Kind fasst sich an den Kopf.© M-image / Tatyana Antusenok/ iStock / Getty Images
Erst ab dem Grundschulalter sind Kinder in der Lage, genauere Auskunft zum Schmerzgeschehen zu geben, daher ist es wichtig, das Verhalten der Kleinen zu beobachten.

Körpersprache

WIE KINDER IHRE SCHMERZEN ÄUSSERN

Weinen, Appetitlosigkeit, starke Unruhe – Schmerz zeigt sich vielgestaltig und hat zahlreiche Ursachen. Nicht immer werden Schmerzen bei kleinen Kindern richtig erkannt. Wegweisend kann die Körpersprache sein.

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Da sich Säuglinge gar nicht und kleine Kinder noch nicht exakt verbal äußern können, ist es für Eltern meist äußerst schwierig zu erkennen, was ihrem Kind fehlt. Es erfordert viel Erfahrung, den Grund für das Unwohlsein herauszufinden. Nicht immer sind Schmerzen die Ursache dafür. Auch seelische Faktoren spielen eine Rolle. Dabei können sowohl positive wie negative Gefühle mit Unruhe und Geschrei oder Appetitlosigkeit, Erbrechen und Durchfall einhergehen. 

Es ist also Spürsinn gefragt und im Zweifel sollte das Kind lieber dem Arzt vorgestellt werden. Je jünger das Kind ist, umso eher ist eine ärztliche Abklärung erforderlich, bei Säuglingen grundsätzlich, notfalls auch in einer kinderärztlichen Notfallambulanz.

Körpersprache erkennen

Selbst Kinder im Kindergartenalter können Schmerzen noch nicht genau lokalisieren oder beschreiben. Diffuse Empfindungen um die Nabelgegend herum werden ebenso wie stechende Schmerzen an klar definierten Stellen im Bauch undifferenziert als Bauchweh geäußert. Kleinkinder klagen sogar über Bauchschmerzen bei Schmerzen an ganz anderen Körperstellen, denn sie projizieren Schmerzen aller Art in den Bauch. 

Erst ab dem Grundschulalter sind Kinder in der Lage, genauere Auskunft zum Schmerzgeschehen zu geben und erst bei einem Zwölfjährigen kann man sich schließlich auf die Angaben zum Ort, zur Qualität, Intensität oder Dauer der Schmerzen verlassen. Daher ist es wichtig, das Verhalten der Kleinen zu beobachten. Typische Schmerzursachen gehen vielfach mit einer charakteristischen Körpersprache einher.

Angezogene Beinchen

Im Säuglings- und Kleinkindalter treten häufig Bauchschmerzen auf. Die Ursachen für die Schmerzen sind vielfältig und bleiben oft unklar. Neben diversen Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Darminfektionen, Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten) können sich auch verschiedene andere Infektionen (z. B. akute Mittelohrentzündung, Scharlach, Blasenentzündung), ein Wurmbefall oder gefährliche Erkrankungen (z. B. Darmverschluss, eingeklemmter Leistenbruch) dahinter verbergen. In den ersten Lebenswochen oder -monaten ist häufig eine Regulationsstörung (früher als Dreimonatskolik bezeichnet) Auslöser der Schmerzen. 

„Symptome von Bauchschmerzen im Säuglings- und Kleinkindalter sind ein geplähter Bauch, ein Krümmen und Anziehen der Beine sowie Schreiattacken“.

Kennzeichnend sind heftige Schreiattacken sowie ein Krümmen und Anziehen der Beine gepaart mit einem harten, geblähten Bauch. Aber auch Stress, soziale Probleme oder anderer Seelenkummer schlagen schon bei den Kleinen buchstäblich auf den Magen.

Zudem können ab dem Kleinkindalter Bauchschmerzen Ausdruck einer abdominellen Migräne sein, also einer Migräne, die sich durch regelmäßige Bauchschmerzattacken rund um den Bauchnabel herum auszeichnet. Typischerweise werden die Attacken von starker Müdigkeit begleitet.

Faust im Mund

Ebenso zeigen zahnende Säuglinge typische Verhaltensweisen. Sie sind dann unruhiger als sonst, leicht reizbar und quengelig. Auffällig ist zudem ihr Bedürfnis, die Finger oder die ganze Faust ständig in den Mund zu stecken und darauf herum zu kauen. Zugleich zeigt ein vermehrter Speichelfluss, dass sich der erste Zahn seinen Weg bahnt. Vom vielen Sabbern bildet sich manchmal ein roter Hautausschlag auf dem Kinn, der sich weiter zu roten Bäckchen ausbreiten kann.

„Steigt das Thermometer auf über 38.5° C, sollte immer ein Kinderarzt hinzugezogen werden“.

