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Allergien

MEHR ALS EIN LÄSTIGES UNKRAUT

Die Pflanze sieht harmlos aus, aber hat es in sich: Ambrosia kann bereits in geringen Mengen zu heftigen allergischen Reaktionen führen. Jeder sollte mithelfen, ihre Ausbreitung einzudämmen.

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Allergien sind generell auf dem Vormarsch: In Deutschland sind bei 45 Prozent der 18- bis 29- Jährigen Antikörper gegen Aero- und Nahrungsmittelallergene nachweisbar. Ein zunehmendes Problem ergibt sich durch die Pflanze Ambrosia artemisiifolia (Aufrechtes Traubenkraut, Beifußblättriges Traubenkraut), die zur Familie der Korbblütler zählt und ursprünglich aus Nordamerika stammt. Die Pflanzengattung Ambrosia umfasst mehr als 40 verschiedene Arten, wobei Ambrosia artemisiifolia als besonders allergieauslösend gilt.

Sie verfügt über ein effektives System, denn bereits eine Pflanze verbreitet unzählige Pollen. Genauer gesagt, birgt eine einzige Ambrosia-Staude bis zu einer Milliarde Pollen, die bereits in sehr geringer Konzentration schwere allergische Symptome hervorrufen. Zum Vergleich: Birkenpollen müssen in der zehnfachen Menge vorliegen, um eine derartige Reaktion auszulösen. Zu den allergenen Trendpflanzen gehören neben dem Aufrechten Traubenkraut Gewächse wie Baumhasel, Zypresse, Japanische Zeder oder auch der Olivenbaum im Kübel.

Es wächst und gedeiht Ambrosia wird zwischen 30 und 150 Zentimeter groß und kennzeichnet sich durch fingerartige, grüngelbe Blütenstände mit kleinen unscheinbaren Blüten. Bei Berührung der Pflanze kann es zu Kontaktallergien kommen, außerdem rufen ihre Pollen Atemwegserkrankungen wie Heuschnupfen oder allergisches Asthma hervor. Bislang wurden Ambrosia-Bestände im Süden und Osten Deutschlands gesichtet, die Pflanze wächst besonders stark in Ungarn oder im Po-Delta und wird über die Region Freiburg oder über die östliche Route Richtung Potsdam nach Deutschland übertragen. Hierzulande verbreitet sich Ambrosia unter anderem durch Verunreinigungen im Vogelfutter, daher sollten Bereiche rund um das Futterhäuschen besonders unter Beobachtung stehen. Die Blütezeit des Unkrauts liegt zwischen Juli und Oktober, Allergiker haben dann mit entsprechenden Beschwerden zu kämpfen.

Ambrosia ausrotten Eine weitere Ausbreitung von Ambrosia würde zu einem starken Anstieg an Allergien führen, sodass es von besonderer Bedeutung ist, die Beifuß-Ambrosia zu bekämpfen. Wer die Pflanze im Garten entdeckt, sollte sie am besten mitsamt ihrer Wurzel beseitigen. Dabei empfiehlt es sich, Gartenhandschuhe und bei blühenden Ambrosien zusätzlich einen Mundschutz zu tragen. Das gerupfte Unkraut entsorgt man nicht auf dem Kompost, in der Biotonne oder mit der Grünabfuhr, sondern gut verpackt in einer Plastiktüte im Restmüll. Raten Sie Ihren Kunden, Ambrosia-Fundstellen noch einige Zeit zu beobachten, denn unter Umständen keimen weitere Samen.

Der Vergleich zweier Städte an der italienisch-schweizerischen Grenze zeigt, wie effektiv Gegenmaßnahmen gegen die Ausbreitung von Ambrosia sind: Lediglich 46 Kilometer Luftlinie bestehen zwischen den Städten Lugano im Kanton Tessin und Legnano bei Mailand. Während die Pflanze in Lugano bekämpft wird, kümmert sich Italien nicht um die Beseitigung des Krautes. Das Ergebnis: Die Pollenbelastung in Lugano ist seit den letzten Jahren niedrig und stabil, in Legnano hingegen sind die Messwerte seit Mitte der 1990er Jahre deutlich angestiegen.

