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PTA-Fortbildung 08/16

NACHWUCHSSORGEN

Täglich ein paar lose Haare auf dem Kopfkissen und in der Haarbürste sind völlig normal, da jedes Haar nur eine begrenzte Lebensdauer hat. Wann spricht man von Haarausfall und was kann man dagegen tun?

Seite 1/1 17 Minuten

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Etwa 80 bis 90 Prozent der Männer und 60 bis 70 Prozent der Frauen leiden mit fortschreitendem Alter unter Haarverlust. Für Frauen ist es besonders schlimm, sie verlieren häufig auch das Gefühl attraktiv zu sein. Aber auch so mancher Mann leidet sehr darunter, denn volles Haar steht auch bei vielen Männern für Vitalität, Gesundheit und sexuelle Anziehungskraft. Andere kommen dagegen sehr gut mit einer Glatze zurecht und rasieren auch die verbliebene Kopfbehaarung ab.

Gerade bei Frauen ist es nicht immer Haarausfall, wenn die Haare dünner werden. Manchmal gehen die Haare gar nicht mit dem ganzen Haarschaft aus, sondern brechen nur ab. Das kann dann passieren, wenn häufig, unsachgemäß und mit aggressiven Maßnahmen das Haar gestylt wird. Manchmal machen sich die Haare auch nur vorübergehend dünn, zum Beispiel nach einer Schwangerschaft. Erst, wenn über einen längeren Zeitraum mehr als 100 Haare pro Tag ausfallen, spricht man von permanentem Haarausfall oder Effluvium. Wenn es dabei zu einer sichtbaren Lichtung des Haares, zu Kahlstellen oder völliger Haarlosigkeit kommt, handelt es sich um eine Alopezie.

Das Haar entsteht Wenn sich in der Haut ein Haar bildet, entsteht in der Keimzone der Epidermis eine kleine schlauchartige Einstülpung bis tief in die Lederhaut. Diese Einstülpung nennt man Haarfollikel. Eingebettet in den Haarfollikel liegt die Haarwurzel mit ihrem verdickten Ende, der Haarzwiebel. Diese umschließt eine zapfenartige Verdickung der Lederhaut, die Papille. In diese Papille hinein ragen Kapillaren, die das Haar mit allen wichtigen Nährstoffen versorgen.

Eine Ernährung auf anderem Wege ist nicht möglich. Die direkt über die Papille gestülpte Zelllage wird als Matrix bezeichnet. Die Zellen selbst heißen wie die Zellen der Epidermis Keratinozyten. Hier entstehen durch Zellteilung Tochterzellen, die wie durch einen Kanal nach oben geschoben werden. Die Keratinozyten gelangen zunächst in die Differenzierungszone, wo sie sich in der Form zu unterscheiden beginnen.

Etwas später bilden sich zum einen die Zellschichten der Wurzelscheide, von denen die innere Wurzelscheide schon in einem sehr frühen Stadium verhornt und eine feste Rohrwandung bildet, innerhalb derer die übrigen Zellschichten nach oben gepresst werden. Zum anderen kann man an den Zellen direkt oberhalb der Papille beobachten, dass sie sich in Richtung der Follikelachse spindelförmig verformen und sich feine Faserstrukturen bilden, die den Innenraum der Zellen mehr und mehr ausfüllen. Diese Zellen bilden den Faserstamm des Haares , das Innere des Haarschafts.

Die Keratinozyten, die weiter außerhalb der Matrix gebildet werden, verlängern sich, werden flach, neigen sich nach außen und schieben sich übereinander. Dabei bildet sich eine überlappende Zellschicht, die Cuticula. In der anschließenden Keratinisierungszone werden die Mikrofibrillen in den Cortexzellen in eine feste Masse eingebettet und verhornen ebenso wie die Cuticulazellen. Die Keratinisierung ist damit abgeschlossen. Die Zellschichten der Wurzelscheide haben jetzt ihre formgebende Funktion bei der Bildung des Haares verloren.

