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Mikroplastik

KLEINE TEILCHEN, GROSSER ÄRGER

Mikroplastik in Kosmetik: Das Thema birgt Zündstoff. Denn die Kunststoffwinzlinge aus Tuben und Tiegeln gelangen ins Abwasser und verschmutzen die Meere. Auf freiwilligen Verzicht setzen die Hersteller, ein Verbot fordern Umweltschützer.

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Mikroplastik erregt die Gemüter, sorgt für heftige Diskussionen und erzeugt bei umweltbewussten Verbrauchern den Wunsch nach Körperpflegeprodukten, die ohne die in Misskredit geratenen Kunststoffpartikel auskommen. „Mikroplastik, das in Peelings oder Duschgels eingesetzt wird, leistet einen mengenmäßig vergleichsweise geringen, gleichwohl aber unnötigen Beitrag zur Umweltverschmutzung“, so das Umweltbundesamt in einer Pressemittteilung. Fest steht, dass Kunststoffe zunehmend das Meeresökosystem bedrohen.

Mit durchschnittlich 75 Prozent dominiert Kunststoff auch an Europas Stränden die Müllfunde und gefährdet unzählige Meeresbewohner. Sie nehmen die Kunststoffabfälle auf oder verfangen sich in ihnen. Nicht nur größere Plastikteile, sondern auch Mikropartikel können bei aquatischen Lebewesen zu Verletzungen des Verdauungstraktes führen, die Verdauung behindern sowie die Nahrungsaufnahme blockieren. Und nicht zur das: Mikropartikel aus Kunststoff ziehen Schadstoffe wie Magnete an. Ans Plastik gebunden gelangen die schädlichen Substanzen dann in Muscheln und andere Meerestiere.

Peeling mit Nebenwirkung Doch was hat das alles mit unseren Kosmetika zu tun? Eine ganze Menge, wissen Experten: Vielen kosmetischen Produkten werden die winzigen Kunststoffpartikel nämlich zugesetzt, unter anderem steckt Mikroplastik in Peelings und Reinigungsprodukten. Ein Grund dafür ist die schmirgelnde Wirkung der kleinen Plastikteile. Laut einer Studie für das Umweltbundesamt werden in Deutschland pro Jahr vermutlich rund 500 Tonnen solcher primären Mikropartikel aus Polyethylen – dem weltweit am häufigsten verwendeten Kunststoff – in kosmetischen Mitteln eingesetzt.

Werden die Präparate von der Haut abgewaschen, gelangt das Mikroplastik automatisch ins Abwasser. Viele Kläranlagen sind mit den Mini- Teilchen überfordert und können sie nicht filtern. Und so setzen die kleinen Plastikpartikel ihre Reise fort: In unsere Flüsse und Meere und zu deren Bewohnern, bei denen sie dann in Magen und Darm landen können. Ohne Zweifel ist primäres Mikroplastik, das übrigens nicht nur in kosmetischen Mitteln, sondern zum Beispiel auch in industriellen Sandstrahlern und Reinigungspasten steckt, ein umweltrelevantes Problem.

Jedoch weist das Umweltbundesamt auch darauf hin, dass die mengenmäßig bedeutsamste Quelle für Mikroplastik im Meer die Zersetzung größerer Plastikteile ist. In diesem Zusammenhang sprechen Experten von sekundärem Mikroplastik. Es entsteht, wenn größere Kunststoffprodukte – zum Beispiel weggeworfene Verpackungen oder Plastiktüten – im Verwitterungsprozess, etwa unter dem Einfluss von UV-Strahlen oder durch Wellenbewegungen, zerfallen. Auch Fasern, die sich beim Tragen und Waschen von synthetischen Textilien ablösen, gehören zu sekundärem Mikroplastik.

Verzichten ist angesagt Ob primär oder sekundär: Um die weltweite Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik zu reduzieren, besteht Handlungsbedarf. Das wissen auch die Hersteller von Kosmetikprodukten, die bei uns auf einen freiwilligen Verzicht auf die umstrittenen Inhaltsstoffe setzen. Laut einer Umfrage unter europäischen Kosmetikherstellern durch Cosmetics Europe (CE), dem europäischen Dachverband der Kosmetikindustrie, hat sich die Menge an festen Kunststoffpartikeln in abzuspülenden Kosmetika (sogenannten Rinse-off-Produkten) zwischen den Jahren 2012 und 2015 bereits um 70 Prozent reduziert.

