Atmen durch den Mund ist anstrengend und unangenehm. Da ist es verlockend, durch einen kleinen Sprühstoß Abhilfe zu schaffen. Freie Nase, freier Atem und das Ganze rezeptfrei – doch bei falscher Anwendung gerät man schnell rezeptfrei in die Abhängigkeit.

Schutzorgan Nase Sie übernimmt eine wichtige Schutzfunktion beim Atmen. Hier wird die Luft angewärmt und angefeuchtet, wobei die Nasenschleimhaut zusätzlich als Wächter gegen Bakterien und Viren fungiert. Dringen Krankheitserreger ein, schwillt die Schleimhaut an und die Nase verstopft, was man als Rhinitis bezeichnet. Abschwellende Nasensprays wirken dieser Schwellung entgegen, indem sie mit alpha-Sympathomimetika, wie beispielsweise Tramazolin oder Xylometazolin, die alpha-1-Adrenorezeptoren der Blutgefäße stimulieren.

Das bewirkt eine Gefäßverengung, wodurch die Nasenschleimhaut schwächer durchblutet wird und abschwillt. So kann der angestaute Schleim wieder abfließen und auch die Nebenhöhlen bleiben frei. Das ist wichtig, denn über sie können Erreger in den Blutkreislauf gelangen und schwere Folgeerkrankungen auslösen. Als kurzfristige Behandlung ist der Gebrauch von abschwellenden Nasensprays durchaus sinnvoll.

Länger als sieben Tage sollte man sie jedoch nicht anwenden, denn sonst tritt eine kontraproduktive Wirkung ein. Die für die Verringerung der Durchblutung wichtigen alpha-Rezeptoren in der Nasenschleimhaut gehen zugrunde, sodass der Blutfluss nicht mehr auf natürliche Art gedrosselt werden kann. Die Folge: Die Schleimhäute schwellen ohne Spray gar nicht mehr ab.

Ärzte sprechen in diesem Fall von Privinismus oder einer Rhinitis medicamentosa, einer medikamenteninduzierten Rhinitis. Wird dieser Teufelskreis nicht durchbrochen, droht ein Abbau der Nasenschleimhaut . Mit dem Schwinden von Schleimhaut und Schleimhautdrüsen kann die Nase ihre Keimwächterfunktion nicht mehr erfüllen, wodurch sich Krankheitserreger leicht ansiedeln können. Zudem kann sich die Schleimhaut auch nicht mehr selbst befeuchten und wird borkig und kann eitern. Eine ständige Mundatmung ist ebenfalls gefährlich, da die Atemluft über den Mund nicht so stark angewärmt wird. Gerade im Winter kann das schnell zu Atemwegsinfekten führen.

URSACHEN FÜR VERSTOPFTE NASEN
Um eine Abhängigkeit von abschwellenden Nasensprays gar nicht erst entstehen zu lassen, ist es wichtig, die Rhinitisursache herauszufinden. Häufig kann man nämlich wieder frei durchatmen, wenn der Grund für eine ständig geschwollene Nasenschleimhaut erkannt und behoben wird.
Dazu können folgende Faktoren gehören:
+ Polypen (die auch immer wieder nachwachsen können!)
+ Nasenscheidewandverkrümmung
+ Allergien
+ Chronische Rhinitis oder chronische Nasennebenhöhlenentzündung
+ Hormonstörungen, die das vegetative Nervensystem beeinflussen (z. B. durch die Pille)
+ Schilddrüsenunterfunktion
+ Blutdrucksenkende Medikamente (sie wirken gefäßerweiternd und können damit das Anschwellen der Nasenschleimhaut unterstützen)

Der Weg aus der Abhängigkeit Es gibt nur eine Möglichkeit der Behandlung: Das Spray muss komplett abgesetzt und darf nicht wieder benutzt werden. Allerdings fällt genau das den Betroffenen schwer. Wie bei jeder Sucht können viele nicht einfach damit aufhören. Und wie bei jeder Abhängigkeit wirkt das Suchtmittel körperlich und psychisch: So haben die Betroffenen zwar keine physischen Entzugserscheinungen, vermögen aber ohne Spray nicht mehr durch die Nase zu atmen. In psychischer Hinsicht ist die verhinderte Nasenatmung im besten Falle unangenehm, im schlimmsten Fall löst sie Erstickungsängste aus. Dies kann vor allem nachts vorkommen, wenn man automatisch von Mundauf Nasenatmung umstellt.

Schritt für Schritt weg von der Sucht Der radikalste Weg ist sicherlich, das Spray einfach abzusetzen. Dann muss man sich auf eine unangenehme Zeit einzustellen, bis sich die Nasenschleimhaut nach ein bis zwei Wochen wieder so weit regeneriert hat, dass die Nase nicht mehr ständig verstopft ist. Ist eine solche Radikalkur nicht möglich, muss die Entwöhnung schrittweise erfolgen. Dazu können Betroffene entweder von Nasenspray für Erwachsene auf Sprays für Kinder und schließlich für Kleinkinder umsteigen. Sie können aber auch ihr Nasenspray mit Wasser auffüllen, sodass der Wirkstoff immer weiter verdünnt wird.

Das Spray sollte abwechselnd nur in ein Nasenloch gesprüht werden, damit die Atmung zwar ermöglicht wird, ein Nasenloch jedoch die Möglichkeit hat, zu heilen. Eine weitere Option ist, dass Spray nur noch für die Nacht zu benutzen, damit eine erleichterte Nasenatmung zumindest dann stattfinden kann. Darüber hinaus muss die Schleimhaut immer gut feucht gehalten werden. Ist sie nicht entzündet, kann das über eine normale Nasenspülung mit Meersalz oder sterilem Kochsalz erfolgen.

Empfehlen Sie Ihren betroffenen Kunden bereits fertige Meersalzspülungen und auch Nasenduschen, die das Spülen vereinfachen. Ist die Nase entzündet, reizen salzhaltige Lösungen jedoch zu sehr, sodass dann auch nur mit Wasser gespült werden kann. Ein Kamillenblütendampfbad wirkt ebenfalls abschwellend und entzündungshemmend. Cremes oder Sprays mit Dexpanthenol, Sesamöl oder Vitamin A und E unterstützen die Nasenschleimhaut bei der Entwöhnung. Man tupft die Cremes am besten mit Hilfe eines Wattestäbchens vorsichtig in die Nase. Allerdings sollte auch das nur zeitweise erfolgen, da sonst die feinen Nasenhärchen verkleben und in ihrer reinigenden Funktion beeinträchtigt werden. Auch Sprays mit Meersalz oder Hyaluronsäure sind geeignet, um die Nase feucht zu halten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/11 ab Seite 102.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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