Auf Höhe der Talgdrüsen werden sie vermutlich durch ein darin gebildetes Enzym abgebaut und aufgelöst. Mit dem Haarbalg verbunden ist der Haarbalgmuskel. Wegen seiner Funktion wird er auch Haaraufrichtemuskel genannt. Am oberen Teil des Haarfollikels sind die Talgdrüsen rosettenförmig angeordnet. Ihre Ausgänge münden in den Follikel. Den über die Hautoberfläche hinausragenden Teil des Haares nennt man Haarschaft. Das Keratin des Haares besteht zu einem großen Teil aus der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein. Jeweils zwei Cystein- Moleküle sind über Disulfidbrücken miteinander zu Cystin verknüpft, was dem Haar seine stabile Struktur verleiht.

Bei einer Dauerwelle werden diese Disulfidbrücken gespalten. Anschließend wird das Haar in die neue Form gebracht und durch Knüpfen neuer Disulfidbrücken wieder stabilisiert.

DIE HAAROBERFLÄCHE
Streift man mit Daumen und Zeigefinger vom Haaransatz zur Haarspitze, so fühlt sich das Haar glatter an als in umgekehrter Richtung. Man fühlt dabei die Cuticula, die Schuppenschicht, die das Haar an der Oberfläche umgibt. Die Cuticulazellen sind meist farblos und durchscheinend. Sie haben einen Anteil von etwa 13 Prozent an der gesamten Haarmasse. Durch ihre große chemische und mechanische Resistenz schützt die Cuticula das Haarinnere vor Beschädigung und Veränderungen infolge von Umwelteinflüssen.

Wenn es sprießt Das Wachstum der Haare verläuft nicht kontinuierlich, sondern schubweise. Die zeitliche Folge dieser charakteristischen Schübe bezeichnet man als Haarzyklus. Er setzt sich aus drei Phasen zusammen, die jedes Haar unabhängig von seinen Nachbarhaaren durchläuft. Die Phase, in der ein Haar wächst, nennt man Anagenphase. Im Durchschnitt dauert diese Phase zwei bis sechs Jahre. Haare in dieser Phase heißen Papillarhaare.

An die Wachstumsphase schließt sich die Übergangsphase, die Katagenphase an. Die Papille stellt die Nährstoffversorgung der Matrix allmählich ein, woraufhin sich die Zellteilung verlangsamt und schließlich ganz endet. Die Matrixzellen lösen sich von der Papille und wandern mit den Zellen der inneren Wurzelscheide in Richtung Hautoberfläche. Der Haarfollikel schrumpft auf circa ein Drittel seiner ehemaligen Länge Die Katagenphase dauert etwa zwei bis drei Wochen. Danach folgt die Ruhephase, die Telogenphase, an deren Ende das Haar ausfällt.

Die Haarzwiebel ist jetzt verdickt, weshalb man vom Kolbenhaar spricht. Sie befindet sich im sogenannten Kolbenlager, kurz unterhalb der Talgdrüsen. Die Telogenphase hat eine Dauer von zwei bis vier Monaten. Gleichzeitig erhält die Haarpapille wieder ihre ursprüngliche Form und Größe und nimmt ihre Funktion wieder auf. Ein neuer Haarkeim entsteht. Haare, die nicht durch mechanische Beanspruchung, wie Waschen oder Frisieren ausfallen, werden von dem wachsenden neuen Haar herausgeschoben. Das neue Haar durchläuft nun auch wieder die drei Phasen des Haarzyklus.

Beim Menschen findet das ganze Jahr über ein weitgehend gleichmäßiger Haarwechsel statt, der hormonell und genetisch gesteuert wird. Bei den meisten Tieren befinden sich alle Haare zeitlich in der gleichen Phase. Fallen die alten Haare aus, spricht man vom Fellwechsel oder bei Vögeln von der Mauser.

Haarfarbe Neben den Keratinozyten findet man in der Matrix einen weiteren Zelltyp, die Melanozyten. Sie bilden den farbgebenden Stoff, das Melanin. Die Melanozyten lagern chemische Vorstufen des Melanins, die Prämelanine, an die Keratinzellen an. Während des Verhornungsprozesses bilden sich daraus Pigmentkörnchen. Das Melanin wächst mit der übrigen Haarsubstanz an die Oberfläche. Wie in der Haut auch unterscheidet man zwischen Eumelaninen, den dunklen, braunschwarzen Pigmenten, und Phäomelaninen, die heller sind und gelbrötlich erscheinen.