Stoßen die Zähne dann durch das Zahnfleisch, sind starke Schmerzen möglich, die bis in die Ohren strahlen. Meist ist der Durchbruch der scharfen und flachen Schneidezähne weniger schmerzhaft als das Hervortreten der Backenzähne, die eine viel größere Fläche haben. Manchmal wird das Zahnen von einer erhöhten Temperatur begleitet.

Steigt das Thermometer aber auf Werte über 38,5°C, liegen in der Regel keine normalen Zahnungsbeschwerden mehr vor. Vielmehr ist durch die körperliche Belastung beim Zahnen die kindliche Immunabwehr geschwächt, sodass sich begleitend eine fieberhafte Erkrankung entwickelt. Daher ist bei Fieber immer der Kinderarzt zu konsultieren, damit dieser die eigentliche Ursache festgestellt und eine entsprechende Behandlung einleiten kann.

Ans Ohr fassen

Ohrenschmerzen im Rahmen einer akuten Mittelohrentzündung sind ebenfalls ein häufiger Grund für Schmerzen im Säuglings- und Kleinkindalter. Zwei Drittel aller Kinder leiden bis zum dritten Lebensjahr mindestens einmal an der schmerzhaften Entzündung. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem sechsten und 15. Lebensmonat. Typisch ist, dass sich die Kleinen wiederholt ans Ohr fassen. Häufig ist dieses auch ganz rot.

Säuglinge trinken zudem schlecht, weinen viel und wälzen den Kopf hin und her. Darüber hinaus können sich noch Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einstellen. Wird der Druck im Mittelohr zu groß, kann das Trommelfell einreißen. Eine Perforation macht sich durch eine Eitersekretion aus dem Gehörgang bemerkbar („Ohrenlaufen“). Letztendlich kann aber nur der Arzt durch einen Blick ins Ohr eine Infektion im Mittelohr diagnostizieren.

Schmerzintensität erfassen

Leidet das Kind unter Schmerzen, besteht häufig auch eine Verunsicherung darüber, wie stark diese sind. Bei Säuglingen und Kindern unter vier Jahren lässt sich ein Rückschluss über die Schmerzintensität über ihr Verhalten ziehen. Dafür werden die verschiedenen Äußerungen der Kinder wie Weinen, Gesichtsausdruck, Rumpf- und Beinhaltung sowie motorische Unruhe genau beobachtet und anschließend beurteilt.

Methoden zur Befindlichkeitserfassung

+ KUS-Skala (Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala) Mithilfe eines Punktesystems bewerten die Ärzte die fünf Ausdrucksweisen und leiten ab einer bestimmten Punktzahl eine Schmerztherapie ein.
+ VAS-Skala (Visuelle Analog-Skala bei älteren Kindern) Dabei handelt es sich um eine grafische Ratingskala, mit deren Hilfe die Kinder ihre Schmerzen selbst einschätzen. Dafür erhalten sie ein Lineal mit einer Zahlenskala von 0 (schmerzfrei) bis 10 (stärkste vorstellbare Schmerzen) beziehungsweise mit unterschiedlich grimassierenden Gesichtern oder Smileys (Lachen bis Weinen), auf der sie ihre Schmerzen angeben. Je nach subjektiv festgestellter Schmerzintensität erfolgt eine darauf abgestimmte Schmerzanalgesie.

Schmerztherapie in der Selbstmedikation

Mittel der Wahl sind bei Kindern Paracetamol und Ibuprofen. Beide Wirkstoffe werden im Rahmen der Selbstmedikation bei leichten bis mäßig starken Schmerzen eingesetzt und alters- beziehungsweise gewichtsabhängig dosiert. Acetylsalicylsäure (ASS) ist hingegen bei Kindern ohne ärztliche Überwachung nicht geeignet, da sie in sehr seltenen Fällen bei fieberhaften Erkrankungen das lebensgefährliche Reye-Syndrom auslösen kann.

Bei Schmerzen ist aber nicht nur an die Gabe eines Analgetikums zu denken. Darüber hinaus kommen noch ursachenabhängig verschiedene Substanzgruppen zur Anwendung. Beispielsweise erfordert die Behandlung einer Mittelohrentzündung immer abschwellende Nasentropfen mit alpha-Sympathomimetika (z. B. Xylometazolin, Oxymetazolin). Sie ermöglichen ein Abfließen des Schleims und damit eine Belüftung des Mittelohrs.

In einigen Fällen müssen zudem Antibiotika vom Arzt verordnet werden. Zahnende Kinder profitieren von Zahnungsgelen mit entzündungshemmenden Pflanzenextrakten (z.B. Kamillenblüten), die zusätzlich ein Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain) enthalten.

Kinder mit Bauchschmerzen können Linderung durch Phytoherapeutika mit entkrampfender, entzündungshemmender oder entblähender Wirkung erfahren (z. B. mit Kamillenblüten, Pfefferminzblättern, Kümmelfrüchten). Zudem empfinden sie ein warmes Bad oder eine Bauchmassage als wohltuend.

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