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Politik

KLEINES JUBILÄUM – TEIL 2

Das SGB V trat am 1. Januar 1989 in Kraft und feiert somit in diesem Jahr ein „kleines Jubiläum“. Der Neukodifizierung des Rechts der GKV folgten mehrere Änderungsgesetze.

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Schlag auf Schlag kamen weitere Novellierungen im Jahresrhythmus: 2001 wurde mit dem Festbetragsanpassungsgesetz die Festsetzung der Festbeträge vorübergehend dem Bundesgesundheitsministerium übertragen, weil es verfassungsrechtliche Bedenken zur Praxis der Festsetzung durch die Spitzenverbände der Krankenkassen gab. Noch im selben Jahr wurde das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz vorgelegt, das eine Abschaffung der Arzneimittelbudgets und eine Einführung von Zielvereinbarungen zu den ärztlichen Ausgabenvolumina vorsah.

2002 brachte das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz unter anderem den Apotheken die aut-idem-Regelung und forderte von den forschenden Arzneimittelherstellern einen Solidarbeitrag. Das Beitragssatzsicherungsgesetz hatte 2003 neue beziehungsweise erhöhte Arzneimittelrabatte für Arzneimittelhersteller, Großhändler und Apotheken zur Folge. Und wäre das 12. SGB V Änderungsgesetz mit der geplanten Wiedereinführung von Festbeträge für patentgeschützte Arzneimittel nicht am Bundesrat gescheitert, hätte noch im selben Jahr ein weiteres Gesetz das Licht der Welt erblickt.

Die größte Gesundheitsreform der letzten Jahre folgte 2004: das Gesundheitsmodernisierungsgesetz. Das sogenannte GMG ist eng mit dem Namen der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt verbunden, der es in einer rotgrüne Koalition gelang, sich mit der CDU/CSU-Opposition auf weitreichende Maßnahmen zur Entlastung der Krankenkassen zu verständigen.

Im Arzneimittelbereich wurde eine neue Ära mit der Gründung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) eingeläutet, das seither den patientenrelevanten Nutzen von neuen Arzneimitteln nach der Zulassung bewertet. Gleichzeitig wurde eine Praxisgebühr eingeführt und die Vergütung der Apotheken für verschreibungspflichtige Arzneimittel an die abgegebene Packung gekoppelt.

Nicht verschreibungspflichtige Medikamente wurden weitestgehend aus dem Leistungskatalog der Kassen gestrichen, die Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Produkte aufgehoben. Für zu Lasten der GKV verordnete Arzneimittel müssen Patienten seither Zuzahlungen von zehn Prozent der Kosten leisten, höchstens aber zehn Euro und mindestens fünf Euro. Die Einführung des Versandhandels und die Lockerung des Mehrbesitzes mit dem GMG hat die Apothekenlandschaft zudem nachhaltig verändert.

Weitere Spargesetze Mitte 2006 trat das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz in Kraft. Anlass für dieses Maßnahmenpaket der damaligen Großen Koalition waren einmal mehr steigende Ausgaben. Unter anderem wurde ein zweijähriger Preisstopp für verordnungsfähige Arzneimittel verhängt, Festbeträge wurden abgesenkt, der Herstellerabschlag für Generika erhöht und Naturalrabatte von Pharmaherstellern an Apotheken verboten.

Es folgte das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz im Jahr 2007, das die Nutzenbewertung von innovativen Arzneimitteln zur Kosten-Nutzen- Bewertung erweiterte. Das Gesetz half auch der bis dahin vor sich hin dümpelnden Substitutionspraxis „auf die Sprünge“, in dem die Apotheken zur Ersetzung durch ein Rabattarzneimittel verpflichtet wurden, wenn die Substitution nicht durch den Arzt explizit ausgeschlossen war. Diese Regelung hat bis heute Bestand (und sorgt seither für einen nicht unerheblichen Mehraufwand in Apotheken), während andere Regelungen, wie etwas das Zweitmeinungsverfahren bei Verordnung von Spezialarzneimitteln, inzwischen wieder aufgehoben wurden.

Es folgte ein weiteres Arzneimittelspargesetz, das GKV-Änderungsgesetz, mit dem Pharmahersteller kräftig zur Kasse gebeten wurden. Ab Mitte 2010 mussten sie auf alle Medikamente, für die es keine Festbeträge gab und die zu Lasten der GKV verordnet wurden, „satte“ sechzehn Prozent Abschlag (eine Erhöhung um zehn Prozentpunkte) gewähren; zugleich wurden die Preise (vorerst) bis Ende 2013 eingefroren.

Beim am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes, kurz AMNOG genannt, wurde eine neue „Ära“ im Arzneimittelbereich eingeläutet: Der damalige Bundesgesundheitsminister Rösler beschnitt weitestgehend die freie Preisgestaltung der Hersteller für innovative Arzneimittel. Seither bestimmt der Zusatznutzen der Innovation für die Patienten, der vom pharmazeutischen Unternehmen bei Markteinführung zu belegen ist, den Preis des Arzneimittels ab dem dreizehnten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen.

Im Übrigen brachte das Gesetz die sogenannte Mehrkostenregelung, die es GKV-Versicherte ermöglicht, in der Apotheke auch ein anderes als das Rabattpräparat ihrer Krankenkasse bei Übernahme der Mehrkosten zu erhalten. Die Verpflichtung zur Abgabe von Arzneimitteln, für die ein Rabattvertrag besteht, wurde auch auf importierte Arzneimittel und ihre Bezugsarzneimittel ausgedehnt; Voraussetzung für die Austauschpflicht der Apotheke ist, dass das rabattierte Arzneimittel nach Abzug des Rabatts preisgünstiger ist.

Neben einem vorübergehend erhöhten Apothekenabschlag brachte das Gesetz zudem eine Umstellung der Großhandelsvergütung auf einen Fixzuschlag kombiniert mit einen prozentualen Aufschlag sowie eine Umstellung der Packungsgrößenverordnung auf eine Reichdauerorientierung, um die Umsetzung der Rabattverträge in den Apotheken zu erleichtern.

Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz aus dem Jahr 2012 ermöglichte erstmals Modellvorhaben wie das Medikationsmanagement Sachsen- Thüringen (ARMIN). Ferner wurden mit dem Gesetz bisherige Angebotsmöglichkeiten der Krankenkassen für Satzungsleistungen ausgeweitet und so Gestaltungsspielräume für Wettbewerb geschaffen; die Versorgung mit nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist einer der in Betracht kommenden Leistungsbereiche.

Aktuell Im Jahr 2014 folgten sodann das 13. und 14. SGB V-Änderungsgesetz. Sie brachten eine Verlängerung des Arzneimittelpreisstopps bis Ende 2017, einen Herstellerrabatt in Höhe von sieben Prozent und eine Austauschverbotsliste anstelle „pharmazeutischer Bedenken“. Durch Einstellung der Nutzenbewertung des Bestandsmarkts wurde eine Zweiteilung des Arzneimittelmarktes zementiert: innovative, seit 2011 neu in Verkehr gebrachte Arzneimittel müssen ihren Zusatznutzen belegen, für alle älteren Arzneimittel bleibt der tatsächliche Nutzen für Patienten und Fachkreise unklar.

Teil 1 finden Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 76.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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