Die Haarfarbe ist zum einen von der Gesamtmenge an Melanin, zum anderen vom Mischungsverhältnis von Eu- und Phäomelanin abhängig. Mit zunehmendem Alter des Menschen nimmt die Bildung des Melanins ab. Die Melanozyten bilden keine vollständigen Pigmentkörnchen mehr und verkümmern schließlich ganz. Anstelle der Melanozyten findet man bei älteren Menschen in der Matrix Hohlräume. Haare, die in Ermangelung von Melanozyten kein Melanin mehr bilden können, sind farblos und erscheinen dem Betrachter weiß. „Graue Haare“ gibt es eigentlich nicht.

Die Haare erscheinen grau oder grau meliert, wenn neben den pigmentierten auch farblose Haare vorhanden sind. Der sogenannte Ergrauungsprozess beginnt durchschnittlich mit dreißig Jahren, kann aber auch früher oder später einsetzen. Wie lange die Melanozyten intakt bleiben und Melanin produzieren, ist genetisch festgelegt und wird durch Hormone beeinflusst. Unglaubwürdig ist die immer mal wieder auftauchende Behauptung, dass jemand durch ein schreckliches Erlebnis über Nacht grau beziehungsweise weiß wurde.

Der Haarschaft selbst ist totes Material und kann in seiner Farbe vom Körper nicht verändert werden. Durchschnittlich haben wir etwa 100 000 Haare auf dem Kopf. Die Anzahl ist je nach Haarfarbe unterschiedlich. Rothaarige haben im Schnitt 85 000, Brünette etwa 100 000 und Blonde am meisten, nämlich bis zu 140 000 Haare. Dies liegt vermutlich daran, dass sie mehr Haare benötigen, um die UVStrahlung vom empfindlichen Kopf fernzuhalten. Wenn man von 100 000 Kopfhaaren ausgeht, die täglich um circa 0,2 Millimeter wachsen, produziert unsere Kopfhaut am Tag ungefähr 20 Meter Haar.

Im Normalfall verliert der Mensch täglich Haare, ohne dass die Haare insgesamt weniger werden. Es sind die Haare, deren Wachstum abgeschlossen ist und die sich in der Telogenphase befinden. Sie werden vom unteren Teil des jeweiligen Follikels durch neugebildete Haare ersetzt. Insgesamt können 10- bis 12-mal neue Haare aus einem Follikel nachwachsen. Als normale Ausfallmenge pro Tag gelten im Alter von 20 bis 30 Jahren maximal 50 Haare, bis zum 40. Lebensjahr höchstens 60 Haare und bis zum 50. Lebensjahr maximal 100 Haare.

In der Schwangerschaft wird durch die hormonellen Einflüsse die Telogenphase verlängert und es fallen weniger Haare aus. Etwa drei bis fünf Monate nach der Entbindung, wenn sich die Hormonsituation wieder normalisiert hat, kommt es zum Effluvium. In der Regel hört dies nach wenigen Wochen wieder auf und es bleiben keine schütteren oder gar kahlen Stellen zurück.

HAARAUSFALL BEI CHEMOTHERAPIE
Eine Chemotherapie im Rahmen einer Krebserkrankung kann, je nach Arzneistoff, bis zum völligen Haarverlust führen. Chemotherapeutika stören nämlich die Produktion des Haares in der Haarwurzel kurzfristig, sodass das Haar noch in der Haut abbricht. Die Wurzel selbst wird in der Regel nicht dauerhaft geschädigt. Vor allem für Frauen ist der Haarverlust, bei dem die Haare oft büschelweise ausfallen, eine große zusätzliche emotionale Belastung. Wenn sie den Haarausfall mit einer Perücke kaschieren möchten, übernimmt in der Regel die gesetzliche Krankenkasse die Kosten, sofern der Arzt die Perücke verordnet. Bei Männern werden die Kosten für Perücken nicht übernommen. Nach der Therapie wachsen die Haare fast immer wieder nach.