Große Bestände melden Das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen rät dazu, umfangreichere Bestände ab rund 100 Pflanzen beim örtlichen Umwelt-, Grünflächen- oder Pflanzenschutzamt zu melden, denn in einigen Bundes- ländern wie beispielsweise in Bayern gibt es Aktionsprogramme gegen Ambrosia. Während man einzelne Pflanzen mit der Hand aus der Erde entfernt, müssen größere Bestände in der Regel abgemäht werden. Wichtig ist, das Kraut zu beseitigen, bevor es blüht und zur Samenreife gekommen ist, damit sich die Pollen und Samen nicht ungewollt verbreiten. Um die Ambrosia einzudämmen, können auf Feldern und Äckern auch andere Pflanzenarten um das Unkraut herum gepflanzt werden. Die gezielte Beseitigung des Gewächses ist aus medizinischer Sicht dringend erforderlich.

Jahrelange Latenzzeit Bis durch die vermehrte Verbreitung die ersten Allergien auftreten, vergehen oft 3 bis 15 Jahre, daher wird die Ambrosia-Gefahr häufig unterschätzt. 2002 fand man bei etwa 25 Prozent der Allergiker, die in Legnano ein Krankenhaus aufsuchten, Antikörper gegen Ambrosia, sieben Jahre später waren bei 70 Prozent der Atopiker Antikörper nachweisbar.

Typische Symptome einer Allergie Nach der Sensibilisierung entwickeln sich allergische Beschwerden, die gelegentlich mit einer Erkältung verwechselt werden. Die Atemwege sind gereizt, die Nase läuft, die Augen sind geschwollen, die Schleimhäute in der Nase sind ebenfalls gereizt und es kommt mitunter zu Hautreaktionen wie Rötungen, Ausschlag oder Pusteln. Kunden, die im Herbst verstärkt unter allergischen Reaktionen leiden, sollten sich beim Arzt auf eine Ambrosia-Allergie untersuchen lassen.

Für die Therapie der allergischen Rhinitis oder des allergischen Asthmas durch Ambrosia gelten die gleichen Empfehlungen wie für Rhinitis und Asthma, die durch andere Pollenarten hervorgerufen werden. Betroffene sollten sich über das Allergen und sein Auftreten informieren und die Pollen, wann immer es geht, meiden (zum Beispiel durch eine angepasste Urlaubsplanung oder Pollengitter vor den Schlafzimmerfenstern). Zur akuten Behandlung eignen sich unter ande- rem Antihistaminika sowie nasales oder inhalatives Cortison. Die spezifische Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung genannt, ist die einzige Möglichkeit den Verlauf der Allergie zu beeinflussen: Je früher man damit beginnt, umso effektiver die Linderung.

Mehrfachbelastung Bei Kunden mit Kreuzallergien werden Allergien nicht nur durch das jeweilige Pollenallergen ausgelöst, sondern auch durch ähnliche Allergene, die zum Beispiel in Nahrungsmitteln vor- kommen. Personen, die auf Beifuß oder Ambrosia reagieren, zeigen oft auch allergische Symptome auf Melone, Banane, Gurke, Petersilie, verschiedene Gewürze oder Sellerie. Die unerwünschten Begleiterscheinungen reichen von Missempfindungen im Mund bis hin zu schweren allergischen Reaktionen. Gekochtes oder gebackenes Obst oder Gemüse führen allerdings nicht zu Beschwerden, da die Allergene durch Hitze zerstört werden.

Gefahr am Straßenrand Wissenschaftler des Helmholtz-​Zentrums in München haben herausgefunden, dass die Pollen der Ambrosia an manchen Stellen noch allergener wirken. An Straßenrändern, an denen die Ambrosia häufig wuchert, ist das allergische Potential erhöht, da das Stickstoffdioxid aus den Abgasen die Protein-Zusammensetzung der Pollen verändert. Außerdem fanden die Wissenschaftler ein Protein, das speziell im Zusammenhang mit erhöhten Stickstoffdioxid-Werten auftritt und bislang als Ambrosia-Allergen unbekannt war. Laut Studienleiterin Dr. Ulrike Frank ist damit zu rechnen, dass die ohnehin schon aggressiven Ambrosia-Pollen durch die Luftverschmutzung in Zukunft noch schädlicher werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 104.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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