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Kuhpocken

KUSCHELN MIT RISIKO

Zahme Farbratten können die Erkrankung übertragen. Neben einem relativ harmlosen Hautausschlag kann es dabei gelegentlich auch zu schwereren Verläufen und gefährlichen Komplikationen kommen.

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Ein 15-jähriges Mädchen wurde im März 2008 in einer Krefelder Klinik vorstellig. Sie hatte Hautausschläge und Symptome eines grippalen Infekts. Antibiotika, die ihr Hausarzt verschrieben hatte, halfen nicht. Als das Mädchen berichtete, dass es kurz vor der Erkrankung als Haustier eine weiße Ratte hatte, die an einer Atemwegsinfektion starb, untersuchten die Ärzte sie auf Kuhpocken und wurden fündig.

Immer mehr Erkrankungsfälle Bis zum November 2008 war die Zahl der Menschen, die sich über Ratten an den Kuhpocken angesteckt hatten, auf sechs angewachsen. Die Tiere stammten alle aus Zoohandlungen in und um Krefeld. Seitdem werden immer neue Fälle, mittlerweile aus ganz Deutschland, gemeldet. Ende 2010 waren bereits mehr als 20 Personen erkrankt. Zum Vergleich: In der ganzen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es europaweit weniger als 200.

Allein der Großhändler, der für die Tierhandlungen im Raum Krefeld zuständig war, lieferte pro Woche etwa 1500 Tiere. Man muss daher davon ausgehen, dass die eigentliche Krankheitsrate viel höher war. Zudem zeigen sich die Symptome bei Ratten in der Regel nicht deutlich, sodass Betroffene und Ärzte nicht unbedingt eine Verbindung zum Wirtstier herstellen. Generell sind Kuhpocken so selten, dass viele Ärzte sie bei der Diagnosefindung gar nicht in Erwägung ziehen.

Leichtere Form Kuhpocken sind eine Virusinfektion, die nur Säugetiere, also auch den Menschen, befallen kann. Ihre Symptome ähneln denen der gefährlichen echten Pocken, allerdings in sehr viel milderer Ausprägung. Ihren Namen hat die Infektionskrankheit daher, dass früher Hausrinder die Hauptwirte waren. Die Menschen steckten sich an ihnen beim Melken an – meist, wenn der hochinfektiöse flüssige Inhalt der Pusteln auf dem Kuheuter in eine menschliche Wunde gelangte. Auf den Händen entstanden dann die als „Melkerknoten“ bezeichneten typischen Hautläsionen.

VORBEUGEN
Bei unspezifischen Krankheitssymptomen und Hautausschlägen sollten Sie Ihre Kunden fragen, ob sie in letzter Zeit engen Kontakt zu Nagetieren oder Katzen hatten. Falls das der Fall ist, sollten sie sich auf jeden Fall auf Kuhpocken untersuchen lassen. Generell sollten Ihre Kunden im Umgang mit Farbratten und Katzen peinliche Hygiene walten lassen. Tiere, deren Haut schorfig und wund ist, sollten nicht angefasst werden.

Das Orthopoxvirus, das die Kuhpocken auslöst, ist ein weniger aggressiver Verwandter des eigentlichen Pockenvirus. Übertragungen durch Rinder sind seit Jahren nicht mehr bekannt geworden, doch das Virus überlebt in anderen Wirtstieren, hauptsächlich in Nagern. Farbratten sind daher ein Risiko, denn beim Schmusen und Spielen können die Viren über Sekrete in Wunden oder Schorf, aber auch durch Tröpfcheninfektion, auf den Menschen übertragen werden. Neben Ratten können auch Katzen Überträger sein, nämlich dann, wenn sie eine befallene Maus gefressen haben. Ein asymptomatischer Verlauf ist bei Katzen aber wesentlich seltener als bei Nagern. Sie entwickeln häufig starke Hautläsionen und versterben meist an der Krankheit.

Nicht die Augen reiben! Orthopoxviren können in normaler Umgebung monatelang überleben. Hat ein Mensch sich infiziert, treten nach einer Inkubationszeit von etwa einer Woche juckende Hautflecken auf, die sich zu eitergefüllten Beulen und schließlich bis zu zwei Zentimeter großen Geschwüren entwickeln können. Die Betroffenen haben hohes Fieber, Gelenk- und Gliederschmerzen sowie geschwollene Lymphknoten, fühlen sich matt und abgeschlagen. Schwerere Verläufe kann es bei Säuglingen oder Immungeschwächten geben. Eine seltene, aber gefürchtete Komplikation ist die Hornhautentzündung, wenn die Erreger ins Auge gelangen. Diese kann bis zur Erblindung führen.

Fehlender Impfschutz Das Kuhpockenvirus wurde im 18. Jahrhundert berühmt, als der englische Arzt Edward Jenner feststellte, dass eine Impfung mit diesem Virus Menschen gegen die echten Pocken immunisierte. Im Umkehrschluss bedeutet das: Eine Pockenimpfung hilft auch gegen Kuhpocken. Das echte Pockenvirus gilt seit 1980 jedoch als ausgerottet, weshalb danach keine Impfungen mehr durchgeführt wurden. Da die meisten an den Kuhpocken Erkrankten Jugendliche und junge Erwachsene sind, könnte der nun fehlende Pockenimpfschutz also zu einer erneuten Ausbreitung der Kuhpocken führen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/14 ab Seite 116.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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