Formen des Haarausfalles Man unterscheidet zwischen permanenten und reversiblen Formen der Alopezie. Den androgenetischen Haarausfall (Alopezia androgenetica) kennt man vorwiegend vom Mann, er kann aber auch bei der Frau auftreten. Es beginnt frühestens mit Eintreten der Geschlechtsreife und ist mit 95 Prozent die am weitesten verbreitete Form des Haarausfalls, und das nicht nur beim männlichen, sondern auch beim weiblichen Haarausfall.

Ursache bei Mann und Frau ist eine ererbte Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Androgenen, genauer gesagt gegenüber Dihydrotestosteron (DHT). Das Hormon wird durch das Enzym 5-alpha- Reduktase aus Testosteron gebildet. Der Testosteronspiegel liegt dabei im Normbereich. Durch die Überreaktion der Haarfollikel werden die Haarzellen nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und es kommt zu einem Nährstoffmangel. Der Haarzyklus, insbesondere die Anagenphase, ist dadurch verkürzt, die Latenzzeit zwischen Haarausfall und Bildung eines neuen Haares ist dagegen verlängert.

Es treten mehr Haare in die Telogenphase ein. Die nachwachsenden Haare sind dünner und erreichen nicht mehr die Länge der vorangegangenen Haare. Die Haarwurzel schrumpft allmählich ein, was man als Miniaturisierung bezeichnet. Anstelle eines normalen Haares entsteht ein weiches, farbloses Flaumhaar. Später fällt es ganz aus und es bleibt eine kahle Stelle. Beim Mann tritt diese Form der Glatzenbildung in bestimmten Mustern auf, zum Beispiel mit dem Zurücktreten der Stirn- Haar-Grenze, zunächst in Form von Geheimratsecken, oder mit der Tonsur auf dem Oberkopf.

Dies kann schon im Jugendlichenalter beginnen. Wegen des erblichen Hintergrunds tritt der androgenetische Haarausfall innerhalb einer Familie meist entweder gehäuft oder selten auf. Bei der Frau kommt es eher zu diffusen Lichtungen, besonders im Scheitelbereich. Frauen sind üblicherweise erst nach den Wechseljahren betroffen. Die nachlassende Estrogenproduktion führt zu einer relativen Zunahme von Androgenen. Ohne eine Therapie gehen jedes Jahr etwa fünf bis sechs Prozent der Haare verloren. Die androgenetische Alopezie der Frau kann aber auch Symptom einer endokrinen Störung sein.

Bei der Frau kann man die Erkrankung durch Medikamente mit antiandrogener Wirkung behandeln, beim Mann würde man unerwünschte Nebenwirkungen riskieren. Dieser anlagebedingte Haarausfall tritt bei der Frau nicht häufiger auf als früher, es kommt heute jedoch oftmals zu einer früheren Manifestation. Das kann daran liegen, dass Frauen durch die inzwischen übliche Doppelbelastung durch Beruf, Haushalt und Kinder mehr Stresshormone ausschütten, die das hormonelle Geschehen beeinflussen.Ein Grund können auch hormonelle Kontrazeptive mit partieller Androgenwirkung sein, die den androgenetischen Haarausfall schon früher sichtbar machen.

Beim diffusen Haarausfall (Alopezia diffusa) kommt es vor allem am Oberkopf, im Wirbelbereich und an den „Geheimratsecken“ zu diffusen Lichtungen. Ursache können endogene und exogene Schädigungen der Haarfollikel während der Anagenphase sein, sodass die betroffenen Haare früher in die Telogenphase eintreten. Nach circa drei bis vier Monaten beginnt der Haarausfall.

Eine besondere Therapie ist nicht nötig, da die Haarfollikel funktionstüchtig bleiben und nach Beseitigung der Ursache ihr Wachstum wiederaufnehmen. Nach den Ursachen muss natürlich geforscht werden, um sie auszuschalten. Es können hormonelle Veränderungen, beispielsweise durch Einnahme der Pille oder nach Entbindungen, aber auch bei Eintritt in die Wechseljahre dahinterstecken; des weiteren Infektionen wie Grippe oder Typhus, Vergiftungen, beispielsweise durch Schwermetalle, Bestrahlungen in der Krebstherapie, die Einnahme von Medikamenten wie Zytostatika, Antikonvulsiva und Antikoagulanzien.

