Seegraswiese im Meer© Arnaud Abadie /iStock / Getty Images Plus
Seegraswiesen sehen nicht nur wunderschön aus, sie sind auch für unser Klima von großer Bedeutung.

Klimaschutz

SEEGRASWIESEN SPEICHERN DEN ZUCKER VON 32 MILLIONEN COLADOSEN

Die Welt am Meeresgrund ist voller Wunder. Seegraswiesen wogen im Wasserstrom; ein Quadratkilometer davon speichert so viel Kohlenstoff wie ein ganzer Wald an Land. Und er speichert auch noch Zucker, den er nicht mehr loswird, wie Forscher des Max-Planck-Instituts jetzt verblüfft feststellten.

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Seegräser wie das Neptungras (Posidonia oceanica) bilden üppige Unterwasserwiesen und sind artenreiche Lebensräume für eine ganze Reihe von Wassergetier – Nemo, der Clownsfisch, ist nur einer davon. Die großen Mengen an Kohlenstoff speichert er 35mal so schnell wie die Bäume an Land. Deshalb wäre es betrüblich, würde das viele Seegras durch Klimawandel und Wasserverschmutzung zugrunde gehen. Schon darum möchte die Wissenschaft mehr über seine Lebensweise erfahren.

Wenn Posidonia durch die länger scheinende Sonne zu viel Energie in Form von Zucker erzeugt, speichert sie diese in ihren Wurzeln ab. Forscher im Taucheranzug nahmen nun Proben aus dem Sediment  unter den Seegraswiesen vor der Insel Elba, in der Karibik und in der Ostsee bei Kiel. Diese Proben unterzogen sie einer chemischen Analyse.

Süßer Meeresgrund

40 Prozent aller gelösten organischen Verbindungen bestanden aus – Zucker. Und zwar genau dem, den wir zum Kuchenbacken verwenden, nämlich Saccharose. Auch Glucose, Trehalose und Mannitol fanden sich, jedoch in deutlich geringeren Mengen. 80-mal höher lag die Gesamtkonzentration aller Zuckersorten als bisher. „Wir schätzen, dass weltweit insgesamt zwischen 0,6 und 1,3 Millionen Tonnen Zucker in der Seegras-Rhizosphäre lagern.“ Das entspricht dann soviel wie der Menge an Süßkram in 32 Milliarden Dosen Cola.

Im Wasser zwischen den Wurzeln und in deren äußeren Zellschichten fanden die Forscher besonders viel. Die Rhizosphäre sei praktisch ein Überlaufventil für überschüssige Saccharose, formulierten die Wissenschaftler. Doch überraschend sei nicht nur die schiere Menge an Zucker – sondern auch, dass er erhalten bleibt. Denn die energiereichen Zuckerverbindungen werden in der Natur normalerweise schnell von Bakterien und anderen Mikroorganismen abgebaut. Doch warum ist das diesmal nicht so?

Kaffeesäure braucht Sauerstoff – und der ist nicht da

Ergänzende Versuche im Labor zeigten: Die Wasserpflanzen speichern auch Phenole wie Kaffeesäure und Cichoriensäure. Es ist, als ob sie Kaffee tränken – vielleicht werden sie deshalb von den Bakterien verschmäht. Diese lieben Sauerstoff, von dem aber am Meeresgrund nicht so viel vorhanden ist. „In den sauerstoffarmen Sedimenten können die Phenole nicht oxidiert werden und sammeln sich daher an“, erklären die Max-Planck-Forscher. „Das hemmt den mikrobiellen Abbau der Saccharose und erlaubt dessen Anreicherung.“ Das gleiche Phänomen vermutet man auch in Mangrovensümpfen, in Reisfeldern oder im Marschland.

Und so hat denn die Entdeckung der süßen Oasen unter den Seegraswiesen auch eine potenziell große Bedeutung für den globalen Kohlenstoffkreislauf. Denn die pflanzlichen Zucker binden Kohlenstoff und tragen damit zusätzlich zu seiner Speicherung bei – solange die Seegraswiesen intakt sind. Verschwinden diese jedoch, dann können die Bakterien ihre Arbeit leisten – und weltweit bis zu 1,54 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre schicken. Das entspräche etwa der Menge an Kohlenstoffdioxid, die 330 000 Autos in einem Jahr ausstoßen. Damit macht die Studie deutlich, wie wichtig es ist, die „blauen Kohlenstoffspeicher“ zu erhalten.

Quelle: scinexx – Das Wissensmagazin

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