© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Serien Spoileralarm

INSATIABLE

Bereits vor ihrem Start löste „Insatiable“, zu Deutsch „unersättlich“, eine Kontroverse aus. Ihr Trailer hatte sogar eine Online-Petition zur Folge, die sich dafür aussprach, die Serie nicht auszustrahlen.

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Während meine Mitschülerinnen unterwegs waren, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, stopfte ich zuhause ein anderes Loch.“ erklärt die Protagonistin Patty (Debby Ryan) im Trailer, während sie auf der Couch sitzt und Eiscreme löffelt. Patty hat es nicht leicht im Leben: Sie ist übergewichtig und wird aufgrund dessen von ihren Mitschülern gemobbt, die sie mit dem Spitznamen „Fatty Patty“ rufen.

Vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan Nach einer schmerzhaften Schlägerei mit einem Obdachlosen wird Pattys Kiefer verdrahtet, sodass sie monatelang auf Flüssignahrung angewiesen ist und ihre Pfunde nur so purzeln. Als sie nach den Ferien schließlich rank und schlank in die Schule zurückkehrt, erhält sie plötzlich von Lehrern sowie von Mitschülern Beachtung und ist größtenteils beliebt. Was keiner ahnt: Patty möchte sich als Beautykönigin mit neuer Figur und viel Selbstbewusstsein an all den Personen rächen, die sie einst gehänselt haben.

Die Begegnung mit dem ehemaligen Anwalt Bob Armstrong (Dallas Roberts), der stets auf Äußerlichkeiten bedacht ist, und seiner Frau Coralee (Alyssa Milano), die ihre eigene Trailerparkherkunft leugnet, kommt Pattys Rachegelüsten gerade recht: Bob, der mit seinem Leben derzeit extrem unzufrieden ist, widmet sich neuerdings dem Coaching von Teenagern, die an Schönheitswettbewerben teilnehmen. Er beschließt, aus Patty die Schönste im ganzen Land zu machen. Allerdings schlägt sein Schützling ordentlich über die Stränge, sodass Bob der Job als Schönheitstrainer schon bald über den Kopf wächst.

KritikDie Petitionsinitiatorin Florence Given unterstellt der Serie, bei Frauen und jungen Mädchen Essstörungen zu fördern sowie die Objektifizierung ihrer Körper zu unterstützen. Ihnen würde suggeriert, sie müssten dünn sein, um gemocht zu werden. Patty wird erst erfolgreich und beliebt, als sie Gewicht verliert, sodass Teenager in der Realität möglicherweise schlussfolgern, sie könnten nur glücklich sein und Wertschätzung erlangen, wenn sie schlank seien. Junge Mädchen eifern ohnehin oft einem schlanken Schönheitsideal nach und Dünnsein gilt in ihren Augen als perfekt.

Verschiedene Studien bestätigen, dass kulturelle Einflüsse mitunter zu Essstörungen führen können. In einer Untersuchung von Aruguete et al. aus dem Jahr 2005 stellte sich außerdem heraus, dass weiße College-Studentinnen in den USA weniger glücklich mit ihren Körpern waren als ihre dunkelhäutigen Kommilitoninnen. Sie bevorzugten schlankere Figuren, wenn sie nach ihrem Wunschgewicht gefragt wurden. Im Umgang mit Heranwachsenden ist es stets wichtig, sie ernst zu nehmen, wenn sie sich mit ihrem Äußeren beschäftigen. Bezugspersonen sollten ihnen vermitteln, dass innere Werte wie Zufriedenheit bedeutsamer sind als ein perfekter Körper.

Dick und diskriminiert Das Phänomen des sogenannten Body Shamings bedeutet wörtlich, dass Menschen aufgrund ihres Körpers beschämt werden, Fatshaming bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Körperfülle. Dicke Menschen spüren häufig, was andere über ihren vermeintlich unperfekten Körper denken. In der Gesellschaft stellt die Stigmatisierung von Übergewichtigen ein gravierendes Problem dar – so zeigte eine Studie der DAK, dass 71 Prozent der erwachsenen Bundesbürger Fettleibigkeit als unästhetisch empfinden. Tatsächlich scheinen füllige Menschen es im Leben ohnehin schon schwerer zu haben: In einer Studie der Universität Tübingen stellten Wissenschaftler fest, dass dicke Menschen im Job benachteiligt werden.

