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MÄNNERGESUNDHEIT – TEIL 3

Im letzten Repetitoriumsteil stehen Erkrankungen des Uro-Genital-Traktes, insbesondere der Prostata und der Sexualfunktion, also „Typische Männerkrankheiten“ im Fokus.

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Männergesundheit ist weit mehr als Urologie. Die beiden ersten Repetitoriumsteile verdeutlichten dies. Dennoch widmet sich dieser dritte Repetitoriumsteil primär Erkrankungen des Uro-Genitaltraktes. Als „männer-spezifisch“ gelten Erkrankungen der Prostata (gutartige Vergrößerung, Prostatitis und Prostatakarzinom) sowie Sexualstörungen (Erektions- und Ejakulationsprobleme) und männliche Fertilitätsstörungen.

Erkrankungen der Prostata Die Vorsteherdrüse (Prostata) ist ein im gesunden Zustand etwa drei Zentimeter langes, vier Zentimeter breites und zwei Zentimeter dickes kastanienförmiges Organ unterhalb der Harnblase, das auch den Anfangsteil der Harnröhre bis hin zum Beckenboden umkleidet. An die Rückseite der Prostata grenzt der Mastdarm. Die Prostata besteht aus 30 bis 50 Einzeldrüsen, die eine milchige, trübe Flüssigkeit produzieren, die für die Beweglichkeit der Spermien sorgt und in der Harnröhre verbliebene Urinreste während des Geschlechtsaktes neutralisiert. Das Muskelgewebe der Prostata pumpt beim männlichen Orgasmus die Samenflüssigkeit in die Harnröhre. Wird die Prostata operativ entfernt, resultiert daraus immer die Zeugungsunfähigkeit des Mannes (auf natürlichem Weg). Bereits ein Viertel aller 40-jährigen Männer weist eine gut- artige Prostatavergrößerung auf, bei 80-jährigen Männern sind es gut 80 Prozent.

Alter ist somit der größte Risikofaktor für eine benigne Prostatahyperplasie (BPH, gutartige Prostatavergrößerung). Ob und wie diese behandelt wird, hängt von den objektiv erhobenen Befunden (Diagnostik: rektale Ertastung, Uroflowmetrie, Uro-Sonographie; laborchemische Untersuchungen), dem individuellen Leidensdruck des Patienten, der Schwere einer Urin-Abflussbehinderung (Stadieneinteilung; Stadium I: Dysurie, Nykturie, Startschwierigkeiten, Strahlabschwächung, kein Restharn; Stadium II: Restharn > 50 Milliliter, beginnende Dekompensation; Stadium III: Überlaufblase, Stauungsnieren, akuter Harnverhalt, postrenales Nierenversagen) ab. Statistisch entwickelt nur ein Fünftel der Betroffenen therapiebedürftige Miktionsbeschwerden. Ein acht Fragen umfassender Bogen zur Krankheit Benigne Prostatahyperplasie, der International Prostate Symptom Score (IPSS), spielt zur Abschätzung der Therapienotwendigkeit sowohl in urologischen Kliniken als auch beim Hausarzt eine wichtige Rolle.

In Stadium I wird häufig konservativ behandelt („Strategie des kontrollierten Abwartens“), medikamentös gerne durch Phytopharmaka aus dem OTC-Sortiment unterstützt. In kontrollierten Studien geprüft wurden etwa das Phytosterol Beta-Sitosterin, Kürbiskernextrakte, Sabalfruchtextrakte, Extrakte von Roggenpollen sowie Kombinationen davon. In Stadium II kommen stärker wirksame Medikamente zum Einsatz, etwa Alpha-1-Rezeptorenblocker (insbesondere Tamsulosin, Silodosin, heute seltener Alfuzosin, Doxazosin, Terazosin). Sie reduzieren die Muskelspannung in der Prostata und am Blasenhals, vergrößern dadurch den Harnfluss und verringern die Symptome deutlich. Häufigere Nebenwirkungen der aus der Bluthochdrucktherapie stammenden Substanzen sind allerdings Schwindel, Hypotonie, Orthostasereaktion, teils auch abnormaler Samenerguss (retrograde Ejakulation, das bedeutet: Samenflüssigkeit wird rückwärts in die Harnblase ausgestoßen).

