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Psychologie in der Apotheke

INTELLIGENZ

Merkmale wie Kreativität, Einfallsreichtum, Merkfähigkeit und Allgemeinwissen zeichnen kluge Köpfe aus. Die Eigenschaften lassen sich durch IQ-Tests messen. Was ist Intelligenz genau und wie funktioniert der Test?

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Klug, klüger, am klügsten – Intelligenz stellt einen wichtigen Aspekt in unserer Gesellschaft dar: Eltern denken von der Geburt ihrer Kinder an über deren Intelligenz nach, die meisten Menschen wünschen sich einen intelligenten Partner für langfristige Beziehungen und auch im Berufsleben kommt der Wahrnehmung von Intelligenz eine entscheidende Bedeutung zu. Unter Intelligenz versteht man schlussfolgerndes Denken sowie die geistige Flexibilität, also demnach die kognitive Leistungsfähigkeit eines Menschen. Das Wort Intelligenz kommt aus dem Lateinischen und leitet sich von den Begriffen „intellegere“ (verstehen, erkennen, begreifen) und „intelligentia“ (Einsicht, Verständnis) ab.

In der Wissenschaft gibt es allerdings kein einheitliches Verständnis, sondern eine Reihe von anerkannten Intelligenz-Definitionen. Ein möglicher Ansatz besteht darin, Intelligenz als „die Fähigkeit, sich an neue Situationen und Anforderungen der Umwelt anzupassen“ sowie als „die Fähigkeit, die umgebende Umwelt zu verändern“, zu verstehen. Diese Vorstellung stimmt mit der einflussreichen Theorie von Charles Spearman überein, welcher der Auffassung war, dass Intelligenz eine einheitliche Persönlichkeitseigenschaft darstelle. Er ging von einem übergeordneten Generalfaktor der allgemeinen Intelligenz aus und extrahierte zudem noch weitere untergeordnete, spezifische s-Faktoren, welche die Leistungen von Personen in bestimmten Bereichen (zum Beispiel in Mathematik oder in verbalen oder räumlichen Problemstellungen) umfassen.

Im sogenannten Primärfaktorenmodell von Louis Leon Thurstone wird die Vorstellung eines übergeordneten Faktors abgelehnt, stattdessen geht die Theorie von sieben Primärfaktoren (räumliches Vorstellungsvermögen, schlussfolgerndes Denken, Merkfähigkeit, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Rechenfähigkeit, Sprachverständnis und Wortflüssigkeit) aus, welche zusammen die Intelligenz eines Menschen kennzeichnen. Raymond Cattell zeigte hingegen, dass sich Intelligenz in zwei Komponenten zerlegen lässt, die der Wissenschaftler als kristalline und fluide Intelligenz bezeichnete. Unter der kristallinen Intelligenz versteht man danach das Wissen, das eine Person erworben hat, sowie die Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden. Fluide Intelligenz hingegen ist die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erkennen und Probleme zu lösen.

Multiple Intelligenzen Howard Gardner beschreibt acht Intelligenzen, die einen ganzen Bereich menschlicher Erfahrung abdecken. Dazu zählen die logisch-mathematische, die linguistische, die naturalistische, die musikalische, die räumliche, die kinästhetische, die inter- sowie die intrapersonale Intelligenz. Die Wertschätzung für die unterschiedlichen Fähigkeiten variiert zwischen den Kulturen – in den westlichen Gesellschaften werden insbesondere die ersten beiden Intelligenzarten gefördert. Mittlerweile hat sich auch das Konstrukt der emotionalen Intelligenz etabliert, welches mit Gardners inter- und intrapersonaler Intelligenz verwandt ist. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen, sie zur Unterstützung von Denkvorgängen einzusetzen, Gefühle zu verstehen und zu analysieren sowie die eigenen Emotionen zu regulieren.

