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Die besondere Apotheke

MIT HERZBLUT

Was ihren Arbeitsplatz so besonders macht? Diana Walther, PTA in der Offenbacher „Apotheke Zum Löwen“ weiß das ganz genau: „Weil wir zehn Sprachen sprechen“ stand auf der Postkarte, mit der sie sich bewarb.

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Denn wir wollten von unseren Lesern wissen: Was macht die Apotheke, in der Sie arbeiten, so einzigartig? Dazu erreichten uns viele Mails und Postkarten – und wir, das hatten wir versprochen, wollten dann zu Ihnen kommen. Wir sprechen mit den Mitarbeitern, machen Fotos und schauen uns einfach alles an.

Aus Tradition in die Moderne Es gibt viel zu schauen, in dieser traditionsreichen Apotheke im Herzen von Offenbach am Main. Bereits die Schaufensterdekoration ist teilweise handgefertigt und gibt den Blick frei auf die hell erleuchtete, hochmoderne Offizin dahinter. Wer bei „Tradition“ an dunkel mahagonifarbene Ziehschubladen denkt, der denkt falsch. Zwölf Kassen und ein ausgeklügeltes Sortiment empfangen den Besucher – und weit und breit keine Ziehschublade zu sehen.

Denn Franziska Hoefer, Apothekerin und Chefin des Ganzen, hat längst einen Kommissionierapparat einbauen lassen. Der sorgt dafür, dass aus seinem Sortiment der 16 000 Medikamente die richtige Packung nach vorne kommt: „Unsere Mitarbeiter haben dann mehr Zeit für die Beratung“, sagt sie. Und lacht. Sie lacht viel, demzufolge lächeln auch ihre Angestellten überdurchschnittlich häufig. Das fällt auf. Der ruhige Duktus, die Begeisterung, mit der die Anwesenden ihren Beruf ausüben – das muss von irgendwoher kommen.

Die „Schaltzentrale“ Wir sitzen im Chefbüro mit dem Nachtdienst-Sofa. Ein Geburtstagskalender hängt an der Wand, ein paar persönliche Fotos. Durch die Glasscheibe schaut man in das Innere des Kommissionierers, der den riesigen Bestand beherbergt und die Medikamentenpackungen mit typischem Arbeitsgeräusch hin- und herschiebt. Der Computerbildschirm leuchtet und zeigt den aktuellen Dienstplan, ein ausgeklügeltes Tabellenwerk, das rund 70 PTA, PKA und Apothekerinnen aufeinander abstimmen muss, denn so viele sind es hier, in der Frankfurter Straße 35, direkt am Stadthof.

Über eine Handy- App können alle darauf zugreifen. Diana Walther, die PTA, die uns auf diese Apotheke aufmerksam gemacht hat, sitzt bei unserem Gespräch dabei. Man ist hier miteinander verbunden. Franziska Hoefer, die die Apotheke in vierter Generation leitet, berichtet von den Organisationsformen: Es gibt unterschiedliche Teams, sagt sie, zuständig fürs Backoffice, für den HV, die Kosmetik, das Labor, die Rezeptur, die Buchhaltung oder auch die Reinigung.

Jeder von diesen Teams hat eine Führungskraft, alle Teammitglieder dürfen Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsabläufe machen, die dann wiederum im Sechs-Wochen-Rhythmus vorgetragen werden. „Wir ändern auch gern mal ein paar Sachen“, sagt Franziska Hoefer. „Nichts ist in Stein gemeißelt.“ Regelmäßige Teamsitzungen sorgen für Informationsfluss, nur einmal pro Jahr kommt die komplette Belegschaft zusammen: „Dann wird’s aber eng“, sagt Diana Walther. Denn es gibt ja auch noch die Filialapotheke.

