Filmklappe © Fernando Gregory / 123rf.com
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Kino – Schon gesehen?

MEIN LEBEN OHNE MICH

Isabel Coixet erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die wegen ihres Eierstockkrebses nur noch wenige Wochen zu leben hat. In der verbleibenden Zeit nimmt sie Abschied von sich selbst.

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Ann steht einfach so im Regen. Noch vor ein paar Tagen hätte sie sich nicht vorstellen können, dass sie jemals barfuß im Nassen verharrt und die Begrenzung ihrer Zeit bewusst spürt. Zuvor war die Welt einigermaßen in Ordnung: Ann lebt mit ihrer Familie in einem Wohnwagen auf dem Grundstück ihrer ewig unzufriedenen Mutter, deren Mann (Alfred Molina) eine Haftstrafe absitzt.

Sie arbeitet mit ihrer Kollegin Laurie (Amanda Plummer) nachts als Putzfrau in der Universität, kümmert sich um ihre beiden Töchter, holt ihre Mutter (Deborah Harry) regelmäßig von der Arbeit ab und drückt an jenem Tag ihrem arbeitslosen Mann Don (Scott Speedman), der einen Vorstellungstermin für einen neuen Job wahrnimmt, die Daumen. Als sie unerwartet vor Schmerzen zusammenbricht, bringt ihre Mutter sie sofort in die nächstgelegene Klinik, wo sie sich einer Ultraschalluntersuchung unterzieht.

Während der Warterei auf das Ergebnis ist Ann unruhig, schließlich muss sie endlich los, um ihre Mädchen vom Kindergarten abzuholen. Ihre erste Tochter bekam die junge Frau bereits mit 17 Jahren, die nächste kam, als sie 19 Jahre alt war. Nun, im Alter von 23 Jahren, hat sie das Leben eigentlich noch vor sich.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte
Krankheitsthemen vor:
+ Fleisch (Organspende)
+ Anschlag auf den Präsidenten (Ebola)
+ Grüne Tomaten (Krebs oder Wechseljahre)
+ Medicus (Pest)
+ Freundinnen (Kardiomyopathie)
+ Contagion (Viruserkrankungen wie Sars)
+ Beim Leben meiner Schwester (Leukämie)
+ The Bay (Endoparasitenplage)
+ Million Dollar Baby (Querschnittslähmung)
+ Wenn der Wind weht (Strahlenkrankheit)

Stattdessen erhält sie von Dr. Thompson (Julian Richings) die Hiobsbotschaft, dass ihre Eierstöcke von Tumoren befallen sind und sich in der Leber bereits Metastasen befinden. Sie habe höchstens noch zwei Monate zu leben. Wäre sie 20 Jahre älter, könnte man sie eventuell operieren, doch derzeit vermehren sich die Zellen noch zu rasch. Auf die vernichtende Prognose reagiert Ann erst einmal gefasst, so als würde es sich um den baldigen Tod einer fremden Person handeln. Dr. Thompsons Ingwerbonbon lutschend verlässt sie wie in Trance das Krankenhaus und entscheidet für sich, mit niemandem über die Todesdiagnose zu sprechen.

Sie fasst einen einsamen Entschluss: In der verbleibenden Zeit möchte sie sich noch ein paar Wünsche erfüllen und für ihre Familie die Zeit nach ihrem Tod vorbereiten. Wenige Tage später schreibt Ann in einem Café eine Liste mit Dingen, die sie noch erledigen muss, bevor sie stirbt.

Sie möchte für ihre Töchter Geburtstagsgrüße für die nächsten Jahre auf Tonband aufzeichnen und für Don eine neue Frau suchen, die ihren Kindern gleichzeitig eine Ersatzmutter sein kann. Außerdem wünscht sie sich, einen anderen, fremden Mann zu finden, um noch einmal Liebe und Zärtlichkeit zu spüren – denn bisher gab es in ihrem Leben nur Don. Sie hat vor, ihren Vater im Knast zu besuchen, ihre Haare zu verändern und noch einmal zum Strand zu fahren und zu picknicken. Ihr Vorhaben, einen Mann kennenzulernen, überlässt Ann ganz alleine dem Schicksal.

