Schafe © Tutye / iStock / Getty Images
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Parasiten

KRANK DURCH LEBEREGEL

Roher Fisch, Wildkräuter, Brunnenkresse – wer diese Lebensmittel isst, kann sich mit Leberegeln infizieren. Die Parasiten können schwere Erkrankungen wie Gallengangsentzündung oder Gelbsucht auslösen.

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Leberegel zählen zur Gruppe der Saugwürmer (Trematoden). Die wichtigsten sind der Große und der Kleine Leberegel sowie der Chinesische Leberegel. Sie alle sind lanzettähnlich geformt, mit zwei Saugnäpfen im Kopfbereich. Leberegel sind weltweit verbreitet, gehören sie doch zu den anpassungsfähigsten Parasiten überhaupt. Denn um sich fortzupflanzen, müssen die Saugwürmer mehrmals den Zwischenwirt wechseln, was aus evolutionstechnischer Sicht ein großes Risiko bedeutet.

Meister der Manipulation Daher verändern manche Arten das Verhalten oder das Aussehen ihres letzten Zwischenwirts sogar so, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Endwirt gefressen wird. Hierbei handelt es sich meist um Weidetiere, Nager, Wild, Vögel oder auch Fische. Obwohl der Mensch kein natürlicher Endwirt ist, kann er ebenfalls von Leberegeln befallen werden, wenn er mit Larven kontaminierte Lebensmittel zu sich nimmt. Nicht immer löst der Parasit dann Beschwerden aus, potenziell kann er jedoch schwere Krankheiten verursachen. In Europa sind mehrere tausend Fälle von Leberegelerkrankungen bekannt. Meist verläuft die Wurmerkrankung aber beschwerdefrei.

Großer Leberegel Der Große Leberegel (Fasciola hepatica) lebt in den Gallengängen seines Endwirts, wo er bis zu drei Zentimeter lang wird. Wie die anderen Vertreter dieser Parasiten schützt ihn dabei seine spezielle Haut vor den Verdauungssäften. Gleichzeitig ermöglicht sie ihm das Atmen und unterstützt die Aufnahme von Nährstoffen, für die er zudem noch eine Mundöffnung besitzt. Alle Leberegel sind Zwitter, die sich – wenn kein zweites Tier vorhanden ist – selbst befruchten können. Der Große Leberegel legt seine Eier in die Gallengänge seiner Endwirte ab, von wo sie in den Stuhl wandern und damit ausgeschieden werden.

Gelangen sie ins Wasser, schlüpfen aus ihnen nach zwei bis drei Wochen Wimpernlarven (Miracidien), die sich selbständig fortbewegen können. Sie gehen auf die Suche nach ihrem ersten Zwischenwirt, einer kleinen Wasserschneckenart. In ihr entwickeln und vermehren sie sich in den nächsten zwei Monaten über weitere Larvenstadien zu Schwanzlarven (Zerkarien), die die Haut der Schnecke durchbohren und sich in Wassernähe an Pflanzen anheften. Dort entwickeln sie sich innerhalb von 24 Stunden zu schwanzlosen Metazerkarien, die in ihrer Hülle bis zu einem halben Jahr auf den Pflanzen infektiös bleiben können.

Werden sie von ihren Endwirten, meist Schafen oder Ziegen, aufgenommen, schlüpfen die jungen Würmer aus der Metazerkarienhülle, durchdringen Darmwand, Leberkapsel und -gewebe und wachsen in den Gallengängen zu adulten Würmern heran. Der Kreislauf ist geschlossen. Menschen infizieren sich nur selten mit dem Großen Leberegel, etwa durch den Verzehr von kontaminierter Brunnenkresse, der bei ihnen dann eine Fasziolose (die durch den Großen Leberegel verursachte Zoonose) auslösen kann, die jedoch oft symptomlos verläuft.

In der akuten, mehrere Wochen andauernden Phase der Erkrankung ernähren sich die jungen Würmer vom Lebergewebe und können Abszesse auslösen, was mit Gelbsucht, Fieber und Oberbauchschmerzen einhergehen kann. In der chronischen Phase haben sich die erwachsenen Tiere in den Gallengängen angesiedelt, wodurch sie neben Entzündungen auch einen bindegewebsartigen Umbau der Gallengänge hervorrufen können.