Konzentration auf das Personal Die Inhaberin kümmert sich mittlerweile ausschließlich um ihr Personal: „Das ist ein Full-Time-Job“. Einer muss den Überblick behalten, sagt sie. Ihre Bürotür steht jeder Kraft jederzeit offen; hier arbeiten Menschen von 16 bis 70 Jahren und Franziska Hoefer versucht, auf jeden Rücksicht zu nehmen. Und dann ist da noch die Weiterentwicklung: „Fortbildung“, sagt sie, „die liegt uns sehr am Herzen.“

Und wie ist das jetzt mit den zehn Sprachen? Diana Walther und ihre Chefin zählen auf: „Wir sprechen hier Arabisch, Englisch, Russisch, Griechisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch, Marokkanisch, Polnisch und Serbokroatisch.“ Doch dann fällt ihnen noch mehr ein: „Bosnisch, Französisch. Niederländisch. Und Thailändisch.“ Damit sind wir schon bei vierzehn Sprachen, und wenn sie noch länger nachdenken, kommen bestimmt noch ein paar mehr heraus.

Der Dienstplan ist ein ausgeklügeltes Regelwerk. Siebzig Angestellte können ihn jederzeit per App von ihrem Smartphone abrufen.

Findige Raumlösungen Es ist eine Kunst, in ein altes, winkliges Haus eine Apotheke nach gültiger Betriebsordnung zu platzieren. Diese Apotheke gibt es seit 247 Jahren. Man scheint hier das Platzproblem durch ständiges Anbauen gelöst zu haben; vier Stockwerke führen ins Backoffice, zum Gemeinschaftsraum, ins Labor, und die Buchhaltung. Alles ist charmant gelöst, das Labor und die Rezeptur vorbildlich getrennt, und das Geräuschcluster ist das eines brummenden Bienenstocks.

Vielleicht kommt diese außerordentliche Verbundenheit miteinander auch durch die wechselvolle, sehr interessante Geschichte der Apotheke: Die Gründung im Jahre 1770 durch den Obermedizinalrat Andreas Amburger, der Aufstieg zur „Fürstlich Ysenburgischen Hofapotheke“. Die Familie Merz übernimmt 1809, drei Generationen später geht es an Rudolf Otto, 1902 an Otto Boden, 1919 an Friedrich Stützel. Letzterer ist der Urgroßvater von Franziska Hoefer*. Die Apotheke überstand zwei Weltkriege und ein Bombardement, bei der sie in Schutt und Asche gelegt wurde. Heute steht sie, wiederaufgebaut, am alten Platz, und scheint das bewahrt zu haben, was sie immer auszeichnete: Sie wird mit Herzblut geführt.

Ausgeklügelt Unten in der Offizin, die so ganz anders aussieht als noch unter dem Urgroßvater, hält die moderne Technik den Rücken frei: Die Sichtwahl ist mit digitalen Preisschildern bestückt, es wird automatisch nachbestellt; verlangt ein Kunde eine Rezeptur, kann die Angestellte an der Kasse über den Computer direkt in den Produktionsplan des Labors schauen und dem Kunden einen Abholtermin mitteilen. Die Kosmetik hat einen eigenen Bereich; Diana Walther gehört zu diesem Team und kennt sich inmitten der 25 Produktlinien bestens aus.

Wie geschichtsträchtig dieser Ort ist, bestätigt auch ein Blick in die Abenddämmerung vor der Tür: Dort steht das Denkmal, das auf ein Offenbacher Sprichwort gemünzt ist. Der Legende nach wurde hier einst ein Frankfurter Bürger von frei laufenden Hunden angefallen; als er sich bückte, um einen Stein aufzuheben, um nach ihnen zu werfen, war der festgefroren. „Krieh die Kränk, Offebach! Die Staa binne se aa, die Hunde lasse se laafe!“ soll er gerufen haben. Der Angegriffene blickt dabei hilfesuchend über die Schulter. Gut möglich, dass er damals in die „Apotheke zum Löwen“ geflüchtet ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 128.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion

* Mehr auf https://www.apo-zum-loewen. de/ueber-uns/geschichte/

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