Messung des IQ Intelligenz lässt sich mit Hilfe von zahlreichen Tests messen und durch den Intelligenzquotienten (IQ) quantifizieren. Unter dem IQ versteht man eine durch einen Intelligenztest ermittelte Kenngröße, mit der man das intellektuelle Leistungsvermögen im Allgemeinen oder in einem bestimmten Bereich im Vergleich zu einer Referenzgruppe betrachtet. Der einheitliche, durchschnittliche IQ der Bevölkerung wurde dabei auf einen Wert von 100 festgelegt. Ab einem IQ von 130 gilt man als hochbegabt, während bei Menschen mit Werten unter 71 eine geistige Behinderung besteht. Den ersten Intelligenztest entwickelte Alfred Binet im Jahre 1904 und veröffentlichte ein Jahr später gemeinsam mit Théodore Simon den Binet-Simon-Test. Dieser enthielt altersgerechte Aufgaben, anhand derer sich die Antworten vieler Kinder vergleichen ließen. Dem Psychologen Ludwig Wilhelm Stern reichte Binets „Intelligenzalter“ nicht aus, sodass er die Formel zur Berechnung des IQs ins Leben rief (Intelligenzalter geteilt durch die Anzahl der Lebensjahre).

Bedeutung im Alltag Intelligenztests werden in verschiedenen Bereichen eingesetzt, etwa wenn es um die Schuleignung, die Berufswahl oder aus Arbeitgebersicht um Jobbewerber geht. Heutzutage umfassen die Tests Fragen zum allgemeinen Wissen, zum Verständnis, zum rechnerischen Denken oder zum Wortschatz, außerdem enthalten sie Aufgaben wie die Identifikation von Analogien, die Demonstration praktischen Urteilsvermögens oder die Neuordnung zerwürfelter Sätze. Zusätzlich können sie arithmetische Aufgaben, das assoziative Gedächtnis (Lernen durch Routine und Wiederholung), die visuelle und auditive Verarbeitung, Handlungsfähigkeiten (wie Bilder ergänzen oder Figuren legen) sowie die Wahrnehmungs- und Auffassungsgeschwindigkeit bewerten.

Flynn oder Anti-Flynn? Über Jahrzehnte wuchs der mittlere IQ immer weiter an – diesen Anstieg bezeichnet man als Flynn-Effekt, benannt nach dem Forscher James R. Flynn, der ihn entdeckte. Pro Dekade war der IQ in den 1950er- bis 1980er Jahren um ein bis drei Prozentpunkt gestiegen, auch andere Wissenschaftler wiesen ähnliche IQ-Steigerungsraten nach. Allerdings stagniert der Flynn-Effekt derzeit, in einigen Ländern scheint der Durchschnitts-IQ sogar abzunehmen, sodass man mittlerweile sogar von einem Anti-​Flynn-Effekt spricht.

Für die Umkehr des Flynn-Effekts gibt es verschiedene Erklärungsversuche: Einige Forscher sind der Auffassung, dass es durch Änderungen im Genpool (weniger intelligente Eltern setzen mehr Kinder in die Welt) zu einem Rückgang an Intelligenz kommt (dysgenische Entwicklung). Norwegische Wissenschaftler, die innerfamiliäre Daten erfassten, konnten diese Hypothese allerdings widerlegen, da sich die Veränderungen auch innerhalb von Familien zeigten. Auch Umwelteinflüsse wie die Verschlechterung des Bildungswesens, der zunehmende Einfluss der Massenmedien oder eine schlechtere Ernährung werden als Gründe diskutiert.

Exkurs KI Ein Teilgebiet der Informatik ist die künstliche Intelligenz (KI), auch artifizielle Intelligenz genannt. Sie befasst sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens sowie mit dem maschinellen Lernen. Dabei werden bestimmte Entscheidungsstrukturen des Menschen nachgebildet und in einem Computer programmiert, sodass dieser eigenständig Probleme bearbeiten kann. Durch einfache Algorithmen simuliert man ein intelligentes Verhalten, beispielsweise bei Gegnern in Computerspielen. Auf der Expopharm sprachen im September letzten Jahres Experten im Rahmen einer Podiumsdiskussion über Chancen der künstlichen Intelligenz in Apotheken. Der Softwarehersteller Pharmatechnik ist der Ansicht, dass man mit intelligenter Software die Apotheker unter anderem bei der Preisgestaltung unterstützen könne.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2020 ab Seite 124.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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