CE hatte seinen Mitgliedern im Herbst 2015 empfohlen, bis 2020 feste, nicht abbaubare Kunststoffpartikel durch alternative Stoffe zu ersetzen. Der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e. V. (IKW) geht davon aus, dass der Verzicht der Industrie auf diese festen, nicht abbaubaren Kunststoffpartikel in Reinigungs- und Peelingprodukten bereits vor 2020 vollzogen sein wird. Erfreulich: Aus Zahncremes sind die festen Kunststoffteilchen bereits vollständig verschwunden!

Umweltschützer schlagen Alarm Das hört sich prima an, doch längst nicht zufrieden mit den bisherigen Anstrengungen der Hersteller sind Umweltschützer, die nach wie vor erhebliche Missstände anprangern. Für Aufsehen sorgte eine im letzten Oktober vorgestellte Untersuchung des privaten Verbraucherportals Codecheck in Kooperation mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Für die „Mikroplastikstudie 2016“ hatte Codecheck in über 100 000 Kosmetikprodukten aus unterschiedlichsten Kategorien nach besonders häufig vertretenen Plastik- und Mikroplastikbestandteilen gefahndet und die Funde aus den Jahren 2014 und 2016 miteinander verglichen.

„Für die acht untersuchten Mikroplastikarten ist in den 19 untersuchten Kategorien insgesamt keine Abnahme in der Verwendung ersichtlich“, so ein zentrales Studienergebnis. Und das bedeutet: Nach Einschätzung der Studienautoren steckt umweltschädliches Mikroplastik nach wie vor in erheblichem Umfang in kosmetischen Produkten – in Peelings und Duschgels, aber zum Beispiel auch in Make-ups, Sonnenschutzmitteln und Gesichtscremes.

Nicht nur in Form von Polyethylen (PE) wird es verwendet, sondern verbirgt sich auch hinter Bezeichnungen wie zum Beispiel Acrylates Copolymer (AC) oder Nylon-12. Für den IKW sind die Studienergebnisse nicht nachvollziehbar. Ein Grund: Viele der in der Untersuchung genannten Inhaltsstoffe lägen in kosmetischen Produkten als gelöste Polymere, sprich in flüssiger Form, vor. Diese seien von festen Kunststoffpartikeln zu unterscheiden und daher separat zu betrachten. Die wissenschaftliche Kritik an Mikroplastik bezöge sich vorranging auf feste Kunststoffpartikel.

Eine Frage der Definition Für Verwirrung rund ums Mikroplastik sorgt sicher auch die Tatsache, dass es bislang keine allgemeingültige Definition für die winzigen Kunststoffteilchen gibt und die Größenangaben in der Literatur schwanken. So heißt es im Internationalen Meeresschutz beispielsweise: „Mikroplastik sind Plastikpartikel, die fünf Millimeter und kleiner sind“. Und in der Vergabegrundlage des Umweltzeichens „Blauer Engel“ für Rinse-off-Kosmetikprodukte werden „Partikel aus Kunststoff in einer Größe von 100 Nanometer bis fünf Millimeter“ als Mikroplastik definiert – somit ist hier eine Untergrenze festgelegt.

Partikel die winziger als 100 Nanometer (0,0001 mm) sind, werden nicht erfasst. Reinigungsmittel, die sich mit dem Blauen Engel schmücken möchten, dürfen mittlerweile kein Mikroplastik mehr enthalten. Flüssige Kunststoffe in Kosmetikprodukten, die in Duschgelen beispielsweise als Filmbildner eingesetzt werden, fallen nicht unter die gängigen Definitionen von Mikroplastik. „Ungeachtet dieser Unterscheidung in der Definition, sollten kosmetische Mittel aus Umweltsicht keine schwer abbaubaren synthetischen Polymere wie zum Beispiel Styrene/ Acrylates Copolymer enthalten“, so das Umweltbundesamt. Verbraucher sollten bevorzugt zu Produkten greifen, die solche Stoffe nicht enthalten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 114.

Nina Leonard, Journalistin

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