Wirbelsaeule auf dunklem Hintergrund© wildpixel / iStock / Getty Images Plus
Das Rückenmark ist Teil des zentralen Nervensystems und verläuft als eine Art großes Nervenkabel in unserer Wirbelsäule.

Innovation

VERLETZTES RÜCKENMARK NACHWACHSEN LASSEN

Lebenslange Lähmung, Empfindungsstörungen, Verlust der Blasenkontrolle: Eine Rückenmarksverletzung kann innerhalb weniger Minuten das ganze Leben umkrempeln. Heilung? Nicht möglich – doch es gibt Hoffnung.

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Sei es durch einen Autounfall, einen unglücklichen Sturz oder eine Sportverletzung, wenn das Rückenmark in Mitleidenschaft gezogen wird, gibt es kein Zurück. Das Rückenmark – Medulla spinalis – ist Teil des zentralen Nervensystems und verläuft als eine Art großes Nervenkabel in unserer Wirbelsäule. Kommt es zu einer Verletzung, ist das Gehirn nicht mehr in der Lage, in vollem Umfang mit dem Rest des Körpers zu kommunizieren. Je nach Schädigung und Nähe zum Gehirn, können einzelne Empfindungsstörungen bis hin zur Lähmung des gesamten Körpers auftreten. 

Einmal durchtrennt, wachsen Nervenfasern nicht mehr zusammen. Zum einen herrschen schlechte Ausgangsbedingungen vor Ort: Die Sauerstoff- und Energieversorgung ist eingeschränkt, ausgeschüttete Zytokine und Prostaglandine verschärfen die Entzündung. Zum anderen ist der Körper nicht in der Lage reparierende Proteine (in ausreichender Menge) selbst herzustellen. Doch was ist, wenn man genau diese Proteine von außen zufügt? 
 

Das Rückenmark von Mäusen wächst nach

Ein Forscherteam um Zaida Álvarez von der Northwestern University in Chicago versuchte- genau das, doch „Proteine haben jedoch eine extrem kurze Halbwertszeit und sind teuer in der Herstellung“, erklärt Álvarez. Es mussten also synthetische Moleküle her, sogenannte Peptid-Amphiphile. Dabei handelt es sich um kurze, modifizierte Peptide, die sich nach Injektion ins Rückenmark zu Fasern verbinden, mit den Rezeptoren der dortigen Zellen interagieren und wochenlang Bioaktivität zeigen – ein intelligenter Verband von innen. Durch spezielle biologische Signalmoleküle sind die „Proteinverbände“ in der Lage, sowohl die Regeneration der geschädigten Axone anzustoßen, als auch die Neubildung von Blutgefäßen zur Versorgung des Rückenmarks einzuleiten. Bei Mäusen mit Rückenmarksverletzungen und menschlichen Zellkulturen konnten die Forscher schon Erfolge erzielen. 
 

Der größte Vorteil ist die Beweglichkeit der Peptide

Samuel Stupp, ein Kollege von Álvarez: „Indem wir die Moleküle dazu bringen, sich zu bewegen oder sogar vorübergehend aus diesen Strukturen, die als supramolekulare Polymere bezeichnet werden, herauszuspringen, sind sie in der Lage, sich effektiver mit Rezeptoren zu verbinden.“ Die modifizierten Peptide wurden dementsprechend so bearbeitet, dass sie eher an mobilen Strukturen wie neuronalen Rezeptoren haften als aneinander. „Da die Zellen selbst und ihre Rezeptoren in ständiger Bewegung sind, kann man sich vorstellen, dass Moleküle, die sich schneller bewegen, häufiger auf diese Rezeptoren treffen“, erklärt Strupp diesen Ansatz. „Wenn die Moleküle träge und nicht so ‚gesellig‘ sind, kommen sie vielleicht nie in Kontakt mit den Zellen.“ 

Die Basis ist geschaffen, nun will das Team dazu beitragen, passende Therapeutika zu finden. Da die Peptide innerhalb von zwölf Wochen im Körper abgebaut werden, gehen sie von einem guten Sicherheitsprofil aus. Strupp ergänzt: „Außerdem könnten neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen Auswirkungen auf Strategien für neurodegenerative Erkrankungen und Schlaganfälle haben. Darüber hinaus könnte unsere grundlegende Entdeckung über die Kontrolle der Bewegung von Molekülverbänden zur Verbesserung der Zellsignalisierung universell auf alle biomedizinischen Ziele angewendet werden.“

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/bewegliche-molekuele-lassen-rueckenmark-heilen/
http://www.medizinfo.de/neurologie/rueckenmarkverletzungen/hintergrund.shtml
https://flexikon.doccheck.com/de/R%C3%BCckenmark
 

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