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Tiere in der Apotheke

KASTRATION ODER CHIP?

Soll der Besitzer einer Hündin zweimal pro Jahr die Läufigkeit in Kauf nehmen oder besser vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um zu vermeiden, dass jeder Spaziergang in dieser Zeit zu einem Spießrutenlauf wird?

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Der Sexualzyklus der Hündin kann vorübergehend mittels Hormonen oder auch endgültig durch Kastration unterbrochen werden. Es ist übrigens nicht richtig, dass Hündinnen sterilisiert und Rüden kastriert werden; „Sterilisation“ und „Kastration“ sind keine geschlechtsabhängigen Begriffe, sondern vielmehr unterschiedliche operative Methoden. Bei der Sterilisation wird der Eileiter beziehungsweise der Samenstrang durchtrennt. Wenn die Eierstöcke beziehungsweise die Hoden entfernt werden, spricht man von Kastration.

Vorteile der Kastration Die sicherste Methode der „Verhütung“ bei der Hündin ist die Kastration. In der Regel werden nicht nur die Eierstöcke, sondern auch die Gebärmutter entfernt. Dadurch werden die Sexualfunktionen zeitlebens unterbunden, das heißt, die Läufigkeit mit den offensichtlichen Nachteilen wie blutigem Ausfluss bleibt aus.

Ein weiterer Vorteil ist das deutlich reduzierte Auftreten von Mammatumoren: Wird eine Hündin bereits vor der ersten Läufigkeit kastriert, sinkt das Risiko, dass sie in späteren Jahren einen Mammatumor entwickelt, auf unter ein Prozent. Wird sie zwischen der ersten und zweiten Läufigkeit kastriert, beträgt das Erkrankungsrisiko bereits acht Prozent. Durch einen späteren Eingriff kann das Risiko für Tumoren nicht mehr weiter reduziert werden.

Eine frühzeitige Kastration vor der ersten Läufigkeit erscheint demnach sinnvoll, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Hälfte der Gesäugetumoren bösartig ist. Das Argument, dass sich das Skelett einer Hündin, bei der eine Frühkastration erfolgte, nicht ausreichend entwickelt, konnte durch wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt werden.

Und die Hündinnen bleiben entgegen der häufig geäußerten Meinung auch in ihrer sonstigen Entwicklung nicht zurück. Sie bleiben zwar verspielter als ihre nicht oder später kastrierten Genossinnen, aber dieser Spieltrieb wird nicht unbedingt als negativ beurteilt.

Auch wenn sich die Frühkastration im Allgemeinen nicht nachteilig auf die Lernfähigkeit auswirkt, wird dennoch empfohlen, Hündinnen, die zum Beispiel als Blindenführhund oder Schutzhund ausgebildet werden, erst nach der ersten Läufigkeit zu kastrieren. Vor allem ängstliche und nervöse Tiere sind nach der Kastration oft ausgeglichener und selbstbewusster, während Temperament und körperliche Aktivität erhalten bleiben.

Nicht zwangsläufig übergewichtig Ebenso muss eine kastrierte Hündin nicht unweigerlich dick werden. Viele Hündinnen entwickeln zwar einen größeren Appetit; durch konsequente restriktive Fütterung und ausreichend Bewegung kann man der Gewichtszunahme entgegenwirken. Und es existieren noch weitere Vorteile: Nach der Läufigkeit kann es bedingt durch die hormonellen Schwankungen zu einer Anbildung des Gesäuges und damit zu einer Scheinschwangerschaft kommen.

Diese Verhaltensstörung tritt nach einer Kastration natürlich nicht mehr auf. Darüber hinaus können durch die Kastration schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankungen der Gebärmutter wie eine Gebärmuttervereiterung verhindert werden. In einigen Fällen ist die Kastration der Hündin auch aus medizinischen Gründen indiziert, weil beispielsweise entzündliche Veränderungen oder Tumoren der Gebärmutter beziehungsweise der Eierstöcke sowie ein Vorfall der Gebärmutter diagnostiziert wurden.

Nachteile der Kastration Eine mögliche Nebenwirkung ist die Harninkontinenz. Diese kann unmittelbar nach der Kastration in Erscheinung treten oder erst Jahre später. Betroffen sind vor allem Hündinnen großer Rassen. Inkontinente Hündinnen müssen Medikamente einnehmen, die in den meisten Fällen Erfolg zeigen, die aber auch lebenslang verabreicht werden müssen. Hunde mit glänzendem Fell wie Cockerspaniel oder Irish Setter entwickeln nach der Kastration manchmal ein stumpfes Babyfell. Bei frühkastrierten Hündinnen wird diese Fellveränderung seltener beobachtet.

Hormone statt OP Die hormonelle Unterdrückung der Läufigkeit ist eine Alternative zur Kastration. Dazu müssen in regelmäßigen Abständen Depot-Gestagene verabreicht werden. Der Behandlungsbeginn erfolgt frühestens drei Monate nach einer und spätestens einen Monat vor einer erwarteten Läufigkeit; am besten ist es, die erste und zweite Läufigkeit abzuwarten. Insgesamt sollte diese hormonelle Läufigkeitsunterdrückung nicht länger als zwei Jahre andauern, da mit unerwünschten Nebenwirkungen wie Gebärmuttervereiterung, Diabetes und der Aktivierung von Gesäugetumoren zu rechnen ist.

Trächtigkeitsunterbrechung Ist man sich nicht sicher, ob tatsächlich etwas passiert ist, kann man innerhalb von wenigen Stunden den Tierarzt aufsuchen. Dort kann bei einem Scheidenabstrich festgestellt werden, ob die Hündin erfolgreich gedeckt wurde. Innerhalb der ersten zehn Tage nach einer Fehldeckung wird der Wirkstoff Aglepriston, ein Progesteron- Antagonist, zweimal im Abstand von 24 Stunden in einer Dosierung von 10mg/kg subcutan injiziert. Aglepriston kann bei einer unerwünscht gedeckten Hündin auch bis zum 45. Tag nach der Paarung eingesetzt werden. Außer einer geringgradigen Schwellung an der Injektionsstelle traten bislang kaum Nebenwirkungen auf.

Hormonchip für Rüden Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe eines Chip-Implantats bei Rüden die Wirkung einer Kastration für sechs beziehungsweise zwölf Monate zu imitieren. Der „Kastrations“- oder Suprelorin-Chip ist ein Implantat, das ähnlich wie der Mikrochip zur Kennzeichnung mit einer etwas dickeren Kanüle unter die Haut im Nacken des Rüdens eingesetzt wird. Das Einsetzen geht schnell und ist nur mäßig schmerzhaft, sodass keine Narkose erforderlich ist.

Der Chip enthält den Wirkstoff Deslorelin, den er über sechs (4,7 mg- Chip) beziehungsweise zwölf (9,4 mg-Chip) Monate kontinuierlich in niedriger Dosis abgibt. Hierdurch kommt es zu einer vorübergehenden Unfruchtbarkeit, ohne dass eine Operation durchgeführt werden muss. Daher spricht man hier von einer „chemischen“ Kastration. Wie sich das Einsetzen des Chips auswirkt, lässt sich leider niemals exakt vorhersagen. Viele Rüden werden entspannter im Umgang und zeigen weniger Aggressionsverhalten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 118.

Dr. Astrid Heinl-Zapf, Tierärztin und Medizinjournalistin

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