Teddybär © catalinr / iStock / Getty Images
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Bücher, von denen man spricht

MEDIZIN – ENDLICH VERSTÄNDLICH

Es gibt Menschen, die können’s einfach. Zum Beispiel erklären. Dr. Johannes Wimmer, bekannt aus dem Fernsehen, fängt bei Pillen an, hört beim Arztlatein auf und erreicht eines: dass Medizin endlich verständlich wird.

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Wir PTA kennen das ja: Wir erklären dem Kunden, der vor uns steht, geduldig, wie das wirkt, das da auf dem Rezept steht und dass ein Glas Milch zum Cefuroxim keine so gute Idee ist. Eine Grapefruit zum Benzo auch nicht. Betablocker kann man nicht mal nehmen und mal nicht; dazu hilft es zu wissen, wie die überhaupt funktionieren.

Alles, wofür wir keine Zeit haben Aber ach, da ist ja noch so viel anderes. Wie man es fertigbringt, sich gesund zu ernähren und dabei auch satt zu werden, das ist nicht in ein paar Minuten erzählt. Und ob eher Yoga, Zen-Meditation oder ein heißes Bad für den Stressabbau förderlich sind, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wo man im Internet nachschauen kann, wenn man den Verdacht hat, dass man sich einem Burnout nähert. All das erklärt nun dankenswerterweise der TV- (und richtige) Arzt Dr. med. Johannes Wimmer, der einst mit YouTube-Videos nach dem Nachtdienst anfing und nun beim Bestsellerautor mit eigener Fernsehsendung angekommen ist. Er möchte nämlich vermeiden, dass Patienten das Behandlungszimmer verlassen und ihnen vom Ärztegeschwurbel des Doktors der Kopf rauscht.

Was eine Gonarthritis oder eine Hyperinsulinämie ist, bleibt ihnen verborgen; nur dass der Doc gegen ersteres eine Operation empfiehlt und gegen zweites dicke orangefarbene Tabletten, von denen man Durchfall bekommt… also lassen sie die OP sein und die Tabletten nehmen sie auch nicht. So wie die Dame, die Johannes Wimmer in der Notaufnahme wegen lebensbedrohlicher Blutdruckschwankungen behandelte. Da auf ihrem Medikationsplan ziemlich harte Blutdrucksenker standen, gab das Ärzteteam noch stärkere. Woraufhin die Dame reanimiert werden musste; der Blutdruck sank in den tiefsten Keller. Sie hatte nämlich nie auch nur eine einzige Tablette genommen, die ihr Arzt ihr verschrieben hatte, sondern sie zu Hause gehortet. Über Ibuprofen, Diclofenac und Pantoprazol Mal im Ernst: Zwischen 33 und 50 Prozent aller Patienten halten sich nicht an die vom Arzt verordnete Langzeittherapie.

Die Middle Agers (40 bis 60) nehmen an 250 Tagen im Jahr Medikamente; ab 60 sind es dann durchschnittlich 8,5 Pillen täglich. Da ist es schon super zu wissen, wie die funktionieren. Wimmer erklärt Standardpräparate wie Ibuprofen und Paracetamol, Xylometazolin, Metamizol, Dexpanthenol und Diclofenac. 16 Millionen Verordnungen gibt es zu Levothyroxin und Metoprolol, 14 Millionen zu Simvastatin und 13 Millionen zu Pantoprazol. Er erzählt auch von Präparaten, die erst im zweiten Anlauf zum Star wurden, beispielsweise Sildenafil, das eigentlich gegen Angina pectoris wirken sollte, aber an ganz anderer Stelle half, sodass es sogar einen Einbruch ins Labor gab, wahrscheinlich von einem Mann. Fluoxetin wurde als Blutdruckmittel getestet: Der Druck blieb zwar beim Alten, dafür waren die Patienten wirklich gut drauf, sodass der Wirkstoff später als Autidepressivum Karriere machte. Ein segensreiches Kapitel für uns PTA ist auch jenes mit dem Titel „Arzneimittel richtig einnehmen“.