5-Alpha-Reduktase-Hemmer (Finasterid, Dutasterid) verkleinern die Prostata durch Eingriff in den hormonellen Drüsenstoffwechsel. Die Beschwerden werden deutlich gelindert (allerdings wesentlich langsamer als bei Alpha-1-Blockern). Als Langzeittherapie wird das Fortschreiten der BPH gehemmt. Unerwünschte Wirkungen sind insbesondere Ejakulations-Störungen (Abnahme von Menge und Qualität des Spermas), Libidoverlust, erektile Dysfunktion (Impotenz), Brustdrüsenschwellung sowie Überempfindlichkeitsstörungen wie Hautausschlag. Als Besonderheit halbieren 5-Alpha-Reduktase-Hemmer auch den PSA-Wert (Prostata-spezifisches Antigen, ein Enzym; eignet sich als Tumormarker für Prostatakrebs) innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. Auch Muskarin-Rezeptor-Antagonisten (Antimuskarinika) werden gelegentlich zur Linderung von häufigem, unwiderstehlichem (imperativem) Harndrang bei Männern mit BPH, aber ohne Harnabflussstörung, eingesetzt.

Ebenso ab und an die bei erektiler Dysfunktion primär verwendeten PDE-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil), die auch am Harntrakt für eine Muskelentspannung sorgen und damit BPH-Symptombeschwerden lindern. Weitere Wirkstoffe werden derzeit auf ihre Wirksamkeit bei benigner Prostatahyperplasie untersucht, etwa Botulinumtoxin, das in die Prostata gespritzt werden muss. Kann die BPH medikamentös nicht mehr ausreichend behandelt werden, wird in der Regel eine Transurethrale Prostataresektion (TUR-P) durchgeführt. Eine weitere Erkrankung ist die Prostatitis, eine Prostata-Entzündung. Diese kann nach NIH (National Institute of Health, USA) akut bakteriell, chronisch bakteriell, asymptomatisch oder auch ein chronisches Beckenschmerzsyndrom sein. Keimnachweis und damit eine gezielte Antibiotikatherapie sind bei einer Prostatitis wie auch bei vielen Harnweginfekten oft schwierig. Am gefährlichsten ist jedoch das Prostata-Karzinom.

Bei den Neuerkrankungen ist es mit jährlich knapp 49 000 Fällen in Deutschland sogar der häufigste bösartige Tumor beim Mann. Seit Ende 2016 ist die überarbeitete S3-Leitlinie zur „Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms“ veröffentlicht. Bösartige Tumore der Prostata entstehen meist in der Außenzone des Organs sowie auf der dem Rektum zugewandten Seite. Häufig können sie dort vom Arzt ertastet werden. Tückisch ist jedoch, dass sie im Anfangsstadium kaum Beschwerden verursachen. Das schon seit 1971 existierende Früherkennungsprogramm (GKV-Leistung), innerhalb dessen eine jährliche Tastuntersuchung für Männer ab 45 Jahren vorgesehen ist, wird leider von diesen viel zu wenig wahrgenommen (siehe Repetitoriumsteil 1). Auch erhöhte PSA-Werte im Blut gelten als empfindlicher Marker in der Früherkennung. Bei Verdacht hilft eine Stanz-Biopsie zur Abklärung. Früh erkannt ist Prostatakrebs zu einem hohen Prozentsatz heilbar und – bei optimaler Behandlung – mit einer ganz normalen Lebenserwartung verbunden.Operative Prostataentfernung, Strahlentherapie und aktive Überwachung sind dann Kernpunkte der Tumorbehandlung.

