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Botanicals

KOSTBARES HARZ DES ORIENTS

Fast jeder weiß, dass die drei Weisen aus dem Morgenland Jesu zur Geburt Gold, Weihrauch und Myrrhe schenkten. Weniger bekannt ist, um was es sich bei der so wertgeschätzten Myrrhe eigentlich genau handelt.

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Myrrhe, das Gummiharz des Myrrhenstrauches (Commiphora myrrha (Nees) Engl.) und anderer Commiphora-Arten, war vor Jahrtausenden eine hochgeschätzte Kostbarkeit. Den Römern diente es beispielsweise als Räuchermittel, mit dem sie ihre Götter verehrten. Die alten Ägypter balsamierten ihre Verstorbenen mit myrrhehaltigen Zubereitungen ein, um sie für die Ewigkeit haltbar zu machen. Auch die Juden verwendeten Myrrhe bei Bestattungsritualen und für andere rituelle Salbungen. So wurde nicht nur dem neugeborenen Christus, dem Messias (hebr. von Maschiach = der Gesalbte), Myrrhe dargebracht, sie wurde Jesus auch bei seiner Kreuzigung in Wein gelöst gereicht und war in seinem Leichentuch eingearbeitet.

Altes Heilmittel Zudem war Myrrhe in der ägyptischen Heilkunde ein bewährtes Mittel zur Behandlung von Wunden und Geschwüren. Auch römische und griechische Gelehrte lobten die Heilkraft der Myrrhe bei Wunden, entzündetem Zahnfleisch und schweren Durchfällen. Heute hat das Harz zwar sein hohes Ansehen verloren, es ist aber immer noch bei den gleichen Indikationen gebräuchlich. Damit ist es auch nicht verwunderlich, dass Myrrhe im Arzneibuch aufgeführt und damit eine offizinelle Droge ist. In Form der Myrrhentinktur ist sie auch jeder PTA und jedem Apotheker geläufig. Darüber hinaus findet sich Myrrhe in verschiedenen Medizinprodukten zur lokalen Behandlung und sie ist in gängigen traditionell zugelassenen Phytopharmaka sowie in diversen Nahrungsergänzungsmitteln zur innerlichen Anwendung enthalten.

Unscheinbarer Baum Der Myrrhe spendende kleine Baum oder Strauch Commiphora myrrha (Nees) Engl. (Synonym: Commiphora molmol) sowie die anderen Commiphora-Arten gehören zur Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae). Sie sind in den Trockengebieten des tropischen und subtropischen Afrikas (insbesondere Somalia) sowie auf der arabischen Halbinsel verbreitet. Einige kommen auch auf Madagaskar und in Vorderindien vor. Mit seiner spärlichen Belaubung, die aus kleinen, ledrigen Blättern besteht, hat sich der Baum an das Leben in den Trockengebieten gut angepasst. Commiphora myrrha (Nees) Engl. erreicht Wuchshöhen von bis zu drei Metern und bildet knotige Äste mit spitzen Sprossdornen. An den Enden der Zweige stehen kleine gelborange Blüten in rispenartigen Blütenständen. Seine Rinde ist bei jüngeren Zweigen blass-orangebraun und bei älteren aschgrau gefärbt.

Wertvolles Harz Das Gummiharz wird in den Harzgängen der glatten Rinde gebildet und tritt nach einer Verletzung der Rinde aus. An der Luft erstarrt die gelbliche flüssige Masse zu unregelmäßig geformten orangebraunen Stücken. Die Ernte erfolgt nach der Regenzeit von Juni bis August überwiegend durch Sammlung aus Wildbeständen. Es wird aber nicht nur das spontan aus der Rinde ausgelaufene Harz abgekratzt beziehungsweise gesammelt. Zusätzlich werden Einschnitte in die Rinde vorgenommen, um die Ausbeute zu erhöhen.