Klein, aber oho! Der Kleine Leberegel (Dicrocoelium dendriticum) ist fünf bis fünfzehn Millimeter groß und lebt ebenfalls in den Gallengängen des Endwirtes. Seine mit dem Kot ausgeschiedenen Eier enthalten bereits die voll ausgebildeten Miracidien, die extrem widerstandsfähig sind, sodass sie auch bei großer Hitze und Kälte bis zu zwei Jahre infektiös bleiben. Erster Zwischenwirt ist eine Landschnecke, deren Darmwand die geschlüpften Miracidien durchbohren, sodass sie sich im Körper über die nächsten Monate vermehren und zu Zerkarien entwickeln können.

Diese Schwanzlarven wandern schließlich in das Atemsystem der Schnecke, die sie in kleinen infektiösen Schleimbällchen ausscheidet. Diese werden vom zweiten Zwischenwirt, einer Ameise, aufgenommen. Im Insekt entwickeln sich die meisten Zerkarien zu umhüllten Metazerkarien, einige wandern jedoch ins Nervensystem der Ameise ein und beeinflussen ihr Verhalten. Hierdurch klettern die Tiere auf die Spitze von Gräsern oder auf Blüten, wo sie sich krampfartig festbeißen, bis sie von einem Endwirt gefressen werden, was den Kreislauf wieder schließt.

Auch der kleine Leberegel kann in seltenen Fällen den Menschen befallen, wenn über Wildkräuter oder Salat versehentlich infizierte Ameisen aufgenommen werden. Er kann dann im Menschen eine Dicrocoeliose auslösen. Die Symptome können Blähungen, Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall sein; bei schwerem Befall mit mehreren hundert Würmern kann auch eine Gallenkolik auftreten.

Vorsicht bei rohem Fisch! Der Chinesische Leberegel (Clonorchis sinensis) ähnelt dem Großen Leberegel, allerdings ist sein zweiter Zwischenwirt keine Wasserpflanze, sondern ein Süßwasserfisch. Die typische Asiendiät, gepaart mit den dortigen Hygienezuständen, ist der Grund dafür, dass in Ostasien etwa 40 Millionen Menschen von diesem Parasiten befallen sind. Sie scheiden die Würmer mit ihrem Kot aus, von dort gelangen sie über Wasserschnecken und Süßwasserfische wiederum in den Menschen.

Dort können sie eine Clonorchiose auslösen, die Gelbsucht und eine Gallengangsentzündung zur Folge hat, aber auch Gallengangkarzinome begünstigen kann. Auch Urlauber sind gefährdet, entweder durch den Verzehr von Sushi oder nicht vollständig gekochtem Fisch aus Garküchen. Klagen Asienurlauber nach ihrer Rückkehr über Fieber und Oberbauchschmerzen, sollten sie an einen Befall mit den Parasiten denken und sich vom Arzt dahingehend untersuchen lassen.

Behandlung unkompliziert Zur Diagnose einer Leberegelinfektion kann der Arzt zwei Verfahren anwenden. So sind die Eier mikroskopisch im Stuhl oder im Sekret des Zwölffingerdarms nachweisbar, was jedoch erst einige Wochen nach der Infektion der Fall ist. Schneller geht es mit einem Bluttest, der zeigt ob Antigene gegen Leberegelproteine im Blut vorhanden sind. Sofern sie noch nicht chronisch geworden ist und Organschäden verursacht hat, lässt sich eine Leberegelinfektion relativ leicht behandeln. Hierzu werden Anthelminthika wie Praziquantel oder Albendazol beim Chinesischen und Kleinen Leberegel beziehungsweise Triclabendazol beim Großen Leberegel eingesetzt.

Vorbeugen kann man einer Leberegelinfektion, indem man rohen Fisch und rohes Fleisch, vor allem Innereien, meidet. Die Eier, Larven und Würmer sterben bei 55 bis 60 Grad Celsius ab, sodass durchgegarte Lebensmittel kein Problem darstellen. Brunnenkresse sollte man nur gezüchtet kaufen oder selbst anzüchten. Fallobst aus gewässernahen Gegenden kann geschält werden, ein Risiko bleiben Wildkräuter. Diese sollte man zumindest vor dem Verzehr gründlich waschen. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/18 ab Seite 104.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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