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Psychologie in der Apotheke

LOST WITHOUT YOU?

Ob man verlassen wird oder selbst verlässt – das Ende einer Beziehung kann schmerzhaft sein. Manchmal ist die Trauer um den verlorenen Menschen so groß, dass professionelle Hilfe erforderlich ist.

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Die Zeiten haben sich geändert: Während die Großeltern ihren ersten Freund teilweise recht schnell heirateten, bringen die jüngeren Generationen mehr Beziehungserfahrungen mit in die Ehe. 30-Jährige hatten im Jahr 1972 lediglich 1,9 Partnerschaften hinter sich, zur Jahrtausendwende waren es in der gleichen Altersstufe immerhin 3,7 vergangene Beziehungen. Mit Trennungen müssen wir demnach leben: Heutzutage werden laut Angaben des Statistischen Bundesamtes über ein Drittel aller Ehen geschieden, wobei sich 85 Prozent der Betroffenen zehn Jahre später wieder in einer Beziehung befinden, wie die Münchner Studie zur Partnerwahl und Partnerschaft zeigte.

Jeder leidet anders Trennt sich der Partner, ist für den Verlassenen zunächst nichts mehr so, wie es vorher war. Durch den Schockzustand geraten Körper und Seele aus dem Gleichgewicht. Betroffene durchleben in der folgenden Zeit verschiedene Phasen des Kummers: Das erste Stadium der Leugnung kennzeichnet sich dadurch, dass sie die Trennung nicht wahrhaben möchten. Sie appellieren an die Liebe des Partners und versuchen, um die Bindung zu kämpfen. Manchmal ziehen sich gekränkte Personen aus jeglichen sozialen Kontakten zurück und vermeiden somit, über die Abfuhr zu sprechen, sodass diese weniger real erscheint. Dies ist jedoch der falsche Weg, denn der offene Umgang mit der Enttäuschung sowie Gespräche mit engen Vertrauten helfen über den Verlust hinweg.

In der zweiten, tränenreichen Phase brechen negative Emotionen wie Trauer, Einsamkeit, Kränkung oder Ärger hervor. Am besten hilft es dann, sich mit Arbeit, Hobbys oder Freunden abzulenken. Der nächste Schritt mündet im Stadium des Verhandelns, in dem Verlassene erneut um den Partner kämpfen bis sie verstehen, dass sie/er nicht zurückkommt. Befindet sich der Ex bereits in einer neuen Beziehung, tritt neben dem Liebeskummer auch Eifersucht auf. Die Phase der Depression tut sehr weh, denn Betroffene realisieren endgültig, dass die Liebe vorbei ist. Wie schmerzvoll die folgende Zeit verläuft, hängt mitunter von der Dauer der Beziehung sowie vom Alter der Personen ab. Ex-Beziehungspartnern mit gemeinsamen Lebensentwürfen, Kindern oder Eigentum fällt der Abschied nach vielen Ehejahren sicher schwerer als jungen Menschen, die sich durch Schule oder Studium ablenken können und nur eine kurze, gemeinsame Vergangenheit mit dem oder der Ex hatten.

„Was konnte ich an ihm/ihr bloß finden?“ oder „Was für ein Idiot!“ sind möglicherweise die Gedanken im folgenden Stadium des Zornes. Die Wut schafft eine Distanz zwischen den beiden Ex-Liebenden und beschleunigt das Loslassen. Häufig vernichten Betroffene in dieser Phase Fotos, Geschenke oder Andenken an die gemeinsame Zeit. Die Trauer schließt mit der Stufe der Akzeptanz ab, in welcher die Lebensfreude wieder steigt, Pläne für einen Neuanfang entstehen und der Ex allmählich vergessen wird. Ex-Partner wirken allerdings weiter, auch wenn sie nicht mehr aktiv am Leben der verlassenen Person teilhaben. Sie nehmen Einfluss darauf, wie Individuen sich zukünftig in Partnerschaften verhalten, wann sie frei für neue Beziehungen sind und über welches Selbstbild sie verfügen.