Der alternde Mann
Verschiedene Studien stellten eine Destabilisierung in vielen Lebensbereichen bei Männern um die 50 Jahre fest. Zum einen treten in diesem Lebensalter entwicklungspsychologische Veränderungen auf, die oft als kritische Lebensereignisse erlebt werden. Neuanpassungen oder Verleugnungen dieser Erlebnisse sind im Rahmen von Verarbeitungs- prozessen spürbar – körperlich wie psychisch. Zum anderen spielen hormonelle Veränderung (Alters- hypogonadismus, auch Testosteron-Mangel- Syndrom oder „Climacterium virile“ genannt) bei dem fortschreitenden Alterungsprozess eine große Rolle. Der Mangel an Serumtestosteron kann körperliche (verringertes sexuelles Verlangen, also geringere Libido und Abnahme der Erektionsqualität und -frequenz), psychische (Abnahme der intellektuellen Aktivität und des räumlichen Orientierungsvermögens, Müdigkeit, depressive Verstimmung, Reizbarkeit, Schlafstörungen) sowie funktionelle Veränderungen (Verringerung von Muskelmasse und -kraft, Abnahme der Körperbehaarung, Haut- veränderungen, Abnahme der Knochenmineraldichte mit Osteopenie, Osteoporose und zunehmendem Fraktur-Risiko) zur Folge haben. Bereits ab dem 40. Lebensjahr weisen durchschnittlich zehn Prozent der Männer Androgendefizite auf, ansteigend bis zu 30 Prozent im 80. Lebensjahr.

Sexuelle Funktionsstörungen Vor allem der Siegeszug von Sildenafil und Co. hat dazu beigetragen, dass sich die Begriffe „Männer“ und „Gesundheit“ zu dem Begriff „Männergesundheit“ verbunden haben. Gleichzeitig ist dies aber eines der Hauptprobleme. Allzu oft wird „Männergesundheit“ reduziert auf Penislänge und Erektionsprobleme. Dabei ist „Männergesundheit“ ein sehr vielschichtiges Thema, wie dieses Repetitorium aufzuzeigen versucht. Sexuelle Funktionsstörungen können ebenfalls vielschichtig sein und sexuelles Verlangen (Appetenz), die sexuelle Erregung oder auch den sexuellen Erregungshöhepunkt (Ejakulation/Orgasmus) betreffen. Sie können als unabhängige Erkrankungen, aber auch als Folge anderer Erkrankungen sowie deren Behandlung (medikamentenbedingt) auftreten. Und natürlich sind für ein erfülltes sexuelles Erleben neben den körperlich-funktionalen Aspekten auch die individuellen Ansprüche entscheidend.

Da eine als befriedigend erlebte Sexualität Einfluss auf die Lebensqualität hat, ist zur Diagnostik und Behandlung sexueller Dysfunktionen häufig eine fachübergreifende Zusammenarbeit von Andrologie, Urologie, psychosomatischer Medizin und Psychiatrie erfolgversprechend. Zumal auch die Ursachen für eine erektile Dysfunktion (ED) häufig organischer (hormonell oder vaskulär), neurologischer und/oder psychogener Natur sind. Medizinischwissenschaftlich korrekt ist die Definition der ED als „Schwierigkeit, eine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr notwendige Erektion zu erlangen oder beizubehalten“. Der Penis besteht vor allem aus drei schwammartigen Schwellkörpern, die viel Blut aufnehmen können. Im Normalzustand ziehen winzige Muskelfasern die Hohlräume der Schwellkörper so eng zusammen, dass sie nur wenig Blut enthalten.

Deshalb ist der Penis weich. Bei sexuellen Reizen sendet das Gehirn Botenstoffe/Neurotransmitter an die Schwellkörper, sodass sich diese Muskelfasern entspannen. Dadurch weiten sich die Hohlräume und nehmen so viel Blut auf, dass der Penis steif wird. Die Erektion ist somit eine Kombination aus Schwellung und Versteifung des Gliedes durch Bluteinschuss, Muskelrelaxation und -kontraktion. Nach dem Samenerguss beziehungsweise durch das Nachlassen oder Fehlen der sexuellen Stimulation ziehen sich die Muskelfasern zusammen, das Blut wird verdrängt und der Penis erschlafft wieder. Dieser Prozess wird vom zentralen Nervensystem beeinflusst und unterliegt keineswegs dem bloßen Willen des Mannes. Da die männliche Erektion das Resultat eines sexuellen Reizes ist, der über die Sinnesorgane aufgenommen wird und über eine Wirkkaskade zu einer Erektion führt, an der Nervenbahnen, chemische Botenstoffe, Hormone, Gefäße und erektiles Gewebe beteiligt sind (ein sehr komplexes Geschehen), ist auch klar, wie vielfältig die Ursachen für eine Erektionsstörung sein können. Fest steht jedoch: Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen ED und höherem Lebensalter.