Auch Stoffwechselstörungen, Eisenmangel, und ein Nährstoffmangel nach einseitigen Crash-Diäten oder Fastenkuren können schuld sein. Es kommt also eine ganze Palette von Faktoren als Ursache für den diffusen Haarverlust in Frage. Eine Schilddrüsenüberfunktion führt zur Vermehrung weicher, dünner Haare, während eine Schilddrüsenunterfunktion die Haare trocken und brüchig werden lässt. Letztlich kann jede körperliche, aber auch seelische Krise dem Organismus so viel Kraft rauben, dass kaum Energie bleibt für die Kopfhaut und damit für das Haarwachstum.

Beim kreisrunden Haarausfall (Alopezia areata) bilden sich kreisrunde oder ovale, auf jeden Fall scharf begrenzte Kahlstellen, meist in der Kopfaber auch in der Körperbehaarung, die einzeln oder mehrfach auftreten. Bei meliertem Haar fallen vor allem die noch pigmentierten Haare aus, sodass es in kurzer Zeit zu deutlichen Farbveränderungen kommen kann. Die Krankheit kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Manchmal setzt die Behaarung nach kurzer Zeit spontan wieder ein, sie kann jedoch auch zu einer lang anhaltenden, völligen Haarlosigkeit, mitunter sogar am ganzen Körper, führen.

Gelegentlich wird der kreisrunde Haarausfall auch von Grübchen in den Fingernägeln begleitet. Die Ursache des kreisrunden Haarausfalls ist noch nicht endgültig geklärt. Offenbar liegt ein Angriff des Immunsystems gegen die eigenen Haarfollikel zugrunde. Grundsätzlich kann sich die Erkrankung in jedem Alter manifestieren, am häufigsten tritt sie jedoch zwischen dem 5. und 30. Lebensjahr auf. Man geht von einer familiären Häufung aus. Infektiöse und entzündliche Prozesse sowie physikalische Schädigungen, wie zu straffe Pferdeschwanzfrisuren, können durch Zerstörung des Haarfollikels zur narbig atrophierenden Alopezie führen.

Die Kopfhaut vernarbt in den betreffenden Bereichen, statt einer intakten Haarwurzel findet man Bindegewebe. Dabei entstehen irreversibel kahle Areale. Die Therapie besteht nur aus einem Aufhalten des Prozesses durch Beenden des schädigenden Verhaltens.

HAARTRANSPLANTATION
Bei androgenetisch bedingtem Haarausfall bekommen Männer meist keine komplette Glatze, sondern es bleibt ein Haarkranz am Hinterkopf stehen. Die Haarwurzeln dieser Region reagieren weniger empfindlich auf Androgene als die der übrigen Kopfhaare. Für Männer, die sehr unter der Glatzenbildung leiden, gibt es die Möglichkeit, Haarwurzeln aus diesem Haarkranz an andere, lichter werdende Stellen zu verpflanzen. Dazu entnimmt ein auf Haartransplantation spezialisierter Hautarzt unter Lokalanästhesie einen schmalen Hautstreifen samt Haaren vom Hinterkopf des Betroffenen. Die Haarwurzeln werden aus dem Haarstreifen herausgearbeitet und an der gewünschten Stelle wieder in die Kopfhaut eingesetzt. Es gibt auch die Möglichkeit einzelne Haarwurzelgruppen zu verpflanzen. Der Eingriff erfolgt in der Regel ambulant. Die verpflanzten Haare fallen dann erst einmal aus, um anschließend neu heraus zu wachsen. Bis ein Erfolg zu sehen ist, kann es einige Monate dauern. Das Ergebnis fällt individuell sehr verschieden aus. Liegt der Haarlosigkeit eine Autoimmunkrankheit zugrunde, kann man keine Haartransplantation durchführen.