Die im Handel befindliche Droge besteht aus hell- oder dunkelorangen, braunen, unregelmäßig geformten oder rundlichen Körnern oder Brocken unterschiedlicher Größe mit glänzenden Bruchflächen. Die Oberfläche ist meistens mit einem grauen bis gelblichbraunen Staub bedeckt. Als typische Eigenschaft führt das Europäische Arzneibuch in seiner Monographie den bitter-aromatischen Geschmack auf. Darauf nimmt auch die Bezeichnung Myrrhe Bezug, die vom arabischen „murr“ = bitter abstammen soll.

Der aromatische Duft der Myrrhe wird gerne in der Parfümerie für holzige, grüne und orientalische Duftkompositionen gebraucht.

Wirksames ätherisches ÖlMyrrhe enthält ein komplexes Spektrum an Inhaltsstoffen, das in die drei Stoffgruppen ätherisches Öl, ethanollösliche Harzfraktion (Diterpen- und Triterpensäuren) und einen wasser- löslichen Gummianteil aus Kohlenhydraten (Proteoglykane) unterteilt werden kann. Der angenehme aromatische Geruch der Myrrhe ist auf das ätherische Öl zurückzuführen, das überwiegend aus Sesquiterpenen, darunter die für die Myrrhe typischen Furano-Sesquiterpene, besteht. Das ätherische Öl ist auch für die desinfizierenden, schwach adstringierenden, granulationsfördernden, analgetischen und antimikrobiellen Eigenschaften von Myrrhe verantwortlich, auf denen die verschiedenen Anwendungen der Myrrhe-Zubereitungen beruhen.

Bewährte Indikationen Laut Kommission E und der ESCOP eignet sich Myrrhe zur lokalen Behandlung leichter Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut, bei Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut sowie bei Prothesendruckstellen. Die Experten der europäischen Fachgruppe ergänzen diese Indikationen noch um die Behandlung leichter Hautentzündungen, kleiner Wunden und Hautabschürfungen sowie Mandelentzündungen. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (HMPC) hat Myrrhe als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft und führt für die Myrrhentinktur die Behandlung kleiner Geschwüre und Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis, Gingvititis) sowie kleinerer Hautwunden und kleiner Furunkel auf. Als Droge ist Myrrhe nicht gebräuchlich.

Sie ist aber traditioneller Bestandteil von Schwedenkräutermischungen, die mit 30 bis 60 Volumenprozent Ethanol angesetzt werden und als Schwedenbitter bei diversen Beschwerden äußerlich und innerlich zur Anwendung kommen. Vorzugsweise wird Myrrhe als Myrrhentinktur (Myrrhae tinctura) verwendet, deren Qualität im Europäischen Arzneibuch beschrieben ist. Diese wird bei Entzündungen im Mund und Rachenraum entweder unverdünnt zwei bis drei Mal täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen oder kommt als Gurgellösung (fünf bis zehn Tropfen in einem Glas Wasser) zum Einsatz. Auch verschiedene Zahnpasten und Mundhygieneprodukte enthalten Myrrhe als desinfizierende, entzündungshemmende und adstringierende Komponente.

Darüber hinaus findet sich Myrrhe in traditionell zugelassenen Phytopharmaka gegen verschiedene Darmerkrankungen. Anwendungsgebiete sind vor allem Durchfälle begleitet von leichten Krämpfen und Blähungen. In der Kombination mit Kaffeekohle und Kamille konnten positive Effekte im Rahmen der Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen festgestellt werden. Dabei soll die Dreierkombination zum einen spasmolytisch und entzündungshemmend wirken. Zum anderen wird ein Einfluss auf die Stabilisierung der Darmbarriere postuliert. Daneben werden auch zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel mit Myrrhe angeboten.

Achtung Unter dem Begriff Myrrhe werden auch Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, die Bdellium, die falsche Myrrhe, enthalten. Dabei handelt es sich um Ersatzware aus der indischen Commiphora mukul HOOK ex. STOCKS, die in der ayurvedischen Medizin gebräuchlich ist und den Cholesterolspiegel im Blut senken soll.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 98.

Gode Chlond, Apothekerin

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