Als sie eines Nachmittags im Waschsalon sitzt, trifft sie Lee (Mark Ruffalo), der sie damals schon im Café beobachtet hat. Er holt Ann einen Kaffee, doch als er zurück kommt, liegt sie dort und schläft. Behutsam legt er seine Jacke über sie, damit Ann nicht friert. Später findet sie seine Telefonnummer auf einem Zettel in ihrem Wäschesack. Die beiden verabreden sich bei Lee und sprechen über Gott und die Welt. Während sie zusammen im Auto sitzen und Musik hören, fordert Ann Lee schließlich auf, sie zu küssen. Lee hat sich längst in Ann verliebt und möchte „bis ans Ende seines Lebens mit ihr zusammen sein“.

Während sich ihre Kollegin Laurie permanent mit Diäten quält, wird Ann durch ihre Krankheit immer dünner. Beim nächsten Arztbesuch teilt sie Dr. Thompson mit, dass sie keine Behandlung mehr über sich ergehen lassen wird, weil sie nicht vor hat, im Krankenhaus zu sterben. Gleichzeitig vertraut sie ihm die aufgenommenen Kassetten für die zukünftigen Geburtstage ihrer Töchter an. Dr. Thompson gibt ihr Schmerzmittel mit nach Hause und drückt ihr noch jede Menge Ingwerbonbons in die Hand.

Im Nebenhaus zieht eine neue Nachbarin (Leonor Watling) ein, die sich gut mit den beiden Kindern versteht und zufällig auch Ann heißt. Ann lädt sie zum Essen ein und bemerkt, dass auch ihr Mann gut mit der neuen Freundin klar kommt. Daher plant sie diese als ihre Nachfolgerin ein. Nach wie vor arbeitet sie ihre To-do-Liste ab, bespricht auch Kassetten für Don, auf denen sie ihm erklärt, warum sie ihre Krankheit verschwiegen hat. Sie redet viel mit ihrer Mutter, besucht ihren Vater im Gefängnis und trifft sich häufig mit Lee. Durch ihn ahnt sie nun, was Liebe bedeuten kann. Leise und still verschwindet Ann schließlich aus dem Bild. Man sieht sie nicht mehr, nur ihre Stimme erzählt, wie sich nach ihrem Tod alles gefügt hat.

Tückisch und lebensbedrohlich Das Ovarialkarzinom ist einer der aggressivsten Tumoren überhaupt. Meist wird es spät entdeckt, denn es hat im Becken und in der Bauchhöhle genug Platz zum Wachsen, bevor die ersten Symptome auftreten. Diese äußern sich dann in Form von anhaltenden Schmerzen im Becken, unspezifischen Verdauungsbeschwerden, Problemen beim Geschlechtsverkehr, allgemeiner Abgeschlagenheit, Blutungen außerhalb der Monatsregel sowie in einer Zunahme des Bauchumfangs.

Eierstockkrebs wird meistens durch eine Operation mit anschließender Chemotherapie behandelt, Bestrahlungen kommen bei dieser Krebsform nur selten zum Einsatz. Das Besondere beim Ovarialkarzinom ist, dass die Diagnose in vielen Fällen erst während der Operation gestellt werden kann. Ohne eine endgültige Gewissheit zu haben, werden die Organe also unter Umständen schon entfernt.

Trotz fortgeschrittener Erkrankung ist durch diese chirurgische Maßnahme eine Genesung möglich, vorausgesetzt man beseitigt das Karzinom vollständig. Rezidiviert der Tumor nach einer abgeschlossenen Behandlung, ist das Leiden in der Regel nicht mehr heilbar. In diesem Stadium gehören zu den Therapiezielen, das Wachstum des Geschwürs zu begrenzen, die Beschwerden zu reduzieren und das Leben des Patienten zu verlängern.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 ab Seite 102.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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