Diagnose Klagt ein Kunde oder eine Kundin über Haarausfall, so können Sie zu einem Besuch des Hautarztes raten, um die Art des Haarausfalles festzustellen. Er kann das Mengenverhältnis von Haaren in den einzelnen Phasen in einem Haarwurzelmuster oder Trichorhizogramm erkennen. Für die Untersuchung wurde früher ein Büschel Haare, bestehend aus ungefähr 100 Stück, ausgerissen und sofort unter dem Mikroskop untersucht.

Die heutige Vorgehensweise ist deutlich patientenfreundlicher. Statt Haare auszureißen wird eine kleine Stelle der Kopfhaut kurz geschoren und der Haarstatus fotografiert. Anschließend wird die Stelle rasiert. Wird nun nach drei Tagen erneut fotografiert, kann man leerbleibende Follikel erkennen. Sie stehen für Haare im Telogenstadium, nachwachsende Haare zeigen Follikel in der Anagenphase an. Auf einem gesunden Haarboden befinden sich etwa 85 Prozent der Haare in der Anagenphase, ein Prozent in der Katagenphase und 14 Prozent in der Telogenphase. Befinden sich wesentlich weniger als 85 Prozent der Haare in der Anagenphase, so liegt eine Haarwachstumsstörung vor.

Therapie der Alopezie Bevor eine Behandlung eingeleitet wird, sollten die Ursachen abgeklärt werden, denn manchmal kann man sie relativ einfach beseitigen. Da Haarausfall auch das Symptom einer schwerwiegenden Grunderkrankung sein kann, ist der Gang zum Arzt auf jeden Fall sinnvoll. Auf dem Markt befinden sich viele Produkte gegen Haarausfall, die teils Haarbausteine liefern und teils gezielt als Enzhyminhibitor die 5-alpha-Reduktase hemmen, als Antagonist am Androgenrezeptor wirken oder die Blutversorgung am Haarfollikel durch Erweiterung der versorgenden Gefäße verbessern.

Präparate mit essenziellen Haarbausteinen enthalten meist B-Vitamine, wie Pantothensäure und Biotin, außerdem Spurenelemente, wie Zink und die Aminosäuren Cystin oder Cystein, als natürlicher Bestandteil des Keratins. Panthotensäure wird in allen teilungsaktiven Geweben, also auch in der Haarwurzel, vermehrt benötigt. Kapseln mit Hirseextrakt enthalten verschiedene Vitamine und Mineralstoffe sowie Siliziumverbindungen. Präparate mit essenziellen Haarbausteinen finden vor allem bei der Behandlung des diffusen Haarausfalls Verwendung.

Durch seine hohe Stoffwechselaktivität reagiert die Haarwurzel sehr empfindlich auf einen Mangel an diesen Mikronährstoffen, die für die Keratinsynthese benötigt werden. Die Zufuhr dieser Substanzen über einen längeren Zeitraum kann sinnvoll sein, um das Haarwachstum nach Beheben eines schädigenden Einflusses wieder anzuregen. Vor allem bei Biotin (Vitamin H) konnte in Untersuchungen eine Wirkung nachgewiesen werden. Untersucht wurden vorwiegend Personen mit androgenetischem Haarausfall.

Bei ihnen verminderte sich der Haarausfall beziehungsweise der Haarwuchs wurde kräftiger und die einzelnen Haare wurden dicker. Biotin ist Bestandteil einiger Enzyme, darunter sind auch die Carboxylasen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei Wachstums- und Differenzierungsvorgängen der Zellen. Außerdem fördert Biotin die Einlagerung schwefelhaltiger Aminosäuren wie Cystein in die Haarwurzel. Dabei ist die Wirkung von Biotin nicht an einen Biotinmangel gebunden. Da Biotin topisch appliziert schlecht resorbiert wird, ist eine lokale Anwendung nicht erfolgversprechend.

Üblich sind Dosierungen zwischen 2,5 und 10 Milligramm Biotin in Tablettenform, oral appliziert. Das Spurenelement Zink ist an der Zellteilung und der Proteinsynthese beteiligt. Auch der Stoffwechsel der Aminosäure Cystein wird von Zink beeinflusst. Bei einem Zinkmangel sind die Haare häufig dünn und brüchig. Durch seine immunregulatorische Wirkung eignet sich Zink auch zur Behandlung des kreisrunden Haarausfalls. Wenn ein Eisenmangel hinter dem Haarausfall steckt, schafft die Substitution von Eisen Abhilfe. Alle Präparate mit essenziellen Haarbausteinen müssen oral appliziert werden und gelangen dann über den Blutweg an die Haarwurzel.

