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Tiere in der Apotheke

LEO LÄUFT NICHT

Wenn Hunde nicht richtig laufen können oder eine ungewöhnliche Motorik zeigen, können Erkrankungen wie Tetanus oder Staupe dahinterstecken, aber auch eine Vergiftung. In jedem Fall ist es ein Fall für den Tierarzt.

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Bei Bewegungsstörungen handelt es sich um abnorme, willkürliche oder unwillkürliche Bewegungen aufgrund von Fehlfunktionen des Zentralnervensystems oder des neuromuskulären Systems. Davon abzugrenzen sind Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen. Beim Hund eine seltene, aber lebensgefährliche und daher klinisch relevante Störung der Fortbewegung ist beispielsweise Tetanus.

Tetanus Alle Säugetiere sind empfänglich für den Erreger Clostridium tetani, am stärksten Einhufer, gefolgt von kleinen Wiederkäuern, Rindern und Schweinen. Hunde und Katzen sind weniger empfindlich, Vögel weitgehend resistent. Der Hund ist zwar um ein Vielfaches unempfindlicher als Menschen oder Pferde, aber gerade, weil Tetanus bei Hunden so selten vorkommt, wird die Krankheit vielfach nicht erkannt. Dies führt zu einer zu späten Diagnose und Behandlung der Krankheit und damit zu einer sehr schlechten Prognose. In der Regel dringt der Erreger über eine Wunde ein, sein Toxin verursacht die Symptome. Bereits durch eine kleine, oft unauffällige Verletzung, zum Beispiel durch einen aufgeschnittenen Ballen wegen Glasscherben oder eingerissene Krallen, kann es zu einer Infektion mit den Sporen des Bakteriums kommen.

Diese sehr widerstandsfähigen Sporen kommen ubiquitär vor, insbesondere in Erde und im Straßenstaub. Wenn eine Wunde mit diesen Sporen kontaminiert wird, kann sich das Bakterium unter anaeroben Bedingungen vermehren und Toxine produzieren. Klinische Symptome treten 5 bis 20 Tage nach der Infektion auf. Tetanus beziehungsweise Wundstarrkrampf ist ein Zu- stand anhaltender Muskelkontraktionen ohne Erholungsphasen, dabei ist die Frequenz dieser Kontraktionen so hoch, dass die einzelnen Muskelzuckungen verschmelzen und nicht mehr unterschieden werden können. Vor allem an der Kopf- und Halsmuskulatur kommt es zu Muskelkrämpfen. Typisch sind die Längsfältelung der Stirnhaut und die Eng-Stellung der Ohren. Die Lefzen werden bei geöffneter Maulspalte nach hinten gezogen, sodass der Eindruck eines „verkrampften Grinsens“ entsteht, das beim Menschen Risus sardonicus, sardonisches Grinsen, genannt wird. Durch die teilweise oder totale Kiefersperre ist eine Futteraufnahme nicht möglich. Auffällig sind zudem die Sägebockstellung und die stark erhöhte Körpertemperatur mit über 41°C.

Bei schweren Verlaufsformen liegt der Hund in Seitenlage mit ei- ner Strecktetanie der vier Gliedmaßen. Durch eine Tetanie der Atemmuskulatur können die betroffenen Hunde sterben. Die Therapie ist mit einem hohen Aufwand verbunden: Die Patienten werden nach Wundreinigung in abgedunkelten, reizarmen und ruhigen Räumen untergebracht, wobei eine weiche Polsterung und regelmäßiges Wenden wichtig sind. Eine frühe Verabreichung von Tetanus-Antitoxin kann ungebundenes Toxin neutralisieren. Möglicherweise muss ein an Tetanus erkrankter Hund künstlich beatmet werden. Da- rüber hinaus wird über mehrere Tage hoch dosiert Penicillin verabreicht. Muskelspasmen werden mit Diazepam oder Chlorpromazin kontrolliert. Falls erforderlich, kann auch Phenobarbital verabreicht werden. Auch Ernährung und Urinabsatz müssen sichergestellt werden, falls nötig, über Sondenfütterung und Katheterisierung der Harnblase. Sobald das Tier wieder schlucken kann, wird es zunächst von Hand gefüttert. Innerhalb einer Woche kommt es zu einer Normalisierung des Zustands, die Symptome können jedoch auch nach drei bis vier Wochen noch bestehen. Bei progressiven Symptomen ist die Prognose schlecht. Hochgradig erkrankte Tiere sterben oft innerhalb der ersten fünf Tage an einem Atemstillstand. Es gibt keine Impfung gegen Tetanus bei Hunden.

