Hund und Katze © PBroyles78 / iStock / Getty Images
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Tiere in der Apotheke

LUCKY DREHT DURCH

Verhaltensstörungen bei Hunden und Katzen sind keine Seltenheit. Bei Auffälligkeiten sollte der Tierarzt aufgesucht werden – auch, um körperliche Erkrankungen für das abnorme Verhalten auszuschließen.

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Das Auftreten von Verhaltensproblemen und -störungen bei Hunden und Katzen ist in der Regel nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen. Vielmehr gibt es mehrere zugrundeliegende Risikofaktoren, wie beispielsweise bestimmte Umstände während der Geburt und Aufzucht, eine unzureichende Sozialisation mit Menschen und Artgenossen, das Verhalten des Besitzers und negative Erfahrungen im Laufe des Lebens. Auch körperliche Erkrankungen können eine Rolle spielen. Der Anteil organischer Erkrankungen an Verhaltensstörungen bei tierischen Patienten wird auf 20 bis 30 Prozent geschätzt.

Angst Eine häufige Ursache für Verhaltensstörungen bei Hunden sind Angststörungen. Es ist schwierig, diese von anderen Verhaltensproblemen abzugrenzen, da sich angstbedingtes Verhalten auch bei anderen Auffälligkeiten zeigen kann und der Übergang von scheuem oder vorsichtigem Verhalten und Unsicherheit bis hin zu phobischem Benehmen fließend ist. Entsprechend können Angststörungen auch bei anderen Problemen eine Rolle spielen, wie zum Beispiel bei Trennungsangst oder bei Stubenunreinheit. Auch bei aggressivem Verhalten gegen Menschen und Tiere ist in der Mehrzahl der Fälle Angst die „Motivation“. Ängstliches Verhalten geht über das normale, natürliche Furchtverhalten hinaus und wird in vielen Fällen durch Veränderungen der Lebenssituation hervorgerufen.

Dabei werden zwei Hundetypen unterschieden. Während „optimistische“ Hunde neue Lebensumstände akzeptieren können, werden „pessimistische“ Hunde mit solchen Ereignissen weniger gut fertig und reagieren mit Angstzuständen. Diese verursachen häufig Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, exzessives Putzverhalten, Hecheln, Speicheln, erweiterte Pupillen sowie gesteigerte oder auch herabgesetzte Interaktion mit Menschen oder anderen Tieren. Angststörungen können auch genetisch bedingt sein. In der Zucht wird die genetische Vielfalt oft eingeschränkt, und Wesensmerkmale können in bestimmten Rassen und Linien vermehrt auftreten.

Genetisch bedingtes Angstverhalten tritt meist zwischen dem 12. und 24. Lebensmonat auf. Darüber hinaus kann Angst erworben sein. Hier liegen infektiöse Ursachen wie zum Beispiel Toxoplasmose, Staupe oder Borreliose zugrunde. Nicht infektiöse Ursachen sind metabolische, neurologische, neoplastische und endokrinologische Erkrankungen, wie Hypothyreosen. Weitere Auslöser sind toxisch bedingte Erkrankungen (Schwermetalle, psychotrope Medikamente), Traumata (cerebrale Verletzungen und Durchblutungsstörungen) und degenerativ bedingte Erkrankungen (Schmerzen, Einschränkungen der Sinnesorgane).

Stereotypien Dies sind Verhaltensweisen, bei denen Verhaltenssequenzen in ritualisierter Form, gleichförmig, an- dauernd und wiederholt ohne Endhandlung ausgeführt werden. Stereotypes Verhalten ist bei vielen Spezies in Gefangenschaft nicht ungewöhnlich. Interpretiert wird dieses Verhalten als Ersatz- oder umadres- sierte Aktivität aus Frustration, die durch Konfrontation mit den Stressoren sowie aus Langeweile ausgelöst wird. Ritualisierte Bewegungsmuster entwickeln sich auch durch mangelnde Bewegungsmöglichkeiten oder als Ersatz für eine normales Verhalten, das in der Gefangenschaft nicht möglich ist.

