Innenansicht Sitze Bundestag© dstaerk / iStock / Getty Images Plus
Im Bundestag wurde und wird wohl noch viel zu den geplanten Corona-Maßnahmen ab Herbst diskutiert.

Kabinettsbeschluss

DAS SIND DIE REGELN FÜR DEN CORONA-HERBST

Keine Maskenpflicht, Konzerte, Festivals – wir erlebten einen Sommer mit wenigen Corona-Einschränkungen. Jetzt kommt der Herbst. Und mit ihm auch schärfere Vorgaben zum Pandemieschutz.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Das Bundeskabinett brachte gestern einen Entwurf auf den Weg, der vom 1. Oktober bis 7. April 2023 weitergehende Regeln zu Masken und Tests vorsieht. Die Länder sollen sie verhängen und bei kritischer Lage ausweiten können. Bundesweit soll FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen, Pflegeheimen und Kliniken gelten. Nach Wirbel um einen Flug einer Kanzlermaschine, bei dem keine Masken getragen wurden, gibt es Rufe nach Korrekturen der Regeln für Regierungsflugzeuge.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach mahnte, die Pandemie weiter ernst zu nehmen. „Der Herbst wird schwierig." Die Verschärfungen seien „unbedingt notwendig", und er hoffe, dass die Länder den Rahmen nutzten. „Wir fangen an, uns an die hohe Zahl von Todesopfern und auch die sehr hohe Zahl von Long-Covid-Fällen zu gewöhnen. Und das dürfen wir nicht." 

FFP2-Masken bald wieder überall Pflicht

Bundesweit soll FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen gelten. Die Pflicht gibt es jetzt schon, allerdings reicht bisher auch eine einfachere OP-Maske. Die soll künftig nur noch für Kinder von 6 bis 14 Jahren und für Personal möglich sein. Lauterbach sagte, FFP2-Masken böten gegen die ansteckendere Virusvariante BA.5 besseren Schutz. Die Luftfahrtbranche protestierte gegen eine solche nationale Verschärfung der Maskenpflicht, die vielen Passagieren ohnehin schon nur noch schwer vermittelbar sei.

Bundesweit soll die FFP2-Maskenpflicht außerdem in Kliniken und Pflegeheimen sowie für Beschäftigte ambulanter Pflegedienste gelten. Zusätzlich soll man vor dem Zutritt zu den Einrichtungen einen negativen Test vorlegen müssen. Um den Schutz besonders gefährdeter Pflegebedürftiger zu verstärken, sollen Heime Beauftragte benennen müssen, die sich um Impfungen, Hygiene und Therapien für Erkrankte etwa mit dem Medikament Paxlovid® kümmern. Für den extra Aufwand sollen die Heime Sonderzahlungen von 1000 Euro pro Monat bekommen.

Die erste Länder-Stufe

Ab 1. Oktober sollen die Länder jeweils bei sich Auflagen verhängen können. Dazu zählt weiter die Maskenpflicht im Nahverkehr mit Bussen und Bahnen. Es sollen aber auch wieder Masken in öffentlich zugänglichen Innenräumen wie Geschäften und Restaurants Pflicht werden können - mit der zwingenden Ausnahme, dass man keine Maske braucht, wenn man in der Gastronomie und bei Kultur-, Freizeit- oder Sportveranstaltungen einen negativen Test vorzeigt.

Das könne in Restaurants sogar mehr Schutz bringen, da man die Maske beim Essen abnehme, erläuterte Lauterbach. Justizminister Marco Buschmann wies auf Veranstaltungen in Clubs oder beim Public-Viewing bei der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft hin, bei denen Masken keinen Sinn machten.

Eine weitere Ausnahmemöglichkeit sollen die Länder nach Kritik nur noch nutzen können, aber nicht mehr müssen: Menschen mit maximal drei Monate altem Nachweis als vollständig geimpft oder genesen können von der Pflicht befreit werden. Die Länder sollen auch Maskenpflichten an Schulen verhängen können - aber erst ab der fünften Klasse.

