Haferpflanze © Nailia Schwarz / stock.adobe
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Kulturpflanzen

NÄHRSTOFFREICHES GETREIDE

Hafer zählt zu den jüngeren Kulturpflanzen. Während Weizen und Gerste schon vor mehr als 10 000 Jahren kultiviert wurden, begann man mit dem gezielten Anbau des Hafers erst vor circa 5000 Jahren.

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Hafer ging aus der Kreuzung mehrerer verwandter Arten hervor, die ihren Ursprung im Mittelmeerraum haben. Ursprünglich wuchs Hafer dort als Unkraut auf den Feldern. Kultiviert wurde er erst später, nachdem er als Beimischung anderer Getreidesorten nach Mitteleuropa gelangte, wo er seit dem frühen Mittelalter einer der bedeutsamsten Getreidearten ist. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Hafer in Deutschland nach Roggen das am weitesten verbreitete Getreide. Heute dient ein Großteil der Haferernte als Viehfutter.

Anspruchsloses Rispengras Die Pflanze stammt aus der Familie der Süßgräser (Poaceae) und gedeiht selbst bei feucht-kühler Witterung auf kargen Böden. Sogar in Mittelgebirgslagen bringt sie noch gute Erträge. Die aufrecht wachsende einjährige Getreidepflanze erreicht Wuchshöhen bis zu 1,5 Metern. Ihr Halm ist rund und hohl und wird von zweizeilig angeordneten, langen schmal linealen Blättern umschlossen. Im Unterschied zu anderen Getreidesorten reifen die Körner nicht in Ähren, sondern in vielfach verzweigten Rispen aus.

Damit unterscheidet sich der Hafer optisch auf dem Feld eindeutig von anderen Getreidearten. Zur Blütezeit im Juni und Juli neigen sich die 15 bis 30 Zentimeter langen, lockeren Rispen leicht nach unten und verleihen dem Hafer sein charakteristisches Aussehen. Ende August/Anfang September können die spindelförmigen Körner, die fest von Spelzen (Hochblatt) umhüllt sind, geerntet werden. Es werden auch Nackthafer-Sorten kultiviert, bei denen die Körner keine Spelzen tragen. Dadurch sind die Körner zwar leichter zu ernten, allerdings fallen die Erträge geringer aus.

Echter, Weißer oder Saat-Hafer Umgangssprachlich wird meist von Hafer gesprochen. Der korrekte botanische Name ist aber Saathafer (Avena sativa L.). Geläufige Synonyme sind auch Echter oder Weißer Hafer. Bereits bei den Römern war der Hafer als Avena bekannt, der heute der Gattungsname der Pflanze ist. Vermutlich stammt er von den altindischen Worten avi = Schaf oder avasa = Nahrung ab und bedeutet so viel wie Schafgras, da er damals als Futter für Schafe diente.

Auch die deutsche Bezeichnung Hafer wird so gedeutet, da sie sich vom niederdeutschen Haver = Bock ableitet und somit Bezug auf die Verwendung des Getreides als Nahrung von Ziegenböcken nimmt. Darüber hinaus wird es seit Jahrtausenden als Tierfutter für Hühner und vor allem für Pferde genutzt. Auf den Anbau als Kulturpflanze verweist der Artname sativa (lat. sativa = angepflanzt).

Nahrung für Mensch und Tier Während die alten Römer Hafer nur als Viehfutter verwendet haben, diente es den Germanen als Nahrungsmittel. Noch im Mittelalter war Hafer die Hauptgetreidenahrung in Deutschland und bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zählte das Rispengras bei uns noch zu den wichtigsten Getreidearten. Durch die zunehmende Motorisierung in der Landwirtschaft und den steigenden Kartoffelanbau verlor der Hafer an Bedeutung sowohl als Pferdefutter als auch für die menschliche Ernährung. Die Hauptanbaugebiete liegen heute in Russland, Kanada, Skandinavien und Australien.

Wertvollstes Getreide Auch wenn der Haferanbau drastisch gesunken ist, bleibt der Hafer ernährungsphysiologisch äußerst interessant. Im Vergleich zu anderen Getreidearten ist Hafer besonders nährstoffreich. Er zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Vitaminen (vor allem B-Vitamine, auch Vitamin E), Mineralstoffen (Eisen, Zink, Magnesium), Eiweiß, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Ballaststoffen aus. Aufgrund des geringen Anteils des Kleberproteins Gluten wird aus Hafer zwar weniger Brot gebacken, seine weichen Körner lassen sich jedoch leicht zu Flocken breit drücken und sind beliebter Bestandteil von Müslis oder werden zu Haferbrei beziehungsweise Haferschleim verarbeitet.

Als glutenarmes Getreide wird Hafer meist auch gut von Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit vertragen. Da Hafer aber in der Regel starke Verunreinigungen von Weizen und Gerste aufweist, eignen sich herkömmliche Haferprodukte nicht für Zöliakie-Betroffene. Sie sollten vielmehr auf Produkte aus nicht-kontaminiertem Hafer zurückgreifen. Diese sind mit dem Symbol der durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet und gelten in kleinen Mengen für die überwiegende Mehrheit der Zöliakie-Betroffenen als verträglich.

Geschätzte Arzneipflanze Haferschleim wird wegen seiner im Korn enthaltenen Ballaststoffe auch arzneilich genutzt. Zum einen wirken die in den reifen getrockneten Haferfrüchten (Avenae fructus) enthaltenen unlöslichen Ballaststoffe regulierend auf die Verdauungstätigkeit. Zum anderen schützen die löslichen Ballaststoffe die Darmwand vor Reizen und beruhigen einen empfindlichen Magen. Von besonderem Interesse sind aber die löslichen Beta-Glucane, die die Hälfte des gesamten Ballaststoffgehaltes ausmachen und positive Effekte auf den Cholesterol- und den Blutzuckerspiegel aufweisen.

Das Haferkraut (Avenae herba), also die kurz vor der Vollblüte geernteten und rasch getrockneten oberirdischen Pflanzenteile, auch als Grüner Hafer bezeichnet, ist reich an Flavonoiden, Saponinen und Mineralstoffen. Auf die entzündungshemmende Wirkung der Flavonoide und immunmodulierenden Eigenschaften der Saponine geht seine Verwendung in Hautpflegemitteln (z. B. Cremes, Badezusätze) bei trockener Haut oder atopischer Dermatitis zurück. Daraus zubereitete Teeaufgüsse werden zudem volkstümlich beispielsweise bei akuten und chronischen Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen, bei Bindegewebsschwäche und als Aufbau- und Kräftigungsmittel getrunken.

In der Homöopathie kommen die oberirdisch wachsenden Pflanzenteile als Avena sativa bei nervöser Erschöpfung, Schlaflosigkeit und Nervenschwäche zur Anwendung. Dekokte des Haferstrohs (Avenae stramentum) werden in Form von Bädern bei juckenden, entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt. Haferstroh besteht aus den getrockneten, gedroschenen Blättern und Stängeln der Pflanze.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/18 auf Seite 80.

Gode Chlond, Apothekerin

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