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Resilienz

INNERE STÄRKE

Was mich nicht umbringt, macht mich stärker – das wusste bereits Friedrich Nietzsche. Doch warum meistern manche Menschen Krisen besser als andere? Was befähigt sie, mit schwierigen Situationen umzugehen?

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Ein schönes, literarisches Beispiel für ein resilientes Kind ist Pippilotta Langstrumpf. Ihre Mutter starb sehr früh, ihr Vater ist viel unterwegs und kümmert sich nur sporadisch um sie. Bei allen Risiken, die ihr Leben in sich birgt, verfügt sie über eine herausragende Eigenschaft: Sie hat Zugang zu ihren eigenen Stärken und sie verfügt über ein großes Repertoire an Bewältigungsstrategien.“

Definition Resilienz steht für psychische Widerstandsfähigkeit, also für die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche oder sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Verb resilire ab, was so viel bedeutet wie „zurückspringen“ oder „abprallen“.

Resiliente Personen sind dazu in der Lage, berufliche Krisen konstruktiv zu überwinden oder private Rückschläge zu verkraften, ihnen wird zugesprochen, aus Tiefs eher gestärkt als geschwächt hervorzugehen. Die Entstehung des Phänomens der Resilienz ist an zwei Bedingungen geknüpft:
1. Es muss eine signifikante Bedrohung für die kindliche Entwicklung vorliegen und
2. eine erfolgreiche Bewältigung dieser belastenden Lebensumstände erfolgen.

Anpassung an widrige Bedingungen An der Entwicklung der Resilienz sind adaptive Systeme auf vier Ebenen beteiligt: Dazu gehören Ressourcen des sozialen Netzwerks , personale Kompetenzen des Kindes (Stressverarbeitung, Motivation, Lernen), des Familiensystems (Bindung, Erziehung) sowie gesellschaftlich-kulturelle Aspekte. Biologische (genetische, endokrine, neurobiologische) Resilienzfaktoren können die Impulskontrolle, Handlungsplanung und Emotionsregulation bei Stress unterstützen.

Gesundheit erhalten In den 1990er Jahren gab es in der Psychologie und in den Gesundheitswissenschaften einen Perspektiven- beziehungsweise Paradigmenwechsel: Von nun an wurde nicht mehr nur auf Ursachen und Bedingungen für die Entstehung von psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten geachtet, sondern das Ziel ist seitdem, neben Risikofaktoren auch Schutzfaktoren zu identifizieren, welche für den Erhalt psychischer und physischer Gesundheit maßgeblich sind.

Beeinflusst wurde der Blickwechsel von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky, der den Begriff der Salutogenese prägte. Das Salutogenese-Konzept beruht auf Ressourcen und Schutzfaktoren von Menschen und fragt danach, was Individuen hilft, schwierige Umstände erfolgreich zu meistern. Die WHO definiert in diesem Zusammenhang Gesundheit als „Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ und propagiert entsprechende Konzepte zur Förderung der Gesundheit.

Hierzu gehört auch die Entwicklung von Fähigkeiten zur Lebensbewältigung, sogenannten life skills, sowie zur Lebenszufriedenheit. Auf diese Weise ist der Begriff der Resilienz entstanden und weiterentwickelt worden. Die seelische Widerstandskraft wird schon in den frühen Lebensjahren angelegt und zwar dadurch, dass ein Individuum eine Situation erfolgreich bewältigt, die mit einer erhöhten Gefährdung für die Entwicklung eines Kindes einhergeht.

Beispiele hierfür sind das Aufwachsen in Armut oder der Verlust eines Elternteils beziehungsweise einer nahen Bezugsperson. Resilienz entsteht demnach aus dem Zusammenspiel von Mensch und Umwelt und ist nicht, wie früher angenommen, angeboren.

Kauai-Studie Als Pionierin der Resilienzforschung gilt die Amerikanerin Emmy Werner. Sie untersuchte mit der Forschergruppe um Ruth S. Smith den gesamten Geburtsjahrgang 1955 der Insel Kauai über 40 Jahre hinweg. 698 Menschen wurden in diesem Zeitraum beobachtet, interviewt und es wurden Daten zu ihrem Gesundheitszustand und ihrer Lebenssituation gesammelt.

Davon befanden sich etwa ein Drittel der Personen in Risikosituationen, die mit Armut, psychischen Erkrankungen der Eltern oder familiären Problemen einhergingen. Werner und Smith stellten fest, dass wiederum ein Drittel dieser Menschen sich dennoch gut entwickelte und nicht, wie die übrigen zwei Drittel, Verhaltensauffälligkeiten zeigten. Die Resilienten dieser Gruppe waren optimistisch, konnten Beziehungen eingehen oder fanden Arbeit.

Zudem waren die Todesraten (im Alter von 40 Jahren), die Scheidungen sowie chronische Gesundheitsprobleme seltener. Protektive Faktoren, die den Kindern und später den Erwachsenen zu einer positiven Entwicklung verhalfen, wurden bei dieser Gruppe auf den unterschiedlichsten Ebenen gefunden, dazu gehörten emotionale Bezugspersonen, positive Selbstwirksamkeitserwartungen oder hohe soziale Kompetenzen.

Neue Untersuchungen Auch die Forschung reagiert auf die zunehmende Bedeutung der Resilienz: Beispielsweise richtete die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum 1. Juli 2016 unter Koordination der Uni Mainz einen neuen Sonderforschungsbereich ein: „Neurobiologie der Resilienz gegenüber stressinduzierter psychischer Dysfunktion: Mechanismen verstehen und Prävention fördern“.

Die Ziele bestehen darin, herauszufinden, welche Vorgänge im Gehirn Menschen dazu befähigen, sich gegen die negativen Konsequenzen von Stress oder belastenden Lebensereignissen zu schützen.
Das Konzept der Resilienz ist weiterhin durch die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt bekannt geworden, die das Buch „Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft, Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout“ veröffentlichte.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 154.

Martina Görz, PTA, B. Sc. und Fachjournalistin

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