Eine Grafik verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den Bakterien im Magen-Darm-Trakt und dem menschlichen Gehirn.© ChrisChrisW / iStock / Getty Images Plus
Darm-Bakterien fürs Gehirn: Psychobiotika sollen einen positiven Effekt auf die mentale Gesundheit haben.

Mikrobiom

PSYCHOBIOTIKA – BAKTERIEN FÜRS GEHIRN

Dass Probiotika, also nützliche Bakterien, den Darm unterstützen, wissen wir. Auch der Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiom und unserer Gesundheit ist zunehmend bekannt. Psychobiotika sollen nun die mentale Gesundheit bessern, etwa bei Depressionen. Geht das?

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Forschende in den USA haben bereits vor zehn Jahren den Begriff Psychobiotika definiert. Damit ist eine spezielle Klasse von Probiotika gemeint, deren Einnahme gezielt positive Effekte auf die mentale Gesundheit haben soll. Doch es gibt (begriffliche) Unklarheiten.

Eine aktuelle Studie der Mikrobiologin Richa Sharma von der University of Delhi in Indien kommt zu durchweg positiven Ergebnissen. Sie bescheinigt den untersuchten Bakterien ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten. An der University of Oxford gibt sich ein Team zurückhaltender. Es seien zu viele Fragen offen.

Was sind Psychobiotika und wie wirken sie?

Die Wissenschaftler in Oxford haben viele unterschiedliche Forschungsergebnisse im Bereich Psychobiotika bewertet. Ihrer Meinung nach zählen auch Präbiotika dazu. Hierbei handelt es sich um Stoffe, die bei der Fermentierung im Darm gezielt die nützlichen Darmbakterien unterstützen, quasi Futter für die Bakterien.

Viele positive Effekte konnten durch die Gabe von Pro- und Präbiotika nachgewiesen werden, so die Regulation des Neurotransmitter-Haushaltes und die Senkung proinflammatorischer Zytokine. Letztere spielen nachgewiesenermaßen eine Rolle in der Entstehung von Depressionen. Insgesamt zeigten sich für viele neurologische und neurodegenerative Erkrankungen positive Effekte durch die Anwendung von Psychobiotika.

Gute Ergebnisse, aber…

Das Problem an vielen Untersuchungen: Sie wurden in Mäusen oder Ratten durchgeführt. Studien an Menschen wurden erst jüngst entwickelt und erbrachten gemischte Ergebnisse. Nahmen auch gesunde Probanden an den Studien teil, waren die positiven Wirkungen kaum bis gar nicht erkennbar. Bei Betroffenen von Angststörungen oder leichten Depressionen stellte sich aber eine Symptomlinderung ein. 

Das Team aus Oxford gibt zu bedenken, dass sich die Ergebnisse aus Tierversuchen nur bedingt auf Menschen übertragen lassen. Zudem seien die Untersuchungsergebnisse oft sehr spezifisch für einen bestimmten Bakterienstamm. Die unüberschaubare Zahl an zur Verfügung stehenden Bakterienarten mit unzähligen Stämmen macht die Datenlage unübersichtlich. Viel weitere Forschung in Form von klinischen Studien wird nötig sein.

Fehlende Daten, fehlende Regeln

Die rechtliche Lage erschwert eine Bewertung des konkreten Nutzens von Psychobiotika zusätzlich. Sie sind weder als Arzneimittel, noch als traditionelles Arzneimittel oder Medizinprodukt eingestuft. Wegen fehlender gesetzlicher Regelungen kann man viele Produkte teils im Internet bestellen, die mit großen Versprechungen locken – und das ist nicht verboten. Laut Richa Sharma fehlen oft wissenschaftliche Belege für die Werbeaussagen.

Lediglich die Sicherheit bei der Einnahme der Produkte ist meist gewährleistet. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollte man allerdings aufpassen: Es drohen lebensgefährliche Infektionen durch die Einnahme der Produkte.

Welche Wirkungen von Psychobiotika sind wissenschaftlich gesichert?

Die Wissenschaftler sind sich einig, dass das Darm-Mikrobiom einen direkten Einfluss auf die Darm-Hirn-Achse ausübt. Das bedeutet: die richtigen Bakterien sind dafür verantwortlich, dass die Balance der Neurotransmitter kontrolliert und so die Funktion nicht nur des Darms, sondern auch die des zentralen Nervensystems gewährleistet wird. Die Darmbakterien produzieren selbst oder unterstützen die Produktion wichtiger Botenstoffe.

Möglicherweise hat das Mikrobiom auch Einfluss auf die Entwicklung der für Funktion und Versorgung der Nervenzellen wichtigen Gliazellen. Die weitere Forschung wird zeigen, welchen Einfluss welche Psychobiotika genau haben können und wie man sie am besten einsetzt.

Quellen:
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/42932-psychobiotika-futter-fuer-die-seele
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006322313004083
Sharma, R., Gupta, D., Mehrotra, R. et al. Psychobiotics: „The Next-Generation Probiotics for the Brain“, Current Microbiology, 4. Januar 2021. https://link.springer.com/article/10.1007/s00284-020-02289-5
Sarkar A, Lehto SM, Harty S, Dinan TG, Cryan JF, Burnet PWJ: „Psychobiotics and the Manipulation of Bacteria-Gut-Brain Signals“, Trends in Neuroscience, November 2016. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5102282/
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S016503271731488X

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