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Bewegung statt Bettruhe

JUDO

Die japanische Kampfsportart Judo bedeutet übersetzt „sanfter Weg“ und beruht auf dem Prinzip „Siegen durch Nachgeben“ oder „maximale Wirkung bei einem Minimum an Aufwand“.

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Die Athleten verneigen sich voreinander und der Kampf beginnt: Dabei ziehen und schieben sich die Judoka vor und zurück, sind mit den Armen ineinander verkeilt und belauern sich gegenseitig – einen günstigen Moment abwartend. Dann gelangt die Hüfte eines Kämpfers blitzschnell unter den Schwerpunkt des Gegners, der sich in Sekundenschnelle auf dem Rücken befindet. Der Kampfrichter hebt den Arm und beendet das Duell mit der Wertung „Ippon“ (höchste Wertung, sofortiger Sieg). Beide Judoka erheben sich, stellen sich voreinander auf und verbeugen sich zur Verabschiedung. So sehen die meisten Judowettkämpfe bei internationalen oder olympischen Judoturnieren aus, doch auch abseits des Leistungssports stellt Judo eine beliebte Sportart dar.

Mehr als nur Sport Kano Jigoro gilt als Gründer des Judos, er entwickelte ein System, welches die körperliche und geistige Ausbildung der Schüler miteinander verband. Judo stellt somit nicht nur eine Möglichkeit der Leibesertüchtigung dar, sondern ist außerdem eine Philosophie zur Persönlichkeitsentwicklung. Es basiert auf dem gegenseitigen Helfen und Verstehen zum Fortschritt und Wohlergehen beider Partner sowie auf dem bestmöglichen Einsatz von Körper und Geist. Judotechniken lassen sich zur Selbstbehauptung und zur Selbstverteidigung nutzen, sodass das Selbstvertrauen vor allem bei Kindern und Jugendlichen steigt. Die Sportart verlangt Rücksichtnahme und Verantwortung gegenüber dem Partner, ebenso wie Disziplin, Konzentration und Ausdauer.

Typisch Judo Trainiert wird barfuß und in einem Baumwollanzug mit Hose, Jacke und Gürtel, dessen Farbe den Schüler- oder Meistergrad des Sportlers anzeigt und der die Jacke zusammenhält. Die traditionellen Säulen der Kampfsportart sind der Formenlauf (Kata), bei dem festgelegte Abfolgen von Techniken mit dem Partner durchgeführt werden. Darüber hinaus unterscheidet man den im Training regelmäßig stattfindenden Übungskampf (Randori) von dem Wettkampf (Shiai). Beim Judo gilt es, im Zweikampf den Gegner durch überraschende, geschickt angewandte Griffe zu besiegen. Im Standkampf versucht man den Kontrahenten auf den Rücken zu werfen, um eine möglichst hohe Wertung zu bekommen und den Kampf frühzeitig für sich zu entscheiden. Im Bodenkampf besteht das Ziel darin, den Partner auf dem Rücken liegend am Boden festzuhalten oder Armhebel und Würgegriffe anzuwenden. Es geht nicht darum, den Gegner zu verletzen, sondern ihn durch bessere Techniken zu besiegen.

Gesundheitsförderliche Effekte Judo kann man bereits ab einem Alter von drei Jahren (zunächst spielerisch) erlernen, generell ist es möglich, die Sportart bis ins hohe Alter zu betreiben und so sind Judoka in einem Alter von über 80 Jahren keine Seltenheit. Die Sportart verbessert die konditionellen, koordinativen, sensorischen und sozial-integrativen Fähigkeiten und trainiert den gesamten Körper. Die verschiedenen Zug- und Schubbewegungen, die man mit dem Partner durchführt, stärken die Rückenmuskulatur. Der gesamte Muskelapparat wird beansprucht, das Herz-Kreislauf-System trainiert und oft sind die Athleten im Alltag besser belastbar.