Die zweite Länder-Stufe

Bei einer regional kritischeren Corona-Lage sollen die Länder noch weitere Vorgaben verhängen können. Dazu zählen etwa Maskenpflichten bei Veranstaltungen auch draußen, wenn dort Mindestabstände von 1,50 Metern nicht möglich sind. Vorgeschrieben werden können Hygienekonzepte mit Desinfektionsmittel, Lüftung und Kontaktvermeidung für Betriebe und andere Einrichtungen. Außerdem sind Besucher-Obergrenzen für Innenveranstaltungen möglich.

Dieses „zweite Fach des Werkzeugkastens" habe aber als Voraussetzung zwei „Vorhängeschlösser", erläuterte Buschmann: Die Maßnahmen kann nicht einfach die Landesregierung festlegen, nötig sein soll ein Landtagsbeschluss. Außerdem muss wegen der Corona-Entwicklung eine konkrete Gefährdung für das Gesundheitswesen oder andere wichtige Versorgungsbereiche für eine bestimmte Region festgestellt werden - in einer Gesamtschau von Infektionszahlen und anderen Indikatoren.

Die Triage

Sind aufgrund einer übertragbaren Krankheit wie COVID-19 nicht ausreichend Intensivbetten verfügbar, soll die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten als maßgebliches Kriterium gelten, ob er ein Bett bekommt oder nicht. Weitere Erkrankungen dürfen eingeschränkt bei der Beurteilung der Überlebenswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. Kriterien wie Alter, Behinderung und Grad der Gebrechlichkeit dagegen nicht. Zuteilungsentscheidungen müssen nach dem Gesetzentwurf mit dem Mehraugenprinzip getroffen werden.

Lauterbach sagte: „Wer ein Intensivbett benötigt, muss es bekommen - auch in der Pandemie (...) Menschen mit Behinderungen oder Hochaltrige (dürfen) auch in Zeiten knapper Kapazitäten nicht benachteiligt werden".

Die Bundesregierung will damit auch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember umsetzen. Das Gericht hatte entschieden, dass der Staat bei ausgeprägter Schutzbedürftigkeit die Pflicht hat, Menschen vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung zu schützen. Bei einer Zuteilung knapper überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen müsse der Gesetzgeber entsprechende Schutzvorkehrungen treffen.

Der Sozialverband Deutschland begrüßte den Beschluss. „Die Situation, dass Medizinerinnen und Mediziner im Krankenhaus aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wen sie prioritär behandeln und wen nicht, muss um jeden Preis verhindert werden", sagte Verbandspräsident Adolf Bauer der Deutschen Presse-Agentur.

Koalitionsfraktionen und Bundesrat müssen noch zustimmen

Der vom Kabinett gebilligte Entwurf geht nun an die Koalitionsfraktionen, der Bundestag könnte das Gesetz nach weiteren Beratungen am 8. September beschließen. Zustimmen muss auch noch der Bundesrat, der am 16. September tagt. Die jetzigen Corona-Regelungen im Infektionsschutzgesetz, die am 23. September auslaufen, sollen dann ersetzt werden. Lauterbach sprach sich dafür aus, mit den Ländern über „möglichst viel Einheitlichkeit" beim Umsetzen zu reden.

Kritik kam von der Opposition. Der Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) sagte, die Bilder aus dem Regierungsflieger und die beschlossenen Regeln zur Maskenpflicht in Flugzeugen passten nicht zusammen. „Der Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung wurde damit ein Bärendienst erwiesen." Staatliche Vorgaben sollten sich generell auf das Notwendige beschränken und präziser auf vulnerable Gruppen konzentrieren. FDP-Vize Wolfgang Kubicki nannte das Konzept in der „Welt" enttäuschend. Frank Schäffler (FDP) warnte vor zu vielen Möglichkeiten für die Länder zu Eingriffen in Persönlichkeitsrechte.

Quelle: dpa

×