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Borreliose

LEISER ANGRIFF

Mit Beginn des Frühlings krabbeln sie wieder aus ihren Winterquartieren. Jetzt kann man sich bei einem Spaziergang leicht ein solches Spinnentierchen „einfangen“ – und damit möglicherweise die tückische Borreliose.

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Die Lyme-Borreliose, wie sie medizinisch korrekt heißt, wird durch Bakterien verursacht, die sich im Darm einer bestimmten Zeckenart, des gemeinen Holzbockes , befinden. Sticht er zu, wandern diese Borrelien aus dem Darm des Tieres in den Blutkreislauf des Menschen, was einige Stunden dauern kann. Daher ist es so wichtig, die Zecke so schnell wie möglich zu entfernen und sie dabei auf keinen Fall zu quetschen, denn damit würde man die Bakterien förmlich in die Wunde injizieren.

Eine akute Borrelieninfektion kann man an der charakteristischen Wanderröte erkennen, die einige Tage oder Wochen später als ringförmiger Ausschlag um die Einstichstelle auftreten kann – allerdings nicht muss. Umso wichtiger ist es, nach dem Aufenthalt in einem zeckenreichen Gebiet auf Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen zu achten. Je früher eine Infektion behandelt wird, desto größer sind die Aussichten, dass sie vollständig ausheilt.

Diagnostisch können durch eine Blutprobe zwar Antikörper nachgewiesen werden, jedoch ist es kaum möglich zu unterscheiden, ob diese durch eine akute oder eine zurückliegende Infektion gebildet wurden. Daher liefern Labortests keine verlässlichen Ergebnisse und man behandelt eher aufgrund der beobachteten Symptome.

Therapiert wird mit Antibiotika, wobei sich bei Erwachsenen die Gabe von Doxycylin bewährt hat, während Kinder und Schwangere vorzugsweise Amoxicillin erhalten. Ist die Borreliose bereits chronisch, kann man Antibiotika über einen längeren Zeitraum intravenös verabreichen.

Häufig chronisch Die Borrelien im Blut dringen von dort nur sehr langsam in die Gewebe des Wirtes ein, etwa zwei bis drei Millimeter pro Tag. Schließlich nisten sich die Erreger in den Sehnen und Knorpeln der Gelenke, aber auch in Organen oder Nerven ein und „ruhen“ dort. Dadurch kann eine Infektion auch erst Jahre später ausbrechen und wer denkt dann bei grippeähnlichen Symptomen noch an einen möglichen Zeckenstich vor etlichen Jahren?

Wie schützt man sich?
+ Lange Hosenbeine und lange Ärmel tragen, wenn man sich in der freien Natur aufhält.
+ Bei Spaziergängen möglichst auf den Wegen bleiben.
+ Nach jedem Spaziergang oder auch nach der Gartenarbeit gründlich auf Zecken absuchen – vor allen Dingen in Hautfalten.
+ Festgesaugte Zecken so schnell wie möglich entfernen. Dazu die Zecke vorsichtig mit einer Pinzette fassen und gerade nach oben herausziehen. Dabei nicht quetschen!
+ Auf gar keinen Fall Hausmittel wie Klebstoff, Butter oder Öl auf die Zecke träufeln, um sie zu ersticken. Die Zecke kann dadurch noch mehr Speichel in die Einstichstelle absondern.
+ Zecke nicht herausdrehen, der Kopf kann dabei abreißen und in der Einstichstelle verbleiben.

Viele Borrelioseinfektionen werden daher falsch oder gar nicht behandelt und können so chronisch werden. Dann kann sich die Krankheit in einer Vielzahl von Symptomen äußern, wie etwa durch Gesichtsfeldausfälle, Lähmungen, depressive Verstimmungen oder starke Schmerzen. Typisch ist außerdem eine auffällig dünne Haut, die „Pergamenthaut“.

Bei Kindern ist eine Gesichtsnervlähmung, die Facialisparese, oft ein deutlicher Hinweis auf eine Borrelieninfektion. Am häufigsten sind jedoch Gelenkschmerzen und zwar meist in mehreren Gelenken gleichzeitig und an wechselnden Stellen. Eine Borrelieninfektion kann auch in Schüben verlaufen, das heißt, auf eine relativ beschwerdefreie Zeit folgt eine mit sehr starken Symptomen. Lebensgefährlich hingegen können Gehirn- oder Hirnhautentzündungen werden.

Belastung Häufig erzählen diagnostizierte Patienten von einer Ärzte-Odyssee. Weil die Symptome so vielfältig sind, gibt es ungezählte Verdachtsdiagnosen, die eher gestellt werden als die Lyme-Borreliose. Die Anfangssymptome werden häufig als grippaler Infekt fehlinterpretiert, meist noch von den Betroffenen selber. Spätere Symptome wie unspezifische Schmerzen am ganzen Körper könnten auch auf eine Fibromyalgie hinweisen.

Die Gelenkschmerzen werden häufig dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet, während man für die depressiven Verstimmungen eine psychische Ursache sucht. Oft werden die Patienten nach ihrem langen Leidensweg ohne Diagnose als Simulanten abgestempelt. Die Feststellung einer chronischen Borreliose ist unter Ärzten eine Glaubensfrage. Manche denken, dass es eine „Modediagnose“ ist, die viel zu häufig gestellt wird. Andere wiederum sind überzeugt, dass diese Möglichkeit viel zu häufig unbeachtet bleibt.

Steigende Fallzahlen Von den vielen gefährlichen Krankheiten, die Zecken übertragen können, ist die Borreliose die häufigste. Es gibt keine vorbeugende Impfung und man kann sich hier zu Lande überall anstecken, wobei die Zecken in Mittel- und Süddeutschland stärker durchseucht sein sollen als im Norden. Aussagekräftige Untersuchungen dazu fehlen jedoch. Sicher ist aber, dass die Fallzahlen seit Jahren kontinuierlich ansteigen. Das könnte allerdings auch an der fortschreitenden Aufklärung über diese Krankheit liegen. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass das Risiko, nach einem Zeckenstich an Borreliose zu erkranken, bei 1:300 liegt.

Die blutsaugenden Zecken haften bis auf Hüfthöhe an Gräsern oder Büschen. Sie lassen sich jedoch nicht wie oft geglaubt auf ihr Opfer fallen, sondern Tiere und Menschen streifen sie von den Pflanzen ab. Sind die Zecken auf der Haut gelandet, stechen sie zu und saugen sich fest. Über ihre Stechrüssel gelangen die Krankheitserreger dann letztlich in die Blutbahn des Wirtes.

Zecken – klein und gemein Sie leben bereits seit 350 Millionen Jahren auf der Erde. Sie bringt so schnell nichts um, weder ein 40 °C-Waschgang, noch harte winterliche Minusgrade, noch Wasser. Entfernte Zecken ins Waschbecken oder die Toilette zu spülen ist daher nicht ratsam, da sie auch in den Rohren weiterleben können. Ebenfalls werden die Tierchen, die sich nach einem Spaziergang auf der Kleidung befinden, erst bei einem Waschgang von mindestens 60 °C abgetötet. Am besten ist es daher, sich die widerstandsfähigen Spinnentiere gar nicht erst ins Haus zu holen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 ab Seite 74.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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