HAAREWASCHEN ERLAUBT
Viele Betroffene haben Angst, durch häufiges Haare Waschen noch mehr Haare zu verlieren. Dies stimmt nicht! Waschen beeinflusst nicht die Zahl der Haare, die ausfallen, denn sie befinden sich ohnehin in der Telogenphase und würden so oder so ausfallen. Auch auf Färben muss man nicht zwangsläufig verzichten. Korrekt durchgeführt und in ausreichend großen Abständen, schadet es nicht. Anders sieht es aus beim Bleichen. Es strapaziert die Haare sehr und kann ihnen zusätzlich schaden.

Kosmetische Präparate Sie sind äußerlich anzuwenden und enthalten eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Substanzen. Sie sollen bei allen Arten des Haarausfalls wirksam sein. Wenn die Haarwurzeln noch vorhanden sind, sollen Thymusextrakte aus Kälberthymus den Stoffwechsel in der Haarwurzel anregen. Bei Frauen ist die Erfolgsquote offenbar höher als bei Männern. Manche Haarwässer und Shampoos enthalten Coffein. Es soll durch Hemmung des Enzyms 5-alpha- Reduktase die Wachstumsphase des Haares verlängern. In Kombinationspräparaten findet man teilweise auch Pflanzenextrakte aus Brennnessel, Birkenblättern und Ginseng. Allen Produkten ist gemeinsam, dass wenn überhaupt nur geringe Wirkstoffmengen an die Haarwurzel gelangen.

Hormonpräparate Auch Estrogene können zur Therapie des androgenetischen Haarausfalles eingesetzt werden. Sie wirken als kompetitive Antagonisten an Androgenrezeptoren. Ein Therapieerfolg ist allerdings nur dann zu erwarten, wenn auch wirklich ein Adrogenüberschuss vorliegt. Die systemische Behandlung sollte nur bei Frauen erfolgen. Gleiches gilt für die Therapie mit Antiandrogenen. Die Hormonpräparate sind verschreibungspflichtig.

Auch für Männer geeignet dagegen ist 17-alpha-Estradiol (Alfatradiol). Es wird lokal auf die Kopfhaut aufgetragen und kann ausreichend resorbiert werden. Systemische Nebenwirkungen sind dabei nicht zu befürchten, weil Alfatradiol ein Isomer des im Körper aktiven Hormons 17-beta-Estradiol ist. Die alpha- Form kann nicht am Estrogenrezeptor andocken und daher auch keine Estradiolwirkung auslösen. Die Präparate sind entsprechend auch nicht verschreibungspflichtig.

Beim kreisrunden Haarausfall werden kortisonhaltige Haartinkturen eingesetzt, da man von einer Autoimmunerkrankung ausgeht. Sie führen allerdings nur selten zum Erfolg. Das ursprünglich als Antihypertonikum entwickelte Minoxidil zeigt bei systemischer Anwendung als Nebenwirkung eine Hypertrichose, also einen verstärkten Haarwuchs – nicht selten am ganzen Körper. Als Lösung lokal auf die von Haarausfall betroffenen Stellen der Kopfhaut aufgebracht, zeigt die Substanz bei androgenetischem Haarausfall in frühen und mittleren Stadien eine gute Wirkung.

Bereits zurückgebildete Haarwurzeln vergrößern sich wieder und produzieren kräftiges Haar. Außerdem wird die Wachstumsphase des Haares verlängert. Minoxidil bewirkt eine Erweiterung der glatten Muskulatur noch vorhandener kleiner Arterien in der Kopfhaut. Dadurch wird die Mikroversorgung der Haarwurzel verbessert. Minoxidil nimmt also keinen Einfluss auf die hormonelle Situation in der Haut. Die Substanz ist für Männer und Frauen geeignet und seit einiger Zeit rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Für Männer hat sich die fünf-prozentige Lösung beziehungsweise der Schaum bewährt, für Frauen ist eine zwei-prozentige Lösung zugelassen.