Bei Hunden müssen zusätzlich Trennungsangst und aufmerksamkeitsforderndes Verhalten als Anlass in Betracht gezogen werden. Somatische Ursachen für stereotypes Verhalten sind unter anderem Tetanus, Staupe, Aujetzky-​Krankheit, initialer Ektoparasitenbefall und dermatologische Erkrankungen, die mit Juckreiz assoziiert sind, sowie metabolische, neurologische und endokrinologische Krankheiten und Hepatopathien. Auch Bandscheibenerkrankungen oder epileptiforme Anfälle nach einem Trauma können ursächlich eine Rolle spielen.

Zwangstörungen (OCD: Obsessive Compulsive Disorder) Zwanghafte Verhaltensweisen werden den Angsterkrankungen zugeordnet. Diese Störungen können sich durch Schwanzjagen, Flankensaugen (Dobermann), zwanghaftes Hin- und Herlaufen, Fliegenschnappen, Luftbeißen, Drangwandern oder Kreiseln, Starren, Textiliensaugen oder -kauen äußern. OCD ist multifaktoriell und kann auch genetisch bedingt sein. Es gibt vor allem bei Hunden eine hohe Rate von gleichzeitig auftretenden Angsterkrankungen wie Trennungsangst. Familiär gehäuft treten Zwangsstörungen bei Rassen wie der Deutschen Dogge, Jack-​Russell-Terrier, Dalmatiner, Deutsch Kurzhaar und dem Deutschen Schäferhund auf. Meist zeigen sich derartige Verhaltensauffälligkeiten nach Beginn der sozialen Reife, sodass hormonelle Trigger in Betracht gezogen werden.

Unruhe und Hyperaktivität Viele Hundebesitzer klagen über Hyperaktivität und Nervosität ihres Tieres; dabei muss jedoch bedacht werden, dass „hyperaktive“ Hunde möglicherweise nur aktiver als andere Hunde sind, wie zum Beispiel der Australian Shepherd, oder unterbeschäftigt sind. Manche Hunde reagieren stärker oder schneller auf einen Stimulus. Erst ab einem bestimmten Schwellenwert kann man von einem pathologischen Verhalten sprechen. Diese Hunde sind nur schwer oder gar nicht abzulenken, wenn ein Erregungslevel überschritten wurde.

Unsauberkeit Es gibt verschiedene Gründe für Unsauberkeit. Dazu gehören inkomplettes Stubenreinheits-Training, ungenügender Zugang zum Beispiel zur Katzentoilette, eine unhygienische Katzentoilette, Urinieren wegen Aufregung oder Trennungsangst und aufmerksamkeitsforderndes Verhalten. Änderungen in der Fütterung können Kotunsauberkeit hervorrufen. Man kann von einer organischen Ursache ausgehen, wenn das Tier seinen Liegeplatz verunreinigt oder während des Schlafs Kot/Urin absetzt. Und wenn sich das Tier nicht über den Kot- und Urinabsatz bewusst ist.

Auch wenn die Besitzer ein adäquates Stubenreinheits-Training durchgeführt haben, das Tier aber nicht in der Lage ist, dies zu erlernen, oder wenn das Tier in der Vergangenheit bereits stubenrein war, liegen wahrscheinlich organische Ursachen zugrunde, wie entzündliche Erkrankungen der Harnwege, der Geschlechtsorgane oder des Gastrointestinaltrakts. Diese können zu Inkontinenz führen. Auch Erkrankungen der Prostata, neurologische und neoplastische Krankheiten müssen in die Differenzialdiagnose miteinbezogen werden.

Therapie Die Ursachen für die Verhaltensauffälligkeiten müssen abgeklärt und korrigiert werden. Ist ein Hund unterbeschäftigt oder leidet der Vierbeiner unter Trennungsangst, muss der Besitzer entsprechend mehr mit dem Tier unternehmen und mehr Zeit dafür aufbringen. In Angstsituationen können Medikamente und Pheromone zur Entspannung beitragen. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie wird langfristig daran gearbeitet, die Verhaltensmuster der betroffenen Tiere zu ändern. Dies setzt eine intensive Mitarbeit der Besitzer voraus und kann viele Monate dauern.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/19 ab Seite 120.

Dr. Astrid Heinl, Tierärztin

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