Übergewichtige erhalten außerdem weniger Anerkennung von ihren Kollegen, weil ihnen oft Willensschwäche oder andere negative Eigenschaften unterstellt werden. Dem Sender Netflix wird vorgeworfen, dass er durch die Sendung „Insatiable“ Fatshaming betreibe, sich also über dicke Menschen lustig mache und zudem eine schädliche Diät-Kultur vermittle. Das sieht die Schöpferin der Serie Laura Gussis allerdings anders: Sie erklärt, dass „Insatiable“ lediglich die Realität zeige, in der Übergewichtige noch immer mit Vorurteilen und Verachtung zu kämpfen hätten.

Die Schauspielerin Alyssa Milano, Darstellerin von Coralee, twitterte, dass man in der Serie bewusst provokativ und politisch unkorrekt vorgehe, um auf den existierenden Magerwahn aufmerksam zu machen. Mit „Insatiable“ möchte man auf Themen wie Mobbing, Schlankheitswahn und Übergewicht hinweisen. Insatiable ist eine Eigenproduktion von Netflix und am 10. August auf dem Sender erschienen. Die Comedy-Serie besteht bislang aus einer Staffel mit zwölf Folgen. Im Kidsbereich der Plattform ist die Serie nicht verfügbar, da eine Altersbeschränkung (ab 16 Jahren) besteht. Jugendliche sollten die Serie am besten, wenn überhaupt, mit einer erwachsenen Person ansehen.

Folgen von Übergewicht Natürlich gehen Adipositas oder Übergewicht mit Gesundheitsrisiken einher: Betroffene leiden meist körperlich spürbar unter ihrem Gewicht – sie schwitzen schneller, sind bei Belastung kurzatmig und klagen über Kniegelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden. Laut der Framingham-​Herz-Studie ist Übergewicht ein Risikofaktor für die Entwicklung von Herz- und Gefäßkrankheiten, zudem fördert Adipositas kardiovaskuläre Risikofaktoren und verstärkt bereits vorhandene (metabolisches Syndrom). Darüber hinaus ist die Bedeutung der Adipositas für die Entstehung von Diabetes nicht zu übersehen, auch ein erhöhtes Karzinomrisiko bei Übergewicht wurde bereits diskutiert.

Patienten müssen vermehrt mit weiteren Erkrankungen wie Gicht, einer Fettleber, Arthrose, Venenleiden oder Herzinsuffizienz rechnen. Wenigen Kilos zu viel auf der Waage wurden lange keine gesundheitsschädlichen Effekte zugeschrieben, allerdings geriet diese Annahme kürzlich aufgrund einer neuen Studie von Prof. Dr. med. Nikolaus Marx ins Wanken. Demnach ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits bei einem Body-​Maß-Index, der noch als gesund gilt, erhöht. Besonders schädlich soll in diesem Zusammenhang Bauchfett sein, da es sich um die inneren Organe legt, während der Speck an den Oberschenkeln, an der Hüfte oder am Po weniger Gefahren birgt.

Das große Dilemma besteht darin, dass es häufig gar nicht so einfach ist, das eigene Körpergewicht zu kontrollieren. Viele Menschen meinen, wenn man die Nahrungsaufnahme reduziert und sich regelmäßig bewegt, würde man automatisch abnehmen. Doch das Thema ist sehr komplex, denn es gibt zahlreiche Gründe, warum eine Person übergewichtig ist. Aufgrund der gesundheitlichen Nachteile ist es zwar sinnvoll, nicht weiter zuzulegen, allerdings ist es für das seelische Gleichgewicht von großer Bedeutung, mit dem eigenen Körper zufrieden zu sein, auch wenn dieser nicht perfekt ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/18 ab Seite 134.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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