In klinischen Studien wurde gezeigt, dass die stärkere Lösung bei Frauen keinen Vorteil bringt. Beim androgenetischen Haarausfall der Frau gilt Minoxidil inzwischen als Mittel der ersten Wahl. Die besten Ergebnisse sind für dunkelhaarige Menschen unter fünfzig Jahren zu erwarten, bei denen der Haarausfall weniger als zehn Jahre zurückliegt. Da Minoxidil nur bis an die Gefäße der Follikel gelangt und dabei nicht nennenswert resorbiert wird, ist auch nicht mit systemischen Nebenwirkungen, beispielsweise auf den Blutdruck, zu rechnen. Nach Abbruch der Therapie kommt es nach etwa drei Monaten zum verstärkten Haarausfall, sodass bald ein Zustand wie vor der Behandlung erreicht wird.

Es empfiehlt sich also die dauerhafte Anwendung. Gelegentlich kommt es gleich in den ersten Wochen der Behandlung zu einem verstärkten Haarverlust. Dieser als „Shedding“ bezeichnete Effekt ist ein Zeichen dafür, dass die Therapie wirkt und sollte keinesfalls zum Abbruch der Behandlung führen. Er beruht darauf, dass Minoxidil die Ruhephase im Haarzyklus verkürzt, wodurch die neuen Haare schneller in die Wachstumsphase eintreten und die alten Haare aus der Kopfhaut herausschieben. Minoxidil wird morgens und abends auf die trockene Kopfhaut aufgetragen. Je nach Größe der betroffenen Stellen stehen verschiedene Applikatoren zur Verfügung.

Je eher der Betroffene die Behandlung beginnt, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Bei circa achtzig Prozent der Behandelten verzögert sich der Haarausfall deutlich, bei etwa einem Drittel wachsen an zuvor kahlen Stellen neue Haare nach. Diese sind zunächst fein und farblos, werden dann aber mit zunehmender Regeneration der Haarfollikel kräftiger und stärker pigmentiert. Mit einem sichtbaren Ergebnis ist nach ungefähr sechs Monaten zu rechnen. Entscheidend für den Erfolg ist außerdem die langfristige Anwendung, denn die Wirkung hält, wie gesagt, nur so lange an, wie die Therapie dauert.

Die Substanz Finasterid ist in Deutschland außer zur Therapie der benignen Prostatahyperplasie auch zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls zugelassen. Hierbei wird einmal täglich ein Milligramm oral verabreicht (bei Prostatahyperplasie 5 mg). Die Substanz hemmt das Enzym 5-alpha- Reduktase, Da beim androgenetischen Haarausfall eine vererbte Überempfindlichkeit der Androgenrezeptoren in den Haarfollikeln zugrunde liegt, kann durch Hemmung dieses Enzyms der Haarausfall gestoppt und, wie eine umfangreiche Studie ergeben hat, das Haar in etwa zwei Dritteln der Fälle sogar zu neuem Wachstum angeregt werden.

Das Alter des Anwenders ist für den Behandlungserfolg nicht relevant. Allerdings wirkt Finasterid nur bei Haarfollikeln, die noch nicht restlos degeneriert sind. Nach Absetzen des Präparates fallen die Haare jedoch schnell wieder aus, bis nach kurzer Zeit der Stand erreicht ist, der auch ohne Therapie eingetreten wäre. Selten kann es als Nebenwirkung zur Verminderung von Libido und sexuellem Reaktionsvermögen kommen. Zerbrochene Tabletten dürfen von schwangeren Frauen nicht berührt werden, da die Substanz gut über die Haut resorbiert wird und die Gefahr von Fehlbildungen der Geschlechtsorgane männlicher Feten besteht.

Beim Berühren intakter Tabletten besteht die Gefahr nicht, da sie mit einem für die Substanz undurchdringlichen Film überzogen sind. Frauen dürfen das verschreibungspflichtige Präparat grundsätzlich nicht einnehmen.

Sabine Breuer, Apothekerin / Redaktion

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