Zudem tritt eine ED oftmals mit anderen allgemeinmedizinischen Bildern zusammen auf (Komorbidität) oder ist deren Vorbote. So sind Erektionsprobleme häufig Sekundärerscheinungen und das Hauptproblem liegt beim ausgemachten Hauptproblem der Männer, dem Herz-Kreislauf-System (circa 40 Prozent der Fälle) beziehungsweise Diabetes mellitus (circa 30 Prozent der Fälle). Sind die penilen Gefäße von Veränderungen/Funktionsstörungen betroffen, muss leider davon ausgegangen werden, dass das gesamte Gefäßsystem dem Änderungsprozess unterworfen ist. So treten Erektionsstörungen oftmals vier bis zwölf Jahre vor einer klinisch manifesten koronaren Herzerkrankung, einer Claudicatio intermittens oder einem Schlaganfall auf. Und so manches Mal wurde ein schon länger bestehender Diabetes mellitus erst aufgrund auftretender Erektionsstörungen erkannt, was den Blickwinkel für Ursache und Wirkung etwas verschiebt.

Als weniger häufige organische Ursachen kommen Impotenz nach Prostataradikaloperation (etwa dreizehn Prozent), Rückenmarks- und andere Verletzungen (circa acht Prozent), hormonelle Störungen (circa sechs Prozent; wird womöglich etwas angehoben, da das männliche Geschlechtshormon Testosteron doch einen größeren Einfluss auf das Liebesleben zu haben scheint als lange vermutet) oder Multiple Sklerose, Parkinson (etwa drei Prozent) in Betracht. Hinzu kommen Depressionen. Es wird vermutet, dass etwa 90 Prozent der Männer mit Depressionen auch Erektionsstörungen haben. Auch Medikamente können Erektionskiller sein: Hierzu zählen Diuretika, Betablocker, Cholesterinsenker, Antidepressiva, Anxiolytika, Antiandrogene, aber auch Drogen wie Marihuana, Kokain, Anabolika, Alkohol, Nikotin. Bei medikamentös bedingten Erektionsstörungen helfen häufig schon Dosisanpassungen oder Medikamenten-Kombinationen. 

Therapiert wird eine ED meist medikamentös. Am bekanntesten sind mittlerweile die PDE-5-Hemmer (Phosphodiesterase-5-Hemmer): Sildenafil (1998), Tadalafil (2003), Vardenafil (2003), Avanafil (2014), die oral angewendet werden. Phosphodiesterase-5 kommt überwiegend in den Schwellkörper-Arteriolen vor, die Blockade verringert den cGMP (Cyclo-Guanosinmonophosphat, second messenger)-Abbau und verstärkt beziehungsweise verlängert dessen Wirkung. Die einzelnen Arzneistoffe unterscheiden sich in der Schnelligkeit des Wirkeintritts, der Wirk- dauer und Verträglichkeit. Die Anwendung erfolgt oral, zur Wirkung ist eine sexuelle Stimulation erforderlich. Wichtig ist, dass eine Wartezeit zwischen Einnahme und Geschlechtsverkehr eingeplant werden sollte, bei Avanafil 30 Minuten, bei Sildenafil und Vardenafil eine Stunde, bei Tadalafil etwa zwei Stunden.

Dafür hat Tadalafil eine bis zu 36 stündige Wirkdauer und die Wirkung wird durch eine fettreiche Mahlzeit auch nicht vermindert, weshalb manche Ärzte den Wirkstoff auch zur kontinuierlichen täglichen Einnahme (Dauermedikation) verschreiben. Der dadurch ausgelöste praktisch konstante Plasmaspiegel des Wirkstoffs reicht für viele Männer aus, um wie früher jederzeit Geschlechtsverkehr ausüben zu können. Bei den meisten Pa- tienten kann mit PDE-5-Hemmern eine ED erfolgreich behandelt werden. Aufgrund der Verstoffwechselung (CYP3A4-Biotranformation) muss unter anderem von der Einnahme von Grapefruitsaft strikt abgeraten werden. Als Nebenwirkungen wird häufiger über Kopfschmerzen und Flush, gelegentlich Dyspepsie, Sehstörungen, verstopfte Nase oder Schwindel berichtet. Selten kommt es zu Priapismus (Dauererektion). Kontraindiziert ist die gleichzeitige Anwendung von Nitraten und Stickstoffmonoxid (NO)-Donatoren.