Mal ganz ehrlich: Wussten Sie, wie man fachmännisch die dicken roten Tabletten von oben einnimmt, ohne dass sie einem im Halse steckenbleiben? Und wie die Kollegen mit der glatten Hülle, Kapseln nämlich? Auch die gemeine Tropfflasche birgt so manche Tücke (es gibt nämlich den Zentral- und den Randtropfer, und beide können einen in die Verzweiflung treiben, weil nix rauskommt, wenn man den Trick nicht kennt). Und auch mit Wirkstoffpflastern tun Menschen ja die wunderlichsten Dinge: „Ich habe in der Notaufnahme immer wieder Opioidpflaster unter der Zunge älterer Herrschaften rausziehen dürfen“, berichtet der Autor.

„Ich mache Sie zum Pillen-Profi, zum Magier der Tabletten, zum wandelnden Lexikon der Lieblingsmedikamente…“

Stress und ErnährungDr. Johannes Wimmers Leben verlief und verläuft nicht immer leicht. Das merkt man auch den Kapiteln an, die er über Stress und Ernährung schreibt. Als bekennender Zucker- und Junkfood-User in der Nacht- und Notdienstzeit weiß er um die Süßigkeitenfalle und erklärt auch, was dabei im Hirn vor sich geht. Er erklärt Ernährung nach dem Energiedichte-Prinzip und warum wir unseren Körper nicht anschubsen können, indem wir nur Salat essen: Dann wird er nämlich nicht satt. Dann lieber nach dem Farbenprinzip essen: Die gesunde Mischung aus grün (niedrige Energiedichte), gelb (mittel) und rot (hoch) macht’s. Schön zu hören, dass es bei dieser Ernährungsweise darauf ankommt, immer so viel zu essen, dass man gesättigt wird, das ist Bedingung!

Drei Hauptmahlzeiten, vier Stunden Pause dazwischen, zu Mittag ein halber Teller Gemüse, ein Viertel Kohlenhydrate, der Rest Eiweiß – so wird es was mit dem Abnehmen. Ich behaupte mal, es ist auch deshalb nachweislich ein Erfolg, da nichts wirklich verboten ist. Und ach, der Stress. Wir können ihm nicht entgehen, auch wenn das bestimmte Ratgeber suggerieren. Wir sind ihm allerdings auch nicht hilflos ausgeliefert, denn es kommt auf seine Bewertung an. Auseinandersetzen müssen wir uns allerdings – denn chronischer, lang anhaltender Stress ohne ausreichende Entspannung führt zu einer Überlastung des Organismus. Wussten Sie übrigens, dass Menschen, die unter Dauerstress leiden, um die Mitte herum immer dicker, Arme, Beine und Po hingegen immer dünner werden?

Das innere Bauchfett dient dem Gehirn nämlich als Energieaußenlager. Wieder was dazugelernt… Johannes Wimmer zählt sowohl die größten Stress-Mythen auf (#Stress macht schlank, #Faulenzen hilft, #Stress ist vermeidbar – alles Quatsch) und macht klar: Vorbeugung ist alles! Sodann folgen ein paar wirklich gute Tipps, den Stress zu handhaben und mit der Zeit Distress in Eustress zu verwandeln. Auch die „Yes, you can – Entspannungstipps“ sind äußerst hilfreich. Kaugummi kauen! Wasser trinken (erniedrigt den Cortisolspiegel)! Badewanne! Gesichts-Yoga! Sieht albern aus, aber die Übung „Grinsekatze“ funktioniert tatsächlich, allerdings ist es besser, dabei allein zu sein.

Gehört eigentlich in die Apotheke…Damit sich unsere Kunden nicht mehr im Internet aus halbseidenen Quellen informieren müssen, deren Seriosität sie nicht abschätzen können, ist dieses Buch ein supergutes Instrument. Es liest sich nicht nur flott, sondern man merkt es ihm an, dass es von einem Praktiker geschrieben wurde, der mit seinem Anliegen, zu informieren beispielsweise in seiner Sendung „Wissen ist die beste Medizin“ nicht hinterm Berg hält. Schade, dass so eine Apotheke keine Bücherecke hat. Da würde es nämlich hingehören, direkt neben das Regal mit dem Ibuprofen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/2020 ab Seite 122.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

Dr. med. Johannes Wimmer „Medizin – endlich verständlich“ gebunden, Gräfe und Unzer, 144 Seiten, 14,99 Euro ISBN 978-3-8338-7724-7

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