Rezeptor © Rost-9D / iStock / Getty Images Plus
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Rezeptoren

MUSCARIN-REZEPTOREN TEIL 2

Eine eindeutige Zuordnung von Arzneistoffwirkung und Beeinflussung des Rezeptorsubtyps ist noch nicht eindeutig möglich. So erfolgt die Einteilung folgender Arzneistoffe weitgehend nach dem Wirkmechanismus.

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Prinzipiell werden Parasympathomimetika, die zur Wirkverstärkung des Pa- rasympathikus führen, von Parasympatholytika, die den Parasympathikustonus absenken, unterschieden. Greifen die Wirkstoffe direkt und agonistisch am Acetylcholin Rezeptor (ACh-Rezeptor) an, werden sie als direkte Parasympathomimetika bezeichnet. Sie werden sehr viel langsamer als ACh metabolisiert und besitzen daher eine längere Eliminationshalbwertszeit. Die indirekten Parasympathomimetika verlangsamen den Abbau von ACh. Bei direkten Parasympatholytika handelt es sich um kompetitive Antagonisten am ACh-Rezeptor. Sie erniedrigen die Parasympathikus-Effekte.

Direkte Parasympathomimetika Dazu gehören Naturstoffe wie Arecolin (Betelnuss), Muscarin und Pilocarpin (Jaborandiblätter). Synthetische Substanzen sind Areclidin, Bethanechol, Carbachol oder Methacholin. Substanzen, wie Pilocarpin und Carbachol kommen in Form von Augentropfen beim Glaukom zum Einsatz, um den zu hohen Augeninnendruck zu senken. Eine parasympathomimetische Beeinflussung führt am Auge durch Kontraktion des Sphincter pupillae zur Miosis (Pupillenverengung), wodurch ein verbesserter Kammerwasserabfluss erreicht wird. An der Harnblase kommt es zur Erschlaffung des Sphinkters und eine Blasenentleerung wird erleichtert. Deshalb wird Carbachol systemisch bei postoperativer Darm- und Blasenatonie oder bei Blasenentleerungsstörungen eingesetzt.

Indirekte Parasympathomimetika sind ACh-Esterase-Blocker. Sie hemmen das Enzym ACh-Esterase, das für die Spaltung von ACh verantwortlich ist. Wird ACh nicht mehr oder nur vermindert abgebaut, liegt es in hoher Konzentration im synaptischen Spalt vor und besetzt so die mACh-Rezeptoren. Therapeutisch werden ausschließlich reversible ACh-Esterase-Blocker eingesetzt. Wirkstoffe wie Physostigmin, Neostigmin, Distigmin oder Pyridostigmin gehören in diese Arzneimittelgruppe. Lokale Wirkungen sind Miosis und intraokulare Drucksenkung bei Glaukom. Neostigmin liegt als Bromid vor und kann als quartäres Amin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Es wird zur Verbesserung der Darmmotilität und Miktion bei Darm- und Blasenatonie sowie bei Glaukom und Myasthenia gravis eingesetzt.

Physostigmin liegt als tertiäres Amin vor, ist somit ZNS-gängig und kann deshalb auch als Antidot bei Intoxikationen mit Atropin beziehungsweise Hyoscyamin, Amphetaminen, Trizyklischen Antidepressiva, Phenothiazinen, Benzodiazepinen und Antihistaminika eingesetzt werden. Zu den typischen Unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) aller Parasympathomimetika gehören neben einer möglichen anaphylaktischen Reaktion auch Symptome wie Bradykardie, Hypersalivation (vermehrter Speichelfluss), vermehrte Schweißsekretion, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall bis hin zu Magen-Darm-Spasmen, Bronchospasmen und Hypotonie bis Kreislaufkollaps. Es bestehen Kontraindikationen (KI) bei Asthma bronchiale, schweren peripheren Durchblutungsstörungen, koronarer Herzerkrankung, Obstipation durch eine mechanische Ursache, mechanischer Harnsperre oder Morbus Parkinson.

Direkte Parasympatholytika Sie hemmen die Erregung von ACh-Rezeptoren und werden bei Spasmen der glatten Muskulatur, bradykarden Arrhythmien, COPD (engl.: Chronic Obstructive Pulmonary Disease, dt.: chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Kinetosen, bei Myasthenia gravis, Dranginkontinenz sowie Morbus Parkinson und in der Ophthalmologie als Diagnostikum eingesetzt. Zu den typischen UAW gehören neben Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen am Auge und sinkende Schweißsekretion. Kontraindikationen sind Glaukom, Benigne Prostatahyperblasie (BPH) und Tachykardie. Atropin (aus der Tollkirsche) wird als Mydriatikum eingesetzt und steht als Antidot bei Intoxikationen mit direkten und indirekten Parasympathomimetika zur Verfügung.

Scopolamin (aus dem Stechapfel) dient auch als Mydriatikum und kommt als Transdermales Therapeutisches System bei Kinetosen zum Einsatz. Pirenzepin senkt die Magensäureproduktion und kann bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren eingesetzt werden. Tropicamid ist ebenfalls ein Mydriatikum. Benzatropin findet bei stark motorischen Störungen im Zusammenhang mit Morbus Parkinson seinen Einsatz. In der COPD-Therapie steht Ipratropiumbromid für die pulmonale Applikation zur Verfügung. Trospiumchlorid wirkt bei Spasmen im Magen-Darm-Trakt und krampflösend auf Harn- und Gallenwege. Hingegen werden bei Spasmen im Urogenital-Trakt Wirkstoffe wie Mebeverin, Oxybutinin und Propiverin eingesetzt.

Alle Wirkstoffe unterliegen der Verschreibungspflicht. Die Ausnahme stellt Butylscopolaminbromid dar, welches auch in der Selbstmedikation zur Verfügung steht. Durch die chemische Veränderung ist es nicht mehr in der Lage die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Die spasmolytische Wirkung entfaltet sich vorwiegend im Magen-Darm-Trakt, an den Harn- und Gallenwegen und an der Uterusmuskulatur. Deshalb wir die Substanz sehr häufig bei Bauchschmerzen, Blasenentzündung oder auch bei Menstruationsbeschwerden eingesetzt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/18 ab Seite 52.

Bärbel Meißner, Apothekerin

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