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Drogen

LEGAL, ABER GEFÄHRLICH

Im Übermaß genossen kann Alkohol tödlich sein. Und doch können bereits Sechzehnjährige Bier, Wein und Sekt hier zu Lande ganz einfach im Supermarkt kaufen.

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Er ist bekanntermaßen eines der gefährlichsten Suchtmittel – und trotzdem gehört es schon fast zum guten Ton, bei einem geselligen Beisammensein Alkohol zu konsumieren. Schließlich heißt es ja auch: „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren“. Doch bei diesem einen Glas bleibt es für die wenigsten. 9,5 Millionen Bundesbürger trinken übermäßig viel und 1,3 Millionen sind alkoholabhängig.

An den Folgen des Alkoholkonsums sterben jährlich etwa 74 000 Menschen in Deutschland. Der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung zeigt zwar, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen rückläufig ist, doch für die Altersgruppe von 18 bis 29 sind die Zahlen alarmierend gestiegen: 44,6 Prozent aller Männer und 32,4 Prozent aller Frauen trinken regelmäßig zu viel.

Und der Trend zum Rauschtrinken, definiert als Konsum von mindestens fünf alkoholischen Getränken in Folge, besteht weiterhin fast unverändert. Er zieht sich durch alle Altersgruppen, findet jedoch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen den meisten Zuspruch. Darüber hinaus steigen die Zahlen des Alkoholmissbrauchs im Alter.

Für den Rausch verantwortlich Das, was man umgangssprachlich als „Alkohol“ bezeichnet, ist Ethanol. Es entsteht, wenn zucker- oder stärkehaltige Biomasse vergärt, wie etwa bei Bier oder Wein. Durch Destillation kann man den Ethanolgehalt weiter erhöhen, um Spirituosen wie Weinbrand, Rum oder Whisky herzustellen.

In größeren Mengen wirkt Ethanol berauschend, da es direkt auf den Stoffwechsel des Gehirns Einfluss nimmt, wo es Rezeptoren stimuliert, die angstlösende und beruhigende Effekte haben. Der Körper schüttet vermehrt Endorphine aus, was zu einer euphorischen Grundstimmung führt.

Beschwipst, berauscht, betrunken Unser Körper weist einen Grundethanolgehalt von etwa 0,02 Promille auf. Beim Konsum alkoholischer Getränke wird Ethanol von den Schleimhäuten aufgenommen und gelangt dadurch ins Blut. In der Folge steigt der Blutalkoholspiegel an.

Bei 0,3 Promille können erste Gangstörungen auftreten, bei 0,5 Promille fühlen wir uns beschwipst, ab 1,0 Promille haben wir einen kräftigen Rausch. Dann ist die Wahrnehmung ist gestört und das Zeitgefühl schwindet. Gleichzeitig kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen, manchmal aber auch zu aggressivem Verhalten kommen. Akute Vergiftungen können bereits bei 1,4 Promille eintreten, Symptome dafür sind niedriger Blutdruck und Schüttelfrost bis hin zum Koma.

Für nicht an Alkohol gewöhnte Menschen können zwei Promille bereits tödlich sein. Die letale Menge für geübte Trinker liegt bei etwa 4,7 Promille. Allerdings wirkt Alkohol sehr individuell, was unter anderem von der Art des Alkohols, der Schnelligkeit, mit der er aufgenommen wird, Geschlecht, Alter, körperlicher und psychischer Verfassung sowie der Gewöhnung abhängt. So gibt es auch Menschen, die einen Blutalkoholspiegel von sieben Promille überlebt haben.

Abbau über die Leber Man hört das oft: Vor dem Genuss von Alkohol soll man sich eine „Grundlage schaffen“. Gemeint ist, möglichst fettreiche Nahrung zu sich zu nehmen. Tatsächlich verzögert Fett die Aufnahme von Ethanol in den Blutkreislauf, verhindert sie jedoch nicht. Umgekehrt gelangt Alkohol schneller ins Blut, wenn Wärme ins Spiel kommt. Daher steigen einem heiße alkoholische Getränke wie Glühwein oder Grog rascher zu Kopf.

Die süßen Verführer
In zuckerreichen Drinks merkt man jedoch auch den Alkohol nicht so deutlich, da der eigentlich bittere Alkoholgeschmack überdeckt wird. Mixgetränke und die so beliebte Mischung aus Energydrinks und Wodka sind daher extrem gefährlich, denn eine realistische Einschätzung, wie viel Alkohol man trinkt, ist nicht mehr gegeben. Gerade Kinder und Jugendliche sind durch Alcopops und andere Mixgetränke gefährdet, sei es durch akute Vergiftungen oder durch die frühe Ausbildung einer Alkoholtoleranz, die das Risiko, alkoholsüchtig zu werden, erhöhen kann.

Im Magen werden etwa fünf Prozent des Ethanols verstoffwechselt, hauptsächlich wird der Alkohol jedoch in der Leber durch verschiedene Enzyme abgebaut, und zwar pro Stunde und kg Körpergewicht etwa 0,1 Gramm. Zum Vergleich: Ein Bier enthält etwa 10 Gramm Ethanol. Die Leber leistet nach einem Rausch also Schwerstarbeit. Für die Katerstimmung ist übrigens ein Zwischenprodukt des Alkoholabbaus, das Ethanal (Acetaldehyd), verantwortlich.

Chronische Vergiftung Wer regelmäßig viel trinkt, weist durch die erhöhte Toleranz gegenüber dem Alkohol deutlich später Rauschsymptome auf. Andererseits entstehen, wenn der Blutalkoholspiegel wieder sinkt, klassische Entzugserscheinungen, denn die Stimulation der Rezeptoren durch das Ethanol ist erst einmal nicht mehr gegeben. Anstelle der angstlösenden und beruhigenden Effekte treten nun Ängste, Zittern, Krämpfe und Herzrasen auf. Die Entzugserscheinungen können nur mit einem erneuten Anheben des Blutalkoholpegels bekämpft werden.

Da Alkoholiker häufig im Alltag funktionieren müssen, haben viele das „Pegeltrinken“ perfektioniert. Das heißt, sie trinken nur so viel, dass der Blutalkoholpegel konstant gehalten wird, sie aber keinen Rausch haben. Der dauerhaft erhöhte Blutalkoholspiegel bedeutet jedoch auch eine chronische Vergiftung, denn die Leber ist im Dauerstress. Dass dieses Organ bei Alkoholabusus meist zuerst geschädigt wird, bleibt nicht aus.

Darüber hinaus wird der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen. So sind Bauchspeicheldrüsenentzündungen und Herzprobleme sehr häufig, die kognitive Leistung lässt nach und auch die Gefahr, an Krebs zu erkranken, steigt. Gefürchtet ist das „Delirium tremens“, das durch extreme Verwirrtheit, Zittern, stark erhöhten Blutdruck und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma gekennzeichnet ist und tödlich sein kann.

Bei einer Alkoholsucht hilft nur eine Entzugstherapie. Dabei wird der Körper zunächst entgiftet, anschließend wird daran gearbeitet, dass der Betroffene den Suchtdruck aushält und nicht rückfällig wird. Dabei können Anti-craving-Substanzen wie Acamprosat eingesetzt werden. Allerdings sind Alkoholabhängige nie ganz frei von der Sucht, denn bereits geringe Mengen Alkohol, etwa in einer Schnapspraline, können den Suchtdruck so verstärken, dass der Betroffene rückfällig wird.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 ab Seite 122.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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