Hund hält Nase an Futter© Chalabala / iStock / Getty Images Plus
Der Nobelpreisträger Iwan Petrowitsch Pawlow hat das Prinzip der klassischen Konditionierung entdeckt. Er hat bewiesen, dass die Speichelproduktion eines Hundes nicht erst mit dem Fressvorgang beginnt, sondern bereits beim Anblick der Nahrung.

Medizingeschichten

HUNGRIGE HUNDE UND KLASSISCHE KONDITIONIERUNG

Wohl jeder von uns hat schon einmal von den „Pawlowschen Hunden“ gehört. Hat Bilder von sabbernden Fellnasen vor Augen, die nach Futter gieren. Jener, der dieses Prinzip der klassischen Konditionierung entdeckt hat, wurde heute vor 172 Jahren, am 14. September 1849, geboren: Iwan Petrowitsch Pawlow.

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Als Kind war er einmal auf den Kopf gefallen – nämlich die Treppe herunter in seinem Elternhaus -doch das hielt ihn nicht davon ab, eine riesige wissenschaftliche Leistung zu vollbringen. Vier Jahre lang konnten seine Eltern ihn nicht in die Schule schicken, doch das holte der wissensdurstige Junge später alles wieder auf: zuerst in einer geistlichen Lehranstalt, dann in einem Seminar. Pawlow war das Kind eines russisch-orthodoxen Priesters und hatte zehn Geschwister.

Im Seminar hatte er unbegrenzten Zugang zu Büchern und Zeitschriften, was den Jungen faszinierte. Mit 20 zog Pawlow zu seinem jüngeren Bruder nach St. Petersburg, fing an, Juristerei zu studieren, allerdings nur 17 Tage lang. Dann schrieb er sich in der physikalisch-mathematischen Fakultät ein. Chronischer Geldmangel hielt die Brüder in Atem; sie brachten sich mit Nachhilfestunden durch. Das liebe Geld war immer ein Thema; der Wissenschaftler, der später weltberühmt wurde, bezahlte oft genug die Versuchstiere aus eigener Tasche – und konnte sich mit seiner jungen Frau nicht einmal eine Wohnung leisten. So schlief er im Labor und sie bei ihrem Schwager. Wirklich wahr.
 

Experimentelle Physiologie

Physik und Mathe sollten es dann auch nicht sein; nach einem Jahr ging es in die Physiologie, ein Studienfach, das damals auch die Psychologie umfasste. Hier sollte Pawlow sein Lebensthema finden, denn bei seinem neuen Lehrer handelte es sich um Konstantin Ustimowitsch, dessen Laboratorium in Russland eins der ersten war, das sich der experimentellen Physiologie widmete. Nach seiner Promotion schnupperte Pawlow auch bei Wissenschaftlern in Deutschland, und zwar in Leipzig und Breslau. 

1891 dann folgte Pawlow der Einladung des Kaiserlichen Instituts für Experimentelle Medizin in St. Petersburg, das neue Laboratorium für Physiologie einzurichten und zu leiten. Der inzwischen Habilitierte befasste sich fortan mit Vorliebe mit Forschungen rund um den Verdauungstrakt, die damit zusammenhängende Sekretion und deren nervale Steuerung. Und jetzt kommt die Sache mit den Hunden. Er hat viele Experimente mit ihnen gemacht, aber eines ist der Allgemeinheit besonders im Gedächtnis geblieben.
 

Ein Nobelpreisträger

Iwan Pawlow hat bewiesen, dass die Speichelproduktion eines Hundes nicht erst mit dem Fressvorgang beginnt, sondern bereits beim Anblick der Nahrung. Dazu hat er ihn konditioniert. Zuerst ertönte nur eine Glocke. Dann folgten mehrere Durchgänge, bei denen erst die Glocke erklang und dem Hund anschließend Futter gezeigt wurde (der Hund fing an zu sabbern). In Phase drei  reichte dann die Glocke, um den Speichelfluss des Hundes in Gang zu setzen. 

Der russische Forscher hatte das Tier mit einem eigentlich neutralen Reiz zu einem konditionierten (erlernten) Reflex veranlasst. Der Wissenschaftler hatte somit gezeigt, wie neue Reflexe durch Verbindung mit angeborenen erlernt werden können. Pawlow forschte noch munter weiter (er zeigte unter anderem die Flexibilität des zentralen Nervensystems und deren Störungen, erzeugte und heilte Neurosen), aber mit diesem Versuch wurde er unsterblich – und erhielt später den Nobelpreis.
 

Wissenschaftler mit Leib und Leben

Er hatte die Sache durchgezogen, war ein leidenschaftlicher Wissenschaftler. Oft war es so kalt in seinem Labor, dass er nur mit Mantel und Mütze arbeiten konnte. Versuchstiere erfroren ihm. Wenn der Strom ausfiel, musste er unter dem Licht hölzerner Fackeln arbeiten. Mit 72 Jahren veröffentlichte er sein letztes, 40. Buch, erst mit 80 trat er ein wenig kürzer. 

Und kurz vor seinem Tod mit 87 Jahren schrieb er in einem Brief: „Denkt daran, dass die Wissenschaft vom Menschen das ganze Leben verlangt, und hättet ihr zwei Leben, sie würden nicht ausreichen. Seid leidenschaftlich in eurer Arbeit und in euren Forschungen. Lernt, sammelt Tatsachen, häuft Tatsachen an. Die Tatsachen sind die Luft des Gelehrten; ohne sie kein Aufstieg, ohne sie bleiben eure Theorien leere Bemühungen.“

Quellen:

„Harenberg Lexikon der Nobelpreisträger. Alle Preisträger von 1901 bis heute. Ihre Leistungen, ihr Leben, ihre Wirkung“, Harenberg Lexikon Verlag 2000
https://landarzt-ditzum.com/2007/07/28/iwan-petrowitsch-pawlow/
 

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