Perfekte Verletzungsprophylaxe Wer mit Judo beginnt, erlernt zunächst Falltechniken, um sich beim Trainieren der Würfe keine Schmerzen und Verletzungen zuzuziehen. Die wichtigsten Aspekte bei der Fallschule sind das Abschlagen mit der offenen Hand und dem Unterarm, um die Fallgeschwindigkeit zu verringern und die Aufschlagsenergie durch einen angespannten, rundgebeugten Körper abzuleiten. Wichtig ist, dass das Abschlagen zeitgleich zur maximalen Energieeinwirkung des fallenden Körpers erfolgt. Außerdem sollte der Kopf dabei immer mit dem Kinn auf die Brust gelegt werden, um ihn vor einem Aufprall zu schützen und die Halswirbelsäule nicht zu belasten. Darüber hinaus sollten Judoka beim Auftreffen auf den Boden ausatmen, da die geleerte Lunge weniger verletzungsanfällig reagiert. Vorsicht: Anfänger stützen sich während des Falls manchmal reflexartig mit den Armen auf dem Boden ab, sodass es zu Bänder- und Knochenverletzungen kommt.

Nicht stürzen, sondern fallen Wer die richtige Falltechnik des Judos beherrscht, kann auch im Alltag davon profitieren: Werden Kinder auf dem Schulhof geschubst und fallen kontrolliert, verletzen sie sich weniger. Auch im Erwachsenen- oder Seniorenalter bewahrt der sichere Übergang vom Stand in den Boden bei unerwünschten Stürzen vor Läsionen. Auf diese Weise beugt man Verletzungen wie Oberschenkelhalsbrüchen vor, die mit eventuellen Komplikationen einhergehen.

Hebeln und Würgen Hebeltechniken werden beim Judo nur am Ellbogen eingesetzt, indem der Judoka Druck gegen die anatomisch vorgesehene Bewegungsrichtung auf das Gelenk ausübt. Dadurch zwingt man den Partner zur Aufgabe des Kampfes. Bei den Würgetechniken versucht der Judoka ebenfalls, den Kampf durch Aufgabe des Gegners zu gewinnen. Der Sportler drückt auf die seitlich des Kehlkopfes verlaufenden Halsschlagadern, um die Blutzirkulation zu unterbrechen und eine Bewusstlosigkeit zu verursachen. Angriffe auf den Kehlkopf oder das Würgen mit den Gürteln sind selbstverständlich verboten.

Judo-Unfälle Es gibt verschiedene Verletzungen, die im Judosport besonders häufig vorkommen: Dazu zählen Distorsionen von Finger- und Handgelenken, die durch das Greifen in das Revers beziehungsweise durch das Losreißen von der Jacke entstehen. Verstauchungen und Verrenkungen des Ellbogengelenks, Frakturen im Unterarmbereich sowie Schädigungen der Schulter resultieren unter anderem aus einer fehlerhaften Falltechnik, während Verletzungen der Ellbogen auch durch überzogene Armhebel zustande kommen. Verstauchungen des Großzehengrundgelenks sind bei Judoka ebenfalls gängig, sie sind auf das Hängenbleiben der Zehen zwischen verrutschten Mattenteilen oder an der Kampfkleidung des Kontrahenten zurück- zuführen.

Durch Angriffe, zu weiche Judomatten, schnelle Körperdrehungen bei fixiertem Fuß oder fehlerhafte Wurftechniken sind Traumatisierungen des Sprunggelenks möglich. Fußwurftechniken, bei denen beispielsweise die Fußsohle des Angreifers das Schienbein des Partners blockiert, führen gelegentlich zu Schienbeinprellungen. Fallen beide Kämpfer bei einem Wurfansatz zusammen auf die Matte und landet der Werfer dabei auf dem Thorax des Partners, resultieren mitunter Rippenprellungen oder –brüche. Kontusionen und Distorsionen an der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule treten unter anderem durch Haltegriffe, einen harten Aufprall auf den Rücken, fehlerhafte Eindrehtechniken sowie durch abrupte Körperbewegungen beim Abfangen von Stürzen auf. Schädel-Hirn-Traumata entwickeln sich etwa, wenn ein Judoka ungewollt auf dem Kopf landet, während Weichteilverletzungen wie Nasenbluten häufig, aber harmlos sind.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/19 ab Seite 106.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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