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Heilpflanzen

MISTEL

Besonders im Winter kommen die kugeligen Büsche der Mistel auf den Ästen kahler Bäume zum Vorschein. Sie sind schon von Ferne gut sichtbar und lösen immer wieder eine gewisse Faszination aus.

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Die weißbeerige Mistel gehört zur Familie der Leinblattgewächse und ist ein immergrüner Halbschmarotzer, der in Europa, Asien und Nordafrika auf den Ästen weichholziger Laubbäume und auf Nadelhölzern wächst.

In unseren Breiten gibt es drei Unterarten, die sich zwar äußerlich kaum unterscheiden, aber immer nur auf bestimmten Wirtsbäumen gedeihen: Die Laubholzmistel (Viscum album ssp. album), die Kiefernmistel (Viscum album ssp. austriacum) und die Tannenmistel (Viscum album ssp. abietis). Mit speziellen Saugwurzeln dringt die Mistel in das Holz ihres Wirtsbaumes ein und zapft seine Leitungsbahnen an, aus denen sie sich mit Wasser und darin gelösten Mineralsalzen versorgt.

Verbreitung über Vögel Misteln sind zweihäusig, das heißt, es gibt rein weibliche und rein männliche Pflanzen. Ihre Blütezeit erstreckt sich von Februar bis in den Mai hinein. Die unscheinbaren gelbgrünen Blüten stehen endständig zu dritt oder fünft dicht gedrängt in Trugdolden. Aus ihnen reifen im Dezember die weißen Beeren heran, die den Vögeln als wertvolles Futter den ganzen Winter über zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sorgen die Früchte für die Verbreitung der Pflanze.

KREBSTHERAPIE
Parenterale Darreichungsformen der Mistel dienen zudem zur adjuvanten Therapie bei Tumorpatienten. Neben phytotherapeutischen Extraktpräparaten zur begleitenden unspezifischen Reiztherapie werden anthroposophische, wirtsbaumspezifische Präparate zur Krebsbehandlung eingesetzt. Vor allem sollen enthaltende Lektine und Viscotoxine die Lebensqualität verbessern, Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie reduzieren sowie immunstimmulierende und zytostatische Wirkungen aufweisen.

Da das Fruchtfleisch der Beeren sehr klebrig ist, bleibt ein Teil davon mitsamt der Samen am Vogelschnabel haften und wird anschließend beim Wetzen desselben auf Zweigen oder Ästen des künftigen Wirtsbaums verteilt. Zudem werden die Samen von einer unverdaulichen Schale umhüllt, sodass sie mit dem Vogelkot wieder ausgeschieden werden und auf den Bäumen festkleben.

Dieser Vogelleim hat der Pflanze auch ihren Gattungsnamen gegeben, der lateinisch viscum = Leim bedeutet. Der deutsche Name Mistel rührt ebenso vom Vogelmist her. Er stammt vom althochdeutschen Wort mistil, das für Mist steht.

Gabelige Wuchsform Die Pflanze entwickelt sich sehr langsam. Zunächst bildet sich im ersten Jahr aus dem Samen eine Haftscheibe, mit der die Mistel Halt an ihrer Wirtspflanze findet. Aus dieser treibt ein Senker aus, der anschließend in den Ast eindringt. Erst im nächsten Frühjahr entfalten sich dann die Keimblätter, aus denen sich das erste Laubblattpaar bildet. An der Stängelgabelung wächst pro Jahr etagenweise eine paarige Verzweigung, also ein neuer Stängel mit einem neuen Blattpaar und einem Blütenstand. Bis die Mistel ihre kugelige Form erhält, vergehen viele Jahre. Erst nach circa 30 Jahren erreichen die Pflanzen einen Durchmesser von bis zu einem Meter.

Alte Zauberpflanze Die außergewöhnliche Wuchsform und Lebensweise der Mistel faszinierte die Völker schon vor Jahrtausenden. Sowohl in der antiken als auch germanischen Mythologie erlangte die Mistel eine große Bedeutung. Sie war die goldene Zauberrute, die Aeneas, dem Stammvater der Römer, den Zugang zur Unterwelt öffnet. In den skandinavischen Götter- und Heldensagen, der Edda, tötete ein Mistelzweig den Sonnengott Baldur. Nach Aufzeichnungen von Plinius huldigten die Druiden, die keltischen Priester, die Mistel als die heiligste aller Pflanzen. Sie durfte nur an einem bestimmten Tag im Monat mit einer goldenen Sichel gesammelt werden.

Die Verehrung für die Mistel hielt über viele Jahrhunderte bis in die gegenwärtige Zeit hinein an. Im alten Brauchtum war sie vor allem ein Abwehrzauber, der böse Geister und Unglück fernhielt. Zudem galt sie als eine friedensstiftende Pflanze. Heute wird sie als Liebes- und Glücksbringer angesehen und schmückt besonders zu Weihnachten viele Wohnungen.

Auch früher schon Heilpflanze Alte Heilkundige der Antike verwendeten die Mistel bereits als Heilmittel gegen Epilepsie und Schwindelanfälle. Im Mittelalter wurden diese Anwendungsgebiete in die Kräuterbücher übernommen und durch weitere Indikationen ergänzt. So war sie ein Mittel gegen Geschwüre und eitrige Wunden oder wurde gegen Gicht und Brustbeschwerden empfohlen.

Später erlangte die Mistel bei Erkrankungen des Kreislaufsystems Bedeutung und auch die heutige Volksheilkunde schreibt einem Teeaufguss aus Mistelkraut traditionell eine blutdrucksenkende Wirkung zu, wofür allerdings keine Wirksamkeitsbeweise vorliegen. Bei parenteraler Applikation konnten hingegen lokal reizauslösende Wirkungen festgestellt werden, worauf sich die Zulassung von Mistelextrakten zur Behandlung degenerativ-entzündlicher Gelenkerkrankungen begründet.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/14 ab Seite 48.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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