Vom Wirkmechanismus ableitbar darf die Medikamentengruppe aber etwa auch bei schweren Herzleiden, Leber- und Nierenproblemen, HIV- und systemischer Antimykotika-Therapie nicht angewandt werden. Das aus der Rinde des in Zentralafrika (Kamerun) vorkommenden Yohimbe-Baums gewonnene Yohimbin war bis zur Zulassung des ersten PDE-5-Hemmers das am häufigsten verschriebene Medikament gegen ED. Heute wird es hauptsächlich bei psychisch bedingten Erektionsstörungen eingesetzt. Präparate mit dem Dopaminantagonisten Apomorphin wurden 2004/2005 wegen zu geringer Verkaufszahlen vom Markt genommen. Es hatte die anfänglich hohen Erwartungen nicht erfüllt. Lokal angewandt werden Wirkstoffe, etwa Alprostadil (Prostaglandin E1), teilweise auch in Kombination mit Papaverin (krampflösendes Alkaloid) und Phentolamin (Alpha- blocker), als – Creme (Auftragen auf die Spitze des Penis, Wirkungseinsatz innerhalb fünf bis dreißig Minuten, Wirkdauer etwa ein bis zwei Stunden), – SKAT, also Schwellkörper-Auto-Injektions-Therapie (Spritzen direkt in die Schwellkörper, Wirkungseintritt innerhalb zehn bis zwanzig Minuten; hilft auch Männern, bei denen durch eine Operation, die für die Erektion verantwortlichen Nerven zerstört wurden) oder – Medicated Urethral System for Erection (M.U.S.E.), eine Mini-Tablette mit Applikator, die in die Harnröhre eingeführt wird (Wirkungsweise wie SKAT-Anwendung).

Obwohl die medikamentöse Behandlung der ED den größten Therapieteil ausmacht, gibt es noch eine Reihe anderer Behandlungsmöglichkeiten. Penisprothese (Operation), Vakuumpumpen, Beckenbodentraining. Ein weiteres weit verbreitetes Problem ist die vorzeitige Ejakulation (zu früher Samenerguss). Je nach Ursache und Krankheitsgefühl beinhalten Therapiekonzepte hier Verhaltenstherapie, Start-Stopp-Techniken durch Aussetzung der sexuellen Stimulation, vorhergehende Masturbation oder auch die medikamentöse Therapie mit lokal angewandten Lidocainsalben (senkt die Hypersensitivität des Penis) oder eigentlich als Antidepressiva verwendete Serotonin Reuptake Inhibitoren (SSRI) wie Fluoxetin, Paroxetin oder Dapoxetin (hat seit 2009 die Zulassung für eine Bedarfsmedikation).

Umgang mit Männerkrankheiten
In unserer Gesellschaft werden „Männerkrankheiten“ meist mit geminderter Präsenz- und Leistungsbereitschaft assoziiert und deshalb auch gerne tabuisiert. Dagegen sind Frauenkrankheiten schon seit längerem von einem hohen gesellschaftlichen Interesse begleitet, gut kommuniziert und durch die Forschung – von der Früherkennung bis zur Versorgung – öffentlich prominent gefördert. Ein Umdenken, dass auch den Männern mehr „Rechte“ zugesteht, setzt gerade erst ein, muss sich aber in der breiten Bevölkerung erst noch durch- setzen. Wollen Sie Männer zu einem gesünderen Lebensstil motivieren, ist eines dabei besonders wichtig: Sprechen Sie keine Verbote aus, sondern werben Sie für mehr Achtsamkeit.

Männliche Fertilitätsstörungen Beeinträchtigungen der männlichen Fruchtbarkeit sind meist entweder auf eine zu geringe Menge oder eine nicht ausreichende Qualität der Spermien zurückzuführen. Studien zeigen, dass in 40 Prozent aller Fälle der Grund eines unerfüllten Kinderwunsches beim Mann liegt. Ursachen können permanent, erblich bedingt oder temporärer Natur (Lebensumstände und -gewohnheiten, beispielsweise Stress, ungesunde Ernährung, Umweltgifte) sein. Klinische Ursachen sind meist Hodenprobleme (etwa Hodenkrebs, Hodenhochstand, Krampfadern des Hodens, Hypogonadismus). Hodentumoren, also Gewebewucherun- gen von Hodengewebe, gehören insgesamt eher zu den selteneren Tumorerkrankungen. Allerdings gehören sie zu den häufigsten Tumoren bei jungen Männern. Frühzeitig entdeckt (aber häufig selbst noch im fortgeschrittenen Stadium) sind die Heilungschancen und die Prognose aber gut. Hypogonadismus, also eine Unterfunktion der Gonaden (Keimdrüsen), meist der Hoden, betrifft die Spermiogenese und/oder die Testosteron-Synthese.