Vertrautes Leiden statt neues Glück Die erste große Liebe hinterlässt Spuren: Waren die Erfahrungen negativ, entstehen mitunter unterbewusste Ängste oder irrationale Verhaltensmuster wie Eifersucht oder Distanz, welche die Person davor bewahren sollen, die belastenden Situationen noch einmal zu erleben. Wissenschaftler gehen dennoch davon aus, dass Singles mögliche Beziehungspartner danach auswählen, wie vertraut sie ihnen erscheinen, selbst wenn sie mit negativen Erinnerungen verbunden sind. Sie vermuten, dass die gewohnte Rollenverteilung das Selbstkonzept des Individuums stärkt und ein Gefühl von Verlässlichkeit vermittelt.

Selbst wenn Menschen wissen, dass ihnen die Eigenschaften des Ex nicht gut taten, greifen sie somit auf Personen mit ähnlichen Charakteren zurück. Das Bild auf die eigene Person kann sich durch eine Trennung ändern, in vielen Fällen leidet das Selbstwertgefühl, insbesondere bei Verlassenen, die sich oftmals plötzlich als unattraktiv und langweilig empfinden. Machen Sie Kunden, die Ihnen von einer Trennung erzählen, klar, dass sie negative Gedanken möglichst abschütteln sollten, da sie lediglich mit der gescheiterten Beziehung im Zusammenhang stehen.

Das Ende naht Wissenschaftler haben herausgefunden, dass emotionsgeladene Konflikte auf ein baldiges Beziehungsende hindeuten. Forscher der Technischen Universität Braunschweig untersuchten das Streit- und Gesprächsverhalten von Partnern sowie körperliche Merkmale (Blutdruck, Stimmhöhe sowie das Cortisolniveau) von Paaren, gleichzeitig zeichneten sie Konfliktsituationen auf Video auf. Sie stellten fest, dass eine Trennung wahrscheinlicher war, wenn die Austragung der Konflikte emotional ablief.

Tipps für Ihre Kunden Freunde und Familie sind sicher die ersten Ansprechpartner, mit denen Liebende über die Krise sprechen. Doch dies ist oft nur begrenzt möglich, weil Außenstehende es irgendwann satt sind, sich mit den Gesprächen rund um die Trennung zu befassen. Wichtig ist von vornherein, dass Leidende trotz der schwierigen Situation Haltung bewahren und sich genau überlegen, an welche Menschen sie sich mit ihren Problemen wenden.

Jedem die Details der Trennung zu erzählen, birgt die Gefahr, dass sie selbst zum Gesprächsgegenstand werden. Wer mit den Gefühlen der Depression und der Minderwertigkeit sowie mit seinen Verlustängsten auch nach einer gewissen Zeit noch nicht zurechtkommt, sollte sich professionelle Hilfe suchen. Am besten informiert man den Therapeuten von Beginn an darüber, dass man lediglich eine Krisenintervention, die oftmals nach bis zu fünf Sitzungen bereits abgeschlossen ist, wünscht.

Abstand halten! Nach einer Trennung ist es wichtig, dass die ehemaligen Beziehungspartner sich voneinander zurückziehen und Distanz gewinnen. Meist möchte der Verlassene den Ex jedoch noch einmal sehen oder mit ihm sprechen: Raten Sie Kunden nach Trennungen davon ab, denn sie machen sich die Situation noch schwerer als sie ohnehin schon ist. Wenn möglich, sollten Liebende ihre Leidenskraft in sinnvolle Aktivitäten umwandeln: Manchmal nehmen beispielsweise geschiedene Hausfrauen ihren Beruf wieder auf oder es ergeben sich neue Hobbys.

Auch Veränderungen der Umgebung wie etwa eine neue Wandfarbe oder neue Möbel helfen über den schmerzlichen Verlust hinweg. Psychologen raten nach einer Trennung allerdings davon ab, sich gleich in eine neue Partnerschaft zu stürzen. Der rasche Wechsel verhindert den Trauerprozess, der jedoch für die Abkapselung notwendig ist. Eine überstürzte neue Liebesbeziehung ist kein Indiz dafür, dass man mit der vergangenen Partnerschaft abgeschlossen hat – unter Umständen wurden die Gefühle für den Ex-Partner lediglich auf die neue Beziehung übertragen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/19 ab Seite 96.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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