© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Drei Pflanzen

MAGISCHE PFLANZEN

Halluzinogene Rauschdrogen wurden schon zu allen Zeiten für rituelle und magische Rituale verwendet. Vor allem im Mittelalter gewannen sie aufgrund der ihnen nachgesagten Zauberkräfte an Bedeutung.

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Tollkirsche, Bilsenkraut und Gefleckter Schierling sind Pflanzen mit halluzinogenen Wirkungen. Bereits in der Antike wurden sie zur Bewusstseinserweiterung oder für Giftmorde verwendet. Besondere Beliebtheit erfuhren sie im Mittelalter als Rauschdrogen. Kräuterweiber, nicht selten als Hexen bezeichnet, stellten daraus für Hexenrituale obskure Hexensalben und -getränke her.

Die Anwender wurden damit in ein Delir versetzt, in dem sie erotische Träume, Halluzinationen vom Fliegen oder Tierverwandlungen erlebten. Heute machen die Pflanzen weniger als geheimnisvolle Hexenkräuter oder obskure Zaubermittel, sondern vielmehr als gefährliche Giftpflanzen negative Schlagzeilen.

Tollkirsche Atropa belladonna L. ist eine mehrjährige Staude aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), die man bevorzugt auf lichten Waldstellen in Europa und in Kleinasien antrifft. Die bis zu 1,5 Meter (m) hohe reich verzweigte Schattenpflanze besitzt bis zu 20 Zentimeter (cm) große, leicht eingerollte, eiförmig-​zugespitzte bis breitlanzettförmige Blätter. Auffälliges Merkmal sind bei den blühenden Zweigspitzen Blattpaare mit Blättern ungleicher Größe, in deren Blattachseln einzelne violett gefärbte, glockenartige Blüten oder Beerenfrüchte stehen.

Die halluzinogene Wirkung der Tollkirsche ist seit langem bekannt. Sie drückt sich bereits im deutschen Namen aus, der auf ihre Rauschwirkung, die sich in Toll- oder Wildheit äußert, verweist. Gleichzeitig greift er die toxische Eigenschaft der violett-​schwarzen, glänzenden fleischigen Früchte auf, die einer Kirsche ähneln. Ihr Genuss löst bereits bei Aufnahme geringer Mengen Vergiftungen aus. Die Tropanalkaloide (L-Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin) führen zur Pupillenerweiterung, einem trockenen Mund, Hautrötung und Überwärmung, Herzrasen, Tobsuchtsanfällen und Halluzinationen.

Bei einem Verzehr von mehr als 10 bis 20 Beeren tritt der Tod durch Koma und Atemlähmung ein. Für Kinder gelten bereits drei bis fünf Beeren als letal. Bereits in der Steinzeit wurde die Tollkirsche als Pfeilgift verwendet und auch noch später wurden unliebsame Gegner mit dem Pflanzensaft aus dem Weg geräumt. Darauf verweist auch der Gattungsname Atropa, den Linné der Tollkirsche nach der griechischen Schicksalsgöttin Atropos gab, da sie den Lebensfaden der Menschen durchschneidet. Der Artname belladonna kommt aus dem Italienischen und bedeutet schöne Frau. Er spielt auf die frühere Verwendung des Pflanzensaftes zur Vergrößerung der Pupillen an. Frauen tropften sich diesen in ihre Augen, um mit glänzenden Blicken die Männer zu betören. Viele Jahrhunderte lang galt die Pflanze als Zaubermittel, dem magische Kräfte – auch in Liebesdingen – zugeschrieben wurden.

Schwarzes Bilsenkraut Auch Hyoscyamus niger L. ist ein halluzinogenes und giftiges Nachtschattengewächs, das aus mittelalterlichen Hexenritualen für Flugvisionen bekannt ist. Zuvor spielte es bereits bei verschiedenen alten Kulturen als Räuchermittel zur Geisterbeschwörung oder Wahrsagerei eine Rolle. Das spiegelt sich auch in den Synonymen Propheten- oder Apollonienkraut, nach Apollo, dem Gott der Wahrsagerei, wider. Von den halluzinogenen Erfahrungen soll der deutsche Name Bilsenkraut herrühren, in dem die indogermanische Wurzel bhel steckt, was Fantasie bedeutet. Ebenso nimmt das Synonym Tollkraut auf die Rauschwirkung Bezug.