Tetanie/Eklampsie Davon zu unterscheiden ist die Tetanie, die durch Veränderungen im Elektrolythaushalt hervorgerufen wird. Die Erkrankung wird auch als Eklampsie bezeichnet. Besonders bei Hündinnen kleinerer Rassen manifestiert sich diese Störung etwa zwei bis fünf Wochen nach der Geburt. Meistens liegt ein verminderter Calcium- oder Magnesiumspiegel zugrunde. Ein reduzierter Calciumspiegel im Blut kann unter anderem durch erhöhte Verluste über die Milch bei säugenden Hündinnen oder auf Grund einer verringerten Aufnahme aus dem Darm bei einer Nierenerkrankung ausgelöst werden. Zunächst werden beschleunigte Atmung und Muskelzittern beobachtet. Der Gang wird steif, schließlich setzen Krämpfe ein, sodass die Hunde nicht mehr stehen können. Die Therapie besteht in der intravenösen Gabe einer Calcium-Lösung. Auch eine Vergiftung mit Strychnin, einem Rattengift, kann tetanische Spasmen beim Hund auslösen. Diese können durch akustische Reize oder Berührungen noch potenziert werden, wobei das Tier bei vollem Bewusstsein ist.

Tremor Tremor bedeutet Zittern oder unwillkürlich auftretende rhythmische Kontraktionen von Muskeln mit unterschiedlicher Frequenz. Tremor kann entweder in Ruhe oder bei Bewegungen auftreten. Ursache für Tremor sind meistens Läsionen im Kleinhirn. Erkrankungen des Kleinhirns können durch Virusinfektionen, Missbildungen oder Vergiftungserscheinungen verursacht sein. Ein Kleinhirntremor verschwindet, wenn das Tier sich entspannt und verschlechtert sich durch Bewegung. Tremor tritt bei der häufigsten Schwermetallvergiftung, das heißt durch Blei, auf, und zwar in der Regel bei chronischen, niedrig dosierten Vergiftungen. Auch chlorierte Kohlenwasserstoffe können zu Tremor führen.

Myoklonie Unter Myoklonus versteht man kurze ruckartige Zuckungen einzelner Muskeln ohne oder nur mit geringem Bewegungseffekt. Es handelt sich um eine wiederholte, rhythmische Kontraktion eines Muskelteiles, eines ganzen Muskels oder einer Muskelgruppe. Die Myoklonie kann auf eine Körperpartie beschränkt sein sowie gleichzeitig oder zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Bereichen auftreten.

Staupe Die häufigste Ursache für Myoklonien beim Hund ist die Staupe. Die Staupe ist eine hochkontagiöse virale Infektionskrankheit. Das canine Staupevirus wird im Nasen- und Augensekret sowie über den Speichel ausgeschieden. Die Gefahr einer Ansteckung ist während des ersten Lebensjahres am größten, insbesondere zwischen dem vierten und dem sechsten Lebensmonat. Mit zunehmenden Alter nimmt die Staupeempfänglichkeit ab, eine Ansteckungsgefahr besteht jedoch lebenslang. Anfangs zeigen die Tiere Fieberschübe mit Temperaturen zwischen 39,5 und 41,5°C. Es schließt sich häufig eine symptomlose Phase von mehreren Tagen an, die von einem erneuten Fieberschub abgelöst wird. Eitriger Augen- und Nasenausfluss, vergrößerte, gerötete Mandeln, Bronchitis und Lungenentzündung sind weitere Merkmale.

Die entzündlichen Veränderungen im Atem- und Verdauungstrakt können in die nervöse Verlaufsform übergehen. Häufige Symptome des ZNS sind Hyperästhesie, epileptiforme Anfälle mit Kaukrämpfen und starker Speichelbildung, cerebelläre oder vestibuläre Symptome, Parese und ein Myoklonus. Charakteristisch sind Bewegungsstörungen wie torkelnder Gang, unsicheres Stehen, Kopfschiefhalten, „Backenblasen“, Paradeschrittbewegungen sowie Zittern. Die ZNS-Erkrankung ist progressiv und hat eine schlechte Prognose. Je nach Schwere des Verlaufs sowie der Beteiligung von Sekundärinfektionen liegt die Letalität zwischen 30 bis 80 Prozent. Da die Therapiemöglichkeiten der Staupeinfektion auch im Frühstadium der Erkrankung nur sehr begrenzt sind, steht die aktive Immunisierung als prophylaktischen Maßnahme im Vordergrund, die aus einer Erstimpfung der Welpen im Alter von acht bis zehn Wochen besteht, gefolgt von einer zweiten Impfung mit 12 bis 14 Wochen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 132.

Dr. Astrid Heinl, Tierärztin

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