Meist ist jedoch die unzureichende Testosteron-Produktion, die einem sehr fein abgestimmtem Regelmechanismus unterliegt, gemeint. Die verschiedenen Hypogonadismus-Formen werden nach ihrem endokrinologischem Ursprung unterschieden in die primäre Form (Organfunktionsstörung der Gonaden selbst), die sekundäre Form (Störung auf Ebene der Hypophyse, wo die Gonadotropine gebildet werden) oder der sehr seltenen tertiären Form (Störung auf Ebene des Hypothalamus mit erniedrigter Gonadotropin-Sekretion). Zudem gibt es den Altershypogonadismus, hervorgerufen durch die nachlassende Hodenfunktion im Alter. Allen gemeinsam ist letztlich: Testosteron-Mangel. Bei behandlungsbedürftiger Symptomatik stehen hierfür verschiedene Testosteron- Präparate unterschiedlicher Galenik (Tabletten, Gel zum Auftragen auf die Haut, Pflaster, Depot-Spritzen) zur Verfügung.

Beim alternden Mann wird eine Testosteronersatztherapie allerdings nicht empfohlen, da deren Wirksamkeit nicht bewiesen, aber mit erheblichen Risiken verbunden ist. Beim hypogonadotropen Hypogonadismus erfolgt ebenfalls eine kausale Substitutionstherapie, etwa mit HCG (humanem Choriongonadotropin), HMG (Humanem Menopausengonadotropin), hochgereinigtem FSH (Follikel-Stimulierendem Hormon), GnRH (Gonadorelin). Antiestrogene wie Tamoxifen und Clomifen führen zu einer Erhöhung der Gonadotropine und damit zu einer Stimulation der Spermiogenese. Aromatasehemmer (etwa Testolacton, Letrozol, Anastrazol) sind eine Therapieoption bei infertilen Männern mit niedrigem Testosteron-Estradiol-Verhältnis. Bei der Mehrzahl der subfertilen Männer ist die Ursache für ein grenzwertig pathologisches Spermiogramm allerdings nicht eruierbar. Ohnehin muss jeder Therapieversuch – gerade auch bei den vielen widersprüchlichen Daten zur Wirksamkeit – wie etwa bei L-Carnitin, Pentoxifyllin, Kallikrein, Mastzellblockern – Kosten- und Nutzen mäßig mit der Option einer künstlichen Befruchtung abgewogen werden.

Ansonsten gilt noch: Alkohol, Koffein, Nikotin – all diese Genussmittel verschlechtern Qualität und Beweglichkeit der Spermien. Hingegen helfen ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung, Antioxidantien (Glutathion, Vitamin E, Carotinoide, Reservatrol, Flavonoide) und insbe- sondere Zink und Selen der normalen Fruchtbarkeit und Spermatogenese. Gerade in diesem Punkt kann die Apotheke gute Empfehlungen aussprechen. Natürlich existieren zahlreiche weitere „Jungen“- oder „Männerkrankheiten“: Eine Phimose etwa, die angeborene oder erworbene Verengung der Vorhaut des Penis. Je nach Ursache und Schwere können kortisonhaltige Salben helfen – oder aber eine Operation (von vorhauterhaltender OP bis radikaler Beschneidung). Und jedem Heranwachsenden sollte bewusst gemacht werden: Eine gute Intimhygiene hat auch krankheitsvorbeugenden Charakter (weniger HPV- und HIV-Infektionen, also weniger Infektionen mit Humanen Papillomaviren oder Humanem Immundefizienz-Virus; weniger Peniskrebs). Statistisch leiden Männer tatsächlich signifikant häufiger unter einer sexuell übertragbaren Krankheit als Frauen. Vor allem unter Homosexuellen stieg die Zahl der HIV-, aber auch der Syphilis-Infektionen zuletzt sogar wieder an.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/17 ab Seite 86.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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