Die bis zu 60 cm hohe, ein- oder zweijährige Pflanze zeichnet sich durch klebrige, behaarte Stängel aus, an denen große grob-gezähnte Blätter wachsen. Von Juni bis September blüht sie mit schmutzig-gelben Blüten, die mit violetten Adern durchsetzt sind und einen röhrig-glockigen Kelch besitzen. Die eiförmige Frucht ist eine bauchige Deckkapsel, in der circa 200 kleine schwarze Samen reifen, was im Artname niger (lat. niger = schwarz) zum Ausdruck kommt. Der Gattungsname Hyoscyamus stammt aus dem Griechischen und bedeutet Schweinebohne, was sich auf die Ähnlichkeit der Samenkapsel bezieht.

In den Samen findet sich der höchste Gehalt an giftigen Tropanalkaloiden, wovon L-Hyoscyamin und L-Scopolamin die Hauptalkaloide darstellen. Ebenso enthalten die Blätter und die Wurzeln die toxischen Inhaltsstoffe. Insgesamt ist die Pflanze zwar weniger giftig als die mit dem Bilsenkraut verwandte Tollkirsche, dennoch können bereits 15 Samen für Kinder tödlich wirken. Die Vergiftungssymptome sind ähnlich wie bei Atropa belladonna und lassen sich auf die parasympatholytischen beziehungsweise anticholinergen Effekte der Tropanalkaloide zurückführen. Aufgrund der Toxizität war das Bilsenkraut auch eine beliebte Mordwaffe.

Die typischen Hexendrogen sind meist Nachtschattengewächse, wozu auch die in Gärten zu findende Engelstrompete gehört.

Gefleckter Schierling Ebenso zählt das Doldenblütengewächs Conium maculatum L. zu den typischen Hexenpflanzen, die geschätzter Bestandteil bewusstseinserweiternder Rezepturen waren. Es ist eine bis zu 2,5 m hohe, ein- bis zweijährige krautige Pflanze mit unscheinbaren schmutzig-weißen Blüten, die in 10- bis 20-strahligen Doppeldolden stehen. In der Antike hatte der Gefleckte Schierling bereits als Giftpflanze Berühmtheit erlangt. Ein Extrakt der Pflanze wurde im antiken Griechenland nicht nur für hinterhältige Giftmorde, sondern auch offiziell zur Hinrichtung von Staatsfeinden verwendet.

Berühmtes Beispiel ist die Verurteilung des griechischen Philosophen Sokrates. Er bekam im Jahre 399 v. Chr. als Todesstrafe den „Schierlingsbecher“ zu trinken, der ein Gemisch aus dem Presssaft der Schierlingspflanze und Opium enthielt. Die ganze Pflanze ist stark giftig, besonders in den unreifen Früchten befinden sich hohe Anteile des Piperidin-Alkaloids Coniin. Als tödliche Dosis gelten beim Menschen 0,5 bis ein Gramm des Alkaloids. Es wird schnell über Schleimhäute und Haut aufgenommen, sodass die Vergiftungssymptome bereits nach ein bis zwei Stunden eintreten. Zunächst zeigt sich eine kurze Erregungsphase mit Brennen im Mund, erhöhtem Speichelfluss, Erbrechen, Durchfall und Schwindel.

Danach kommt es zu einer aufsteigenden Lähmung des Rückenmarks und der Medulla oblongata, die mit einem Kältegefühl, Gefühlslosigkeit und einem verlangsamtem Herzschlag einhergeht. Der Tod erfolgt meist bei voll erhaltendem Bewusstsein durch Lähmung des Atemzentrums. Auf den Schwindel geht der Gattungsname Conium (griech. koneion = Kreisel, Schwindel) zurück, der zugleich eine Anspielung auf die Giftwirkung des Doldenblütlers sein soll. Der Artname maculatum (lat. maculatus = gefleckt) greift die braunroten Flecken auf, die sich im unteren Bereich des von blauem Reif überzogenen, fein gerillten, hohlen Stängels zeigen. Auch der deutsche Name Gefleckter Schierling nimmt auf dieses Erkennungsmerkmal Bezug.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 96.

Gode Chlond, Apothekerin

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