Friedrich Schiller © Sergey Galyamin / 123rf.com
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Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

JEDEN MONAT EIN ANDERES LEIDEN

Ein Arzt, der nicht Arzt, sondern Schriftsteller, Dichter, Philosoph sein wollte – und sich doch selbst nicht kurieren konnte, das war Friedrich Schiller, der mehr krank als gesund durchs Leben ging.

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Über Johann Friedrich von Schillers Krankheiten und die Todesursache existiert eine unübersehbare Fülle an Literatur. Seit zwei Jahrhunderten hat jede Ärztegeneration die Krankengeschichte und Obduktion Schillers nach ihrem Wissensstand bewertet und betrachtet. Tatsache ist: Friedrich Schiller war selbst nach Aussagen seiner Schwester „vom frühesten Alter an ein zartes Kind“, dem die üblichen Kinderkrankheiten schon besonders stark zusetzten.

Statt – wie er selbst wollte – Theologie zu studieren, musste der 14-Jährige auf Anordnung des Landesherrn, des Württembergischen Herzogs Karl Eugen, auf die Militärakademie. Schon dort lag er häufig im Krankenzimmer, meist mit Husten und „Lungenkatarrh“. Ein seit zwei Jahren durchgeführtes Rechtswissenschaftsstudium brach er – ebenfalls auf Druck des Herzogs – zugunsten eines fünfjährigen Medizinstudiums ab.

Schiller redete sich das Fach schön, lernte tagsüber Medizin, saß nachts an seiner Leidenschaft, der Schriftstellerei, arbeitete also viel zu viel, bei viel zu wenig Erholung. Bei der Obduktion eines Medizinmitstudenten, der im dritten Studienjahr – wie sich herausstellte – an Tuberkulose starb, zog sich mit größter Wahrscheinlichkeit auch Schiller eine Grundlage für seine weiteren Leiden zu.

Nach sieben Jahren auf der „Militär-Pflanzschule“ wurde er dort entlassen und Regimentsmedikus, also Militärarzt, in Stuttgart. Heimliches Schreiben seines ersten Hauptwerkes „Die Räuber“, dessen Uraufführung in Mannheim, Haft und Schreibverbot durch seinen Herzog, Flucht nach Mannheim und Umgebung, schließlich im Jahr 1783 ein Ein-Jahres-Vertrag als Theaterdichter am Mannheimer Nationaltheater sind weitere Stationen des von Finanznöten geplagten Schillers.

Wenn der Arzt selbst zum Patienten wird … In Mannheim erkrankte der junge Theaterdichter an Malaria, dem „kalten Fieber“, schrieb jedoch trotzdem eifrig weiter und kurierte sich nicht aus. Zudem schwächte ihn eine Eigen- und Falschbehandlung, er aß über Wochen nur Wassersuppen und fiebersenkende Chinarinde. Schillers spätere Frau Charlotte von Lengefeld sah in dieser Mannheimer Zeit den Hauptgrund seiner späteren Kränklichkeit, wie Aufzeichnungen belegen.

»Die Obduktion ergab eine starke Zerstörung zahlreicher innerer Organe.«

Zunächst stabilisierte sich sein Gesundheitszustand jedoch, er zog 1784/85 nach Leipzig, danach nach Dresden und 1787 nach Weimar. Dort fühlte er sich im September zehn Tage lang sehr unwohl, hatte im Sommer 1788 eine starke „Grippe mit Zahnschmerzen“. 1789 zum Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität in Jena ernannt, musste er aufgrund seiner häufigen Unpässlichkeiten, seiner Neigung zu Erkältungen, dauerhaftem Husten und Schnupfen, sowie ernsthaften Lungenerkrankungen seine Tätigkeit wenige Jahre später wieder aufgeben.

Verfrühte Totenfeier Gut dokumentiert ist eine schwere Lungenentzündung Anfang 1791 mit extrem hohem Fieber, Blut und Eiterspucken, bei der schon Freunde „Lungensucht“ (Lungentuberkulose) vermuteten und Studenten sich Nachtwachen beim Schwerkranken teilten. Schiller verzichtete aufgrund seiner Schwäche diesmal auf Selbstbehandlung. Aderlässe, Zugpflaster sowie Brech- und Abführmittel, welche die „krankmachenden Säfte“ aus dem Körper ziehen sollten, schwächten den ausgemergelten Schiller jedoch nur noch weiter.

Im Mai 1791 kam es, nach kurzzeitiger Besserung, zu einem erneuten, lebensbedrohlicher Rückfall mit zusätzlicher Atemnot und krampfartigen Unterleibsschmerzen. Aus heutiger Sicht war letzteres wohl eine perforierte Appendizitis (Blinddarmdurchbruch) samt perityphlitischem Abszess (abgekapselter Abszess des Wurmfortsatzes). Auch eine Lungenarterienembolie ist nach medizingeschichtlichen Untersuchungen sehr naheliegend.

VORSCHAU
In unserer neuen Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Napoleon I. (Epilepsie/egozentrische Ichsucht)
+ Ronald Reagan (Hörprobleme/Tinnitus/Alzheimer-Demenz)
+ Ludwig van Beethoven (schwerhörig/Tinnitus/Morbus Crohn)
+ Vincent van Gogh (Ohrensausen/Tinnitus,schizoaffektiv, bipolar]
+ Papst Johannes Paul II. (Parkinson)
+ Sven Hannavald (Burnout/psychologische Krankheiten)
+ Evita (Gebärmutterkrebs)
+ Sigmund Freud (Gaumenkrebs)
+ Ludwig II (Hirnhautentzündung und Folgen)
+ Friedrich Nietzsche (paranoide Schizophrenie)

Die Oberdeutsche Allgemeine Literaturzeitung“ vermeldete bereits seinen Tod, in Dänemark wurden sogar schon Totenfeiern für den deutschen Dichter abgehalten. Der weitere Krankheitsverlauf entspricht dem einer unbehandelten Organtuberkulose mit vorwiegendem Befall von Lunge und Darm. Phasen von Erkrankung und Erholung wechselten sich ab.

Die Kaskade nicht abreißender Krankheiten, die seine Schaffenskraft lähmten, ihm vom Arbeiten abhielten, entnervten Schiller schließlich so, dass er sein Leiden als Strafe für seine abgebrochene Arztlaufbahn interpretierte: „Schwer hat mich die Hippokratische Kunst für meine Apostasie (Abkehr) bestraft. Da ich nicht mehr ihr Jünger sein wollte, hat sie mich unterdessen zu ihrem Opfer gemacht.“ Und 1793 schrieb er: „… jedes Zeichen im Tierkreis bringt mir ein anderes Leiden“.

Zu den obligatorischen Atemwegserkrankungen gesellten sich bösartige Verstopfungen, Blähungen und kolikartige Unterleibskrämpfe. Häufig stimulierte sich Schiller, der Nachtarbeiter war, da er zu dieser Zeit auch mit weniger Schmerzen arbeiten konnte, mit Kaffee, Likör und Schnupftabak. Auch rauchte er, inspirierend wirkte auf ihn der Geruch faulender Äpfel.

Tod und Obduktion Am 1. Mai 1805 erlitt Schiller während eines Besuchs des Weimarer Theaters einen Zusammenbruch mit langanhaltenden Fieberkrämpfen und Bewusstlosigkeit, acht Tage später starb er. Da der ihn behandelnde Hof- und Leibarzt des Herzogs von Weimar, Dr. Ernst Huschke, nur ein „gewöhnliches rheumatisches Seitensteckfieber“ attestierte, ihn aber mit einem gefährlichen Cocktail aus Abführ- und Betäubungsmitteln sowie Reizgift in der Behandlung bombardierte, ranken sich immer wieder Mordthesen um Schillers Tod. Die Obduktion ergab eine starke Zerstörung zahlreicher innerer Organe. „Bei diesen Zuständen muss man sich wundern, wie der arme Mann so lange hat leben können